von Robert Halver

Der Schwellenland-Blues mit der Fed-Chefin Yellen als Frontfrau?

In den letzten Jahren hat uns die Liquiditätshausse an den Aktienmärkten viel Freude gemacht. Damit die Aktien jedoch weiter Stärke zeigen können, muss die dünne Liquiditätssuppe zur fundamentalen Kraftbrühe werden. Wir brauchen etwas Handfestes, konkret gute Konjunkturdaten.

Aktuell sorgen die Schwellenländer aber nicht unbedingt für diesen fundamentalen Nährwert. So wird China kritischer beäugt. Ein Bersten des chinesischen Immobilien- und Kreditballons würde nicht nur China, sondern ebenso der Weltkonjunktur schwer zusetzen. Apropos: Und wenn schon das Land der Mitte als Aushängeschild der Schwellenländern nicht mehr rein sein sollte, wie muss es dann erst unter den Teppichen anderer Emerging Markets aussehen?

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Riecht es nach 1997?

Jetzt wird die Saat des Zweifels an den Schwellenländern ausgerechnet auch noch durch die US-Notenbank gedüngt. Sie setzt doch tatsächlich ihr Tapering fort und könnte mit Blick auf die stabile US-Wirtschaft womöglich schon im Sommer keinen einzigen US-Cent neue Liquidität mehr in die Finanzmärkte pumpen.

Sind damit die goldenen Zeiten der Fed als big spender vorbei, in denen es für alle Investitionsprojekte reichlich Geld gab, das in der Pionierzeit der Schwellenländer durchweg gute Renditen erzielte? Alles lief prima, die Reissuppe, Hähnchen süß-sauer, Döner und Schwarze Bohnen-Eintopf. Die Hausse nährte die Hausse und mit zunehmendem Kapitalimport gab es für die Anleger als Sahnehäubchen auch noch schöne Währungsgewinne.

Diese Zweifel sind zu viel für die Nerven vieler Finanzinvestoren. Die ersten zogen - einfach mal so zur Vorsicht - ihr Geld aus Asien und Südamerika ab und brachten es in die sicheren Anlagemärkte der Heimat. Und jetzt lässt Massenpsychologie an den Finanzmärkten eindrucksvoll beobachten: Denn die anderen Investoren machen es wie die Lemminge aus noch mehr Vorsicht nach, bis zum Schluss ein gewaltiger Kapitalentzug der Marke "Don’t go East, but go back West" einsetzt. Jetzt nährt die Baisse aus Kurs- und Währungsverlusten die Baisse.

Fatalerweise könnte diese schlechte Finanzmarktstimmung die Wirtschaftsstimmung der Schwellenländer und im schlimmsten Fall auch noch die Weltkonjunktur ruinieren. Haben die Kapitalexorzisten also Recht, gibt es ein déjà vu der Asien-Krise von 1997?

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Die Zweiklassen-Gesellschaft der Schwellenländer

Nein, das glaube ich nicht. Dennoch, bekamen früher die Anleger allein schon beim Begriff "Emerging Markets" glänzende Augen, wird heute der nüchterne Blick praktiziert. Ihre anfänglichen Pionierzeiten sind vorbei. Solide Standortfaktoren haben sie zwar immer noch: Eine junge, wachsende und kaufhungrige Bevölkerung, vielfach Leistungsbilanzüberschüsse und Rohstoffe, die die westliche Industriewelt braucht. Aber heute gelten einige von ihnen als überinvestiert, heiß gelaufen und (finanz-)politisch intransparent.

Und nun, wo der Weg steiniger wird, trennt sich die Spreu vom Weizen. Jetzt kommen nur noch die Harten in den Garten. Die Schwellenländer werden auf ihre fundamentale Substanz abgeklopft. Da haben es Länder mit geringer (Auslands-)Verschuldung und intakten konjunkturellen Geschäftsmodellen naturgemäß einfacher. Gerade diese Länder haben auch vergleichsweise starke Währungen.

Liegt bei einem Emerging Market etwas im Argen, sind Zinserhöhungen zur Währungsstabilisierung für die Katz. Das ist die Lehre aus der Asien-Krise ab 1997. Drastische Zinsverteuerungen wie aktuell in der Türkei - dort haben sich die Notenbankzinsen in dieser Woche von 4,5 auf 10 Prozent mehr als verdoppelt - können nur kurzfristig die Währung stützen. Denn diese fatale Geldpolitik würgt kurzfristig finanzierte Volkswirtschaften zinsseitig ab und sorgt anschließend über verschlechterte Fundamentalperspektiven für eine konjunkturelle Währungsschwäche. Da nützt dann selbst das Schmerzensgeld hoher Anlagezinsen für ausländische Investoren nichts mehr.

Defizite jedweder Art müssen verringert werden. Immerhin scheint vielen Emerging Markets der Übergang von ungebremsten, export- und investitionsbasierten zu immer nachhaltigeren, stabileren, binnenkonjunkturell getriebenen Volkswirtschaften zu gelingen. Zu diesen Ländern gehören China und Südkorea. 1997 ist keine allgemein gültige Blaupause für 2014.

Auf Seite 4: Janet Yellen: Patronin voller Güte, die Schwellenländer allezeit behüte

Janet Yellen: Patronin voller Güte, die Schwellenländer allezeit behüte

Im Übrigen hat die Fed ihre Lehren aus der Asien-Krise von 1997 gezogen: Ihre damals ab 1994 einsetzenden Zinserhöhungen haben zum Schluss den damals noch vergleichsweise fundamental schwachen Schwellenländern das Genick gebrochen. Die Fed wird zwar weiter tapern. Aber wenn im Sommer der Liquiditätszufluss komplett beendet sein sollte, wird die Finanzwelt mit einem neuen Rekordwert an Liquidität ersäuft, von dem die Fed netto nichts abzieht.

Und von Zinserhöhungen - die Massenvernichtungswaffe der Geldpolitik schlechthin - wird die Fed unter Frau Yellen, der neuen Schutzpatronin der Schwellenländer, die Finger lassen. Es ist zu vermuten, dass sie die Beibehaltung der US-Niedrigzinspolitik zukünftig nicht mehr von konkreten Inflations- und Arbeitsmarktdaten abhängig machen wird. Denn ansonsten würde sie bei Erreichen der Schwellenwerte die Finanz-Hunde, die eigentlich schlafen sollen, aufwecken.

Im Übrigen weiß Frau Yellen um die Bedeutung der Emerging Markets als Käufer unserer westlichen Produkte und Dienstleistungen, aber auch von Staatspapieren der USA und der Euro-Peripherie. Selbstmord wird niemand begehen.

Auf Seite 5: Frau Yellen steht nicht auf Blues, schon gar nicht auf Schwellenland-Blues

Frau Yellen steht nicht auf Blues, schon gar nicht auf Schwellenland-Blues

Zurzeit sind die westlichen Frühindikatoren mehrheitlich aufwärts gerichtet. Das liegt auch an den Emerging Markets, die aber die gute Stimmung in tatsächlich harten Fundamentaldaten umsetzen müssen.

Dieser Erholungsprozess ist zu erwarten, wird aber die weltkonjunktursensitiven und vor allem deutschen Aktienmärkte über zwischenzeitliche fundamentale Enttäuschungen immer mal wieder nervös machen. Die Volatilität ist zurück auf der Finanzmarkt-Bühne.

Insgesamt aber bekommt die Liquiditätshausse im laufenden Jahr immer mehr Fleisch am Knochen und damit die Aktienmärkte immer mehr fundamentalen Nährwert.

Ich kenne nicht den persönlichen Musikgeschmack von Frau Yellen. Aber zumindest geldpolitisch leidet sie nicht unter Geschmacksverkalkung: Sie wird nie zur Frontfrau des Schwellenland-Blues werden.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.