Der Leitindex ist schwer unter Druck, startet aber immer wieder Erholungsversuche. Eine Commerzbank-Studie zeigt: In den vergangenen 30 Jahren boten sich die besten Kaufgelegenheiten im DAX im Umfeld der drei US-Rezessionen in den Jahren 2003, 2009 und 2020. Auch das gesunkene DAX-KGV sagt: Kaufen. Allerdings sind noch einige Faktoren zu beachten. Von Wolfgang Ehrensberger


20 Prozent Minus beim DAXseit Jahresbeginn sind laut Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange. Weiter steigende Notenbankzinsen, noch immer zu hohe Gewinnerwartungen und ein hohes Kurs-Buchwert-Verhältnis sprechen gegen eine rasche Trendwende, sagt Krämer. Ukrainekrieg, hohe Inflation und drohende Rezession werden die Aktienmärkte weiter belasten.

Dennnoch startet der deutsche Leitindex immer wieder Erholungsversuche. „Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für DAX-Käufe?“, fragt Krämer, und bringt einige überraschende Argumente dafür: Tatsächlich habe es in den vergangenen drei Jahrzehnten die besten Kaufgelegenheiten im Umfeld der drei großen US-Rezessionen in den Jahren 2003, 2009 und 2020 gegeben. Die jeweiligen DAX-Tiefpunkte lagen dabei im März des entsprechenden Jahres. „In der ersten Hälfte des kommenden Jahres 2023 dürfte nun aufgrund der rasant steigenden US-Leitzinsen die nächste Rezession in den USA folgen“, erläutert Krämer.

In den früheren Rezessionen sei zudem eine wichtige Voraussetzung für den Start einer Bodenbildung an den Aktienmärkten gewesen, dass sich die Stimmung der Unternehmen bereits deutlich eingetrübt hatte. Das geht einher mit einem Rückgang des Ifo-Index auf 90 Punkte oder darunter (aktuell August 2022: 88,5 nach 88,7 im Juli). Mit dem kräftigen Rückgang des Ifo-Index ist demnach eine Voraussetzung für eine DAX-Tief erfüllt. 

Allerdings warnt Krämer, dass die Notenbanken derzeit die Leitzinsen weiter erhöhten – während sie in den früheren Rezessionsphasen bereits auf einen expansiveren Kurs umgeschwenkt waren. „Darum halten wir es für recht wahrscheinlich, dass sich der DAX-Bärenmarkt fortsetzen wird, bis zumindest die US-Notenbank klar kommuniziert, dass ihr Leitzinserhöhungszyklus abgeschlossen ist“, so Krämer. „Mit einem Strategiewechsel der Fed ist aber wohl erst im Frühjahr 2023 zu rechnen.“

„DAX-KGV sagt: Kaufen“

Auch sei kritisch, dass die DAX-Gewinnerwartungen weiter auf einem Rekordhoch lägen. Dagegen seien die Margenerwartungen der Analysten in den früheren Phasen schon deutlich zurückgeschraubt worden. Zumindest das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des DAX, das in den vergangenen Monaten von 18 auf 10 gesunken sei, entspreche aber bereits der Bewertung an den früheren DAX-Wendepunkten. „Eine wichtige Bedingung für das Auslaufen eines DAX-Bärenmarktes ist damit erfüllt“, sagt Krämer. Anders das in Krisenzeiten wichtigere Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), das bei 1,3 liegt und damit deutlich höher als in den früheren Phasen (1,0 bis 1,2 – entspricht 9600 bis 11500 DAX-Indexpunkten).

Also unter dem Strich: eher noch abwarten. Für eine Trendwende fehle außerdem noch ein für eine Rezession typischer „finaler Ausverkauf“, der mit einem Anstieg des Volatilitäts-DAX für mehrere Wochen in Richtung 40 einhergeht.

Krämers Fazit: „Wir halten neue DAX-Tiefs in einem sich noch mehrere Monate hinziehenden Bärenmarkt für wahrscheinlicher – bis die US-Notenbank ein Ende ihrer Leitzinsanhebungen signalisiert.“