Die für diese Woche erwarteten Ergebnisse des neuen Stresstests für europäische Banken könnten deshalb gerade in Italien die ohnehin schon angespannte Lage weiter verschärfen. Weil das neue Regelwerk der Europäischen Union Staatshilfen für Banken verbietet, müssten Aktionäre, Inhaber von Obligationen und Sparer, die mehr als 100 000 Euro auf dem Konto haben, für eine Bankenrettung zur Kasse gebeten werden. Hilft Matteo Renzi den Banken indirekt mit Steuergeldern, dürften ihn die Bürger bei einem Referendum im Oktober abstrafen. Der Premier hat sein politisches Schicksal aber mit der Abstimmung verbunden.
Italiens Wirtschaft und die Mailänder Börse sind im Krisenmodus - wieder einmal. Der Leitindex FTSE MIB hat seit Jahresanfang rund 22 Prozent eingebüßt. Diese im europäischen Vergleich schlechte Performance ist dem Umstand geschuldet, dass der Bankensektor unter den italienischen Standardwerten hoch gewichtet ist.
Ungemach droht auch den Unternehmen des Landes. "Für die italienischen Banken wirkt es sich jetzt negativ aus, dass sie einen größeren Teil ihrer operativen Gewinne an die Anteilseigner ausgeschüttet haben, anstatt damit ihre notleidenden Kredite abzubauen", sagt Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank. "Dieser Ballast hemmt die Vergabe neuer Kredite, und auf die setzen gerade kleine und mittlere Unternehmen mehr als auf den Kapitalmarkt. Das bremst wiederum Investitionen, das Wachstum bleibt schwach - ein Teufelskreis, der einfach nicht durchbrochen wird."
Krise und kein Ende
Eine aktuelle Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) kommt zum Ergebnis, dass Italien wegen der hohen Verschuldung und des dauerhaft schwachen Wachstums besonders anfällig für einen neuen Konjunktureinbruch ist. Die Wirtschaft leidet unter zahllosen ungelösten Strukturproblemen.
Zu hohe Arbeitskosten, zu hohe Steuern und eine überbordende Bürokratie hemmen Wachstum und Innovation. Erst für 2025 erwartet der IWF eine Rückkehr der Wirtschaftskraft auf das Vorkrisenniveau von 2007. Derzeit liegt sie nur um zehn Prozent über dem Niveau von 1990. Dabei bietet das Land für Anleger etliche Unternehmen, die in ihren jeweiligen Branchen führend sind. In Ausgabe 12/2016 hat BÖRSE ONLINE einige dieser Nebenwerte vorgestellt. Bei den großen Unternehmen sieht Francesco Spadaccia, Portfoliomanager bei Credit Suisse, auf dem aktuellen Bewertungsniveau die Risiken durch Bankenkrise und Auswirkungen des Brexit eingepreist: "Das durchschnittliche Kurs-Umsatz-Verhältnis für alle MIB-Unternehmen für 2017 liegt mit 12,5 auf dem Jahrestief. Ein weiteres Absinken entspräche einem Rezessionsszenario."
Einige Titel haben gegen den Negativtrend zuletzt sogar ein neues Allzeithoch erreicht. Diasorin zählt dazu. Die auf Diagnostika für Infektionskrankheiten und Diabetes spezialisierte Firma legt dank neuer Produkte bei den Margen weiter zu. Bei angepassten Stopp- und Zielkursen bleibt die Aktie kaufenswert. Dazu bekräftigen wir unsere Kaufempfehlung für Prysmian, eine der weltweit führenden Firmen für Strom-, Glasfaser- und Unterseekabel. Prysmian erzielt 20 Prozent des operativen Gewinns in Großbritannien, ist aber im Bereich Infrastruktur und Telekom aktiv, und dort wird auch nach dem Brexit weiter investiert.
Kaufenswert sind wieder einzelne Modekonzerne, etwa Moncler. Der Hersteller hochpreisiger Winterbekleidung ist nach dem jüngsten Kursrückgang wieder attraktiv bewertet. Davon kann bei Yoox Net-A-Porter noch keine Rede sein. Die Aktie ist weiterhin teuer, genau wie die Gucci-Handtaschen oder Burberry-Ponchos, die der internationale Onlinehändler für Luxusmode auf seinen 40 Webseiten verkauft. Mit einem Marktanteil von zehn Prozent ist die Firma im Internetgeschäft mit Luxusgütern aber sehr gut aufgestellt und kann am anhaltend starken Wachstum dieser Branche überproportional partizipieren. Bei der Aktie des Getränkeherstellers Davide Campari, die wir zuletzt in Ausgabe 21 empfohlen hatten, heben wir nach einem neuen Allzeithoch unseren Ziel- und Stoppkurs an.