Es gibt viele Milliardäre im Silicon Valley, die einen extravaganten Lifestyle pflegen. Jack Dorsey ist einer von ihnen. Zwar umgibt er sich mit den üblichen Insignien und Statussymbolen der Superreichen: Seine Freundinnen sind meist attraktive Models oder Schauspielerinnen, er fährt schnelle Autos, trägt Anzüge von Prada und besitzt eine spektakuläre Villa oberhalb von San Francisco mit Blick auf die Golden-Gate-Brücke. Aber es gibt auch einen anderen Jack Dorsey. Einen Mann mit fast mönchischen Zügen, der regelmäßig meditiert, täglich nur eine Mahlzeit isst und an den Wochenenden fastet, der nach dem Aufstehen in die Sauna geht und ein Eiswasserbad nimmt. Bevor er zu Fuß die acht Kilometer zur Arbeit läuft, stärkt er sich mit einem Drink aus Himalaya-Salz und Zitrone.

Dieser asketische Lifestyle findet im Silicon Valley, dem mächtigsten Tal der Welt, zunehmend Anhänger. Und Dorsey, der bärtige und tätowierte Tycoon, hat dort fast schon Gurustatus.

Dorsey, 1976 in St. Louis, Missouri, geboren, wurde streng katholisch erzogen. Er war schüchtern und mager, und von Geburt an litt er an einer Sprachstörung, die er mithilfe einer Therapie überwand. Als er acht Jahre alt war, bekam er einen IBM PC Junior und lernte zu programmieren. Er begeisterte sich für Stadtpläne und träumte davon, Bürgermeister von New York zu werden. Erst studierte er an der Technischen Universität von Missouri, später an der New York University und schmiss 1999 das Studium - ein Semester vor dem Abschluss.

Während seiner Studienzeit arbeitete er gelegentlich als Model, Fahrradkurier und Masseur, er war in Hackerforen unterwegs und entwickelte bereits mit 15 eine Dispositionssoftware für Taxis, die noch heute von einigen Taxi­unternehmen verwendet wird. Damals begeisterte er sich auch für Punk­rock, färbte seine Haare blau, trug eine Igelfrisur und einen Nasenring.

Im Jahr 2000 zog er nach Kalifornien ins Silicon Valley und gründete mit den drei Softwareentwicklern Evan Williams, Biz Stone und Noah Glass die Pod­casting-Firma Odeo. Sie suchten nach einer simplen konzerninternen Kommunikationsform, einem Kurznachrichtendienst in Echtzeit - die Geburtsstunde von Twitter (auf deutsch: Gezwitscher). Für die Domain bezahlten sie rund 7000 Dollar.

Der "New York Times"-Reporter Nick Bilton, der die Twitter-Story in seinem Buch "Twitter - eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat" aufgezeichnet hat, verglich die Geschichte der Firmengründer mit einem Abenteuerroman: Er schildert darin die Ankunft der vier Glücksritter im gelobten Silicon Valley, alles ungelernte, sensible Nichtstuer, die vertrieben wurden von der Unkultur ihrer Redneck-Heimatorte, die sich nun hineinstürzten in die Welt der nächtlichen Hackersessions, der Pizza-­Bier-Menüs und Technopartys, in die verlockende Welt der hochfliegenden Ideen und Spekulationen.

Das erste Gezwitscher


Am 21. März 2006 postete Dorsey seinen ersten Tweet ("just setting up my twttr"). Es war der Beginn einer einfachen Kommunikationsplattform, jeder Nutzer konnte darauf 140 Zeichen lange Nachrichten hinterlassen, der Tweet war sofort für alle sichtbar. Außerdem konnte der Nutzer Nachrichten anderer retweeten und verbreitete sie damit auch auf seinem eigenen Account. Die erste Skizze des Logos hatte Dorsey mit einem Kugelschreiber auf einen Block gekritzelt.

Dorsey war 30 und Chef des Unternehmens - den Nasenring hatte er inzwischen entfernt, um als seriöser Manager wahrgenommen zu werden. Das Geschäft lief anfangs schleppend. Auf einer Technoparty, einem Rave in San Francisco, wollten sie ihren Dienst bekannt machen, schenkten kostenlos Wodka aus und verteilten Handzettel mit der Internet­adresse. Aber lediglich 100 Besucher interessierten sich für Twitter. Im Juni 2007, gut ein Jahr nach dem Start, hatte Twitter 250 000 regelmäßige Nutzer. Das reichte nicht wirklich, das Unternehmen hatte keine Einkünfte, machte keinen Gewinn und hatte Geld­bedarf.

Aber plötzlich bot sich eine überraschende Lösung für all diese Probleme: Der Internetriese Yahoo machte Twitter ein Übernahmeangebot. Man traf sich mit Yahoo-Managern zu einem Gespräch, auf dem Rückweg zu ihren Büros rätselten die vier, wie viel der Silicon-Valley-Gigant ihnen wohl anbieten würde. Die Schätzung lag bei 100 Millionen Dollar. Am Nachmittag kam der ernüchternde Anruf: Zwölf Millionen Dollar bot Yahoo - für das Gründerquartett war der mögliche Verkauf damit vom Tisch. Dafür aber stieg die Zahl der Nutzer deutlich an. 2007 wurden in drei Monaten nur rund 400 000 Tweets veröffentlicht, ein Jahr später bereits eine Million. Anlässlich des sechsjährigen Jubiläums 2012 verkündete Twitter fast unglaubliche Zahlen: 140 Millionen Nutzer, 340 Millionen Tweets pro Tag.

In der Folge kam es unter den vier Gründern zu "fast seifenopernhaften Verstrickungen und Kämpfen", so die "SZ". 2008 wurde Jack Dorsey auf einen Frühstücksdirektorenposten versetzt und durch Evan Williams als Chef ersetzt. Dorsey dazu: "Es war wie ein Schlag in die Magen­grube." Die Begründung: Dorsey hätte das Unternehmen zu oft bereits um 18 Uhr verlassen, um Yogastunden zu nehmen oder in einem Modedesigner-Abendkurs Röcke zu schneidern.

Dorsey zog sich zurück und gründete den Bezahldienst Square, mit dem jeder Zahlungen per Kreditkarte annehmen kann, selbst bei kleinen Beträgen. Inzwischen gibt es die mobilen Square-Bezahlsysteme auf der ganzen Welt. 2015 ging das Unternehmen an die Börse.

Inzwischen ging hinter den Kulissen der Machtkampf bei Twitter weiter. Im März 2011 kehrte Dorsey als Chef zurück, Williams musste gehen, offiziell auf eigenen Wunsch. Seine letzte "Amtshandlung" als Chef: Er kauerte auf dem Boden seines Eckbüros und musste sich in den Papierkorb übergeben. Warum? Das wusste er selbst nicht genau.

Prominente Twitter-User


Im November 2013 ging Twitter in New York an die Börse. Innerhalb weniger Stunden wurde Jack Dorsey zum Milliardär - 2014 schätzte "Forbes" sein Vermögen auf 2,2 Milliarden Dollar, heute sind es 4,7 Milliarden. Google, Microsoft und Facebook hatten nach Insiderberichten alle versucht, Twitter zu kaufen, zum Teil für Beträge über acht Milliarden Dollar.

Unter den Usern finden sich heute Prominente wie der Papst, die Sängerinnen Katy Perry und Lady Gaga, der Teenie-Star Justin Bieber und auch bekannte Fußballstars. Nicht zu vergessen natürlich Donald Trump. Es vergeht kein Tag, an dem der US-Präsident nicht einige Tweets in die Welt setzt und so Politik macht. Längst hat sich Twitter zu einer Plattform entwickelt, die unsere Kultur verändert und die traditionellen Kommunikationskanäle ablöst.