Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. In drei Wochen, am 23. Juli, starten in Tokio die 32. Olympischen Sommerspiele. Eigentlich ist es die Nachholveranstaltung für 2020, als das weltgrößte Sportereignis wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde. Und auch jetzt finden viele, dass es noch zu früh ist für ein solches Riesenevent.

Seit die Regierung von Ministerpräsident Yoshihide Suga am 20. Juni den Corona-Notstand gelockert hat, steigen im Großraum Tokio die Fallzahlen wieder an. Wie stark die Furcht ist, zeigt nicht zuletzt ein seltener und politisch deshalb umso brisanterer Kommentar aus dem Kaiserpalast. Herrscher Naruhito sei besorgt über das Risiko einer weiteren Virusausbreitung durch die Olympischen Spiele, ließ er über einen Vertrauten mitteilen. Die prekäre Lage ist auch Suga und seinem Kabinett bewusst: "Wir müssen im Hinblick auf das Virus in höchster Alarmbereitschaft sein", sagte er Reportern Anfang der Woche.

Es ist wahrlich ein Balanceakt: Japan nähert sich einem Megasportereignis zu einer Zeit, in der nur gut 22 Prozent der Einwohner eine erste Impfung erhalten haben und elf Prozent vollständig immunisiert sind. Lange war die Stimmung in der Öffentlichkeit deshalb gegen die Spiele gerichtet. Dieser Widerstand scheint jedoch allmählich nachzulassen. "In den jüngsten Umfragen sprach sich etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer für die Spiele aus", berichtet Richard Kaye, der seit 27 Jahren in Tokio lebt und dort den Aktienfonds Comgest Growth Japan managt.

Nach Kayes Beobachtung klettern die Zustimmungswerte, weil die Regierung ständig versichere, alle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Neben einer Zuschauerbeschränkung an den Wettkampfstätten zählt dazu auch, dass das Publikum Masken tragen muss und nicht jubeln darf. Fast überflüssig zu erwähnen, dass nur heimische Sportfans die Spiele besuchen dürfen.

Für mehr Zuversicht sorgt auch die Tatsache, dass die sehr schleppend in Gang gekommene Impfkampagne stark an Fahrt aufgenommen hat. "Zuletzt wurden rund 1,2 Millionen Menschen an einem einzigen Tag geimpft", weiß Kaye. "Bis zum Ende des Sommers soll die Mehrheit der Bevölkerung immunisiert sein", so der Fondsmanager. Dieses Ziel werde von Suga und der Regierung auch mit Blick auf die im Herbst anstehenden Wahlen verfolgt.

Für Japan steht viel auf dem Spiel

Bis dahin wird sich gezeigt haben, ob die Sommerspiele der Stimmung in der Bevölkerung sowie der Wirtschaft einen Impuls geben konnten. Das Research-Institut des Finanzkonzerns Nomura hat berechnet, dass die Ausrichtung der Spiele einen Gewinn zwischen 1,66 und 1,81 Billionen Yen (umgerechnet 12,6 bis 13,7 Milliarden Euro) für Japan abwirft - abhängig von den Einschränkungen für die heimischen Zuschauer.

Sollte das Großereignis die Corona- Verbreitung im Land aber erneut beschleunigen und müsste die Regierung einen neuen Notstand ausrufen, würde das die Wirtschaft zwischen drei und 6,4 Billionen Yen kosten (22,6 bis 48,4 Milliarden Euro). So teuer kamen nach Berechnung der Nomura-Analysten die bisherigen Eindämmungsphasen.

Für Japan steht also viel auf dem Spiel. Entsprechend streng dürften die Sicherheitsmaßnahmen sein. Fondsmanager Kaye erwartet von den Olympischen Spielen sowieso nicht den großen ökonomischen Impuls. Zumindest nicht vordergründig. "Ich sehe mehr den psychologischen Nutzen", sagt er. "Laut Statistik sind im vergangenen Jahr mehr Menschen in Japan an Suizid gestorben als am Coronavirus."

Bringt das Land die Spiele gut über die Bühne, ist das nicht nur ein Motivationsschub für die Bevölkerung, auch die Aussichten für Wirtschaft und Börse hellen sich dann weiter auf. Nachdem das japanische Aktienbarometer Nikkei 225 Ende Februar über die psychologisch wichtige 30.000-Punkte-Marke geklettert war, fiel der Index wieder zurück und dümpelt seitdem seitwärts. Für Portfoliolenker Kaye spiegelt das vor allem die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Corona-Krise wider. Mit zunehmenden Impffortschritten dürfte sich diese Belastung verringern.

In der zweiten Jahreshälfte und für 2022 verbessern sich die Perspektiven. Yuki Masujima, Volkswirt bei Bloomberg Intelligence, erwartet starke Exporte, die ein schwächeres Inlandsgeschäft abfedern, zudem werde die aufgeschobene Nachfrage 2022 für Schub sorgen. Trotz schwacher erster Monate - im Mai sorgten die Corona-Maßnahmen sowie ein Mangel an Halbleitern für einen heftigen Einbruch der Industrieproduktion - rechnet Masujima mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 2,4 Prozent in diesem und 2,8 Prozent im kommenden Jahr.

Ändert sich das fundamentale Bild dergestalt, kann eine neue Börsenrally rasch Form annehmen. "Sobald der Nikkei wieder über die Marke von 30.000 Zählern steigt, kann es mit weiteren Kurszuwächsen schnell gehen", sagt Comgest-Mann Kaye. Denn das Überschreiten dieses wichtigen Levels wecke das Interesse bei vielen Investoren. Insbesondere institutionelle Anleger aus Japan selbst seien in heimischen Aktien noch immer unterinvestiert.

Unter den großen Aktienmärkten weltweit ist Japan der einzige, der in den vergangenen Jahren keinen neuen Höchststand erreicht hat. Das Alltime- High beim Nikkei bei 38.957 Zählern stammt noch aus dem Jahr 1989. Die Jagd bis dorthin wird sportlich - auch nach den Sommerspielen in Tokio.
 


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