Der weltgrößte Elektroauto-Bauer Tesla hat zwar einen neuen Auslieferungsrekord erzielt, dabei aber sowohl die eigenen Ziele als auch die Erwartungen der Analysten verfehlt. Ausgebremst wurde Tesla durch anhaltende Logistikprobleme sowie eine sinkende Fahrzeugnachfrage im Zuge von steigenden Leitzinsen und Rezessionsängsten. Leerverkäufer der Tesla-Aktie freuen sich.
Das US-Unternehmen hat nach eigenen Angaben vom Montag-Abend im vierten Quartal weltweit 405.278 Autos an seine Kunden übergeben. Experten hatten nach Refinitiv-Daten im Durchschnitt allerdings mit mehr als 431.000 Fahrzeug-Auslieferungen gerechnet. Damit lieferte Tesla etwa 34.000 Fahrzeuge weniger aus, als es baute: Die Gesamtproduktion im Berichtszeitraum lag bei 439.701 Fahrzeugen.
Produktions- und Auslieferungs-Rekord
Im Gesamtjahr kommt der Autobauer auf rund 1,31 Millionen verkaufte Wagen, ein Plus von 40 Prozent. CEO Elon Musk hatte als Ziel allerdings eine Jahressteigerung um 50 Prozent ausgerufen und ein "episches" viertes Quartal angekündigt. Daraus wurde trotz markanter Preisnachlässe nichts.
Die Produktion zog um 47 Prozent auf 1,37 Millionen Autos an. Zu den Finanzzahlen machte das Unternehmen mit Hauptsitz in Austin (Texas) noch keine Angaben, Tesla will die Zahlen am 25. Januar vorlegen.
Die Zahlen seien zwar weniger schlimm als die düstersten Vorhersagen an der Wall Street, erklärte der Analyst Daniel Ives von Wedbush Securities. Zudem seien bereits viele schlechte Nachrichten im Aktienkurs eingepreist. "Aber verfehlt ist verfehlt."
Tesla-Aktie zeitweise erneut unter Druck
In den USA blieben die Börsen wegen des nachgezogenen Neujahrs-Feiertags am Montag noch geschlossen. Doch außerbörslich und auch in Deutschland reagierte die Tesla-Aktie mit einem Absacker. Im Handel via Tradegate rutschte der Nasdaq-Wert zeitweise auf 110 Euro ab, kann sich am Dienstag-Vormittag jedoch wieder auf 114 Euro erholen. In den USA hatte die Tesla-Aktie am Freitag bei 123,18 Dollar geschlossen.
Bewertung immer noch nicht günstig
Die Tesla-Aktie hatte im vergangenen Jahr etwa zwei Drittel an Wert verloren, der größte Verlust seit dem Börsengang 2010. Die Titel gehörten zu den lukrativsten Werten für Leerverkäufer. Shortseller hatten in den vergangenen Monaten auf eine Kurskorrektur gewettet und Schätzungen zufolge 2022 rund 17 Milliarden verdient, so viel wie mit keiner anderen Aktie.
Andere Investoren sorgten sich im Umfeld steigender Zinsen und hoher Inflation nicht nur um die vergleichsweise immer noch hohe Bewertung der Tesla-Papiere. Musk musste zudem Anteile für fast 40 Milliarden Dollar auf den Markt werfen, um den umstrittenen Kauf des Kurznachrichten-Dienstes Twitter finanzieren zu können.
Musk hatte Twitter im vergangenen Jahr nach langem Hin und Her für 44 Milliarden Dollar gekauft und nach Abschluss der Übernahme die Führung des Unternehmens an sich gerissen. Tesla-Anleger nahmen Musk auch den medienträchtigen Wirbel darum übel, weil er Twitter viel Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken schien.
Viele Widrigkeiten
Dabei hatte auch Tesla 2022 gut zu tun und mit Widrigkeiten zu kämpfen. Zwei neue Werke liefen an – eines in Grünheide bei Berlin, das andere in Austin in den USA. Im wichtigen Markt China machten die harschen Anti-Corona-Maßnahmen der Pekinger Regierung Probleme. Letztlich griff Tesla zu einem für das Unternehmen ungewöhnlichen Schritt und räumte Kunden in China und den USA Rabatte für den Autokauf ein.
"Wir glauben, dass Tesla einem bedeutenden Nachfrageproblem gegenübersteht", schrieb Bernstein-Analyst Toni Sacconaghi, der weiter mit einer unterdurchschnittlichen Entwicklung der Tesla-Aktien rechnet. Trotz der Preisnachlässe habe Tesla im Schlussquartal wohl deutlich weniger Aufträge hereinbekommen als Umsatz gemacht.
Weiteres Wachstum fraglich
Tesla dürfte entweder die Wachstumsziele kappen müssen und damit auch die Fabriken schlecht auslasten. Oder das Unternehmen müsse weiter auf Rabatte setzen und diese möglicherweise weltweit ausweiten, was die Margen belasten würde. Schließlich könnte auch der breitere Markt weiter unter Druck geraten
angesichts höherer Zinsen und nachlassender Konsumausgaben und somit
höher bewertete Aktien wie Tesla übermäßig belasten. Sacconaghi hat Tesla auf "Underperform" mit einem Kursziel von 150 US-Dollar belassen.
Das Verhältnis von Aktienkurs zu Gewinn liegt für Tesla derzeit bei 30. Bei traditionellen Autokonzernen ist diese Kennzahl einstellig.
BÖRSE ONLINE rät bei der Tesla-Aktie zum Abwarten. Noch sind keinerlei erkennbare Bodenbildungs-Versuche im Chart erkennbar. Bis auf weiteres dürfte die Aktie unter Schwankungen auf dem erreichten Niveau oberhalb der 100-Dollar-Marke verharren. Am 1. März will Tesla einen Kapitalmarkttag ausrichten. Dann dürfte etwas klarer werden, wie der Konzern selbst die nähere Zukunft angehen will. (Mit Material von dpa-AFX)