Die Deutsche-Bank-Tochter DWS erlebte ihr Amerika-Fiasko am Donnerstag vergangener Woche: Nach Berichten über einen angeblich zu laxen Umgang mit den eigenen Nachhaltigkeitskriterien und Ermittlungen der US-Börsenaufsicht SEC rauschte die Aktie 13 Prozent in den Keller - eine Milliarde Euro Börsenwert löste sich an diesem Tag in Luft auf.
Die DWS ist kein Einzelfall: Erst Anfang August brach die Aktie des Versicherungskonzerns Allianz um zehn Prozent ein, nachdem die SEC und das US-Justizministerium Ermittlungen wegen eines milliardenschweren Streits zwischen der Allianz-US-Tochter AGI und mehreren Hedgefonds eingeleitet hatte. Die Fonds fordern von AGI fast sechs Milliarden Dollar Schadenersatz für Verluste bei Finanzprodukten. Eine Woche später leitete die US-Telekomaufsicht ein Verfahren gegen die Telekom-Tochter T-Mobile US ein, die Opfer eines Hackerangriffs geworden war, bei dem die Daten von 47 Millionen Kunden offengelegt wurden. Die US-Aufsicht prüft nun Versäumnisse beim Datenschutz.
Kapitalmarktexperte Robert Halver von der Baader Bank sieht darin keineswegs sachbezogene Einzelfälle, sondern eine Kampagne. "Ich fürchte, dass die USA deutsche Konzerne weiter mit unfeinen Methoden malträtieren. Das ist knallharte Industriepolitik: America First." Das habe sich auch unter dem neuen Präsidenten Joe Biden nicht geändert. "Biden ist ein Trump im Schafspelz. Er betreibt unfaire Buy-America-Politik", sagte Halver zu €uro am Sonntag.
Mit ihrem Fokus auf Nachhaltigkeit (ESG) habe sich die DWS als Konkurrenz für die USA positioniert, die bei ESG ebenfalls Marktführerschaft anstreben und Klimaschutz als neues Standbein der US-Wirtschaft sehen, so Halver. "Also zieht Amerika beim kleinsten Hinweis auf Greenwashing alle Register." Das gleiche gelte für die Allianz, die als großer Vermögensverwalter in den USA auch ein gefährlicher Konkurrent für die dortige Finanzbranche sei.
"Kein gezieltes Kreuzfeuer"
Der Frankfurter Kapitalmarkt-Anwalt Klaus Nieding hält solche Befürchtungen für übertrieben - insbesondere die Vermutung, dass die Amerikaner gezielt gegen deutsche Konzerne vorgingen. Die großen bekannten Fälle, Bayers Rechtsrisiken aus der Monsanto-Übernahme oder die von Volkswagen im Dieselverfahren, seien globale, riesige Skandale mit vielen Geschädigten. Bei DWS wiederum werde anlassbezogen aufgrund von Aussagen einer früheren Mitarbeiterin untersucht, ebenso bei Telekom wegen eines Datenlecks und bei AGI im Zusammenhang mit coronabedingten Verlusten von Fonds, die AGI aufgesetzt hat und die in der Corona-Krise massiv an Wert verloren haben. "Anzeichen, dass deutsche Konzerne gezielt ins Kreuzfeuer genommen werden, sehe ich nicht", sagt Nieding. "Bei gleichartigen Vorfällen von US-Unternehmen würden die US-Behörden die gleichen Untersuchungen einleiten." Im Fall DWS hat die früheren Mitarbeiterin Desiree Fixler Vorwürfe gegen die Fondsgesellschaft erhoben. "Wir haben über die Hintergründe bei Desiree Fixler keine Informationen. Aber wenn man als Börsenaufsicht derartige Informationen und Vorwürfe zur Kenntnis erhält, ist die Aufsicht sogar verpflichtet, diese zu untersuchen", erläutert Nieding.
Auf einer Linie sind Nieding und Halver dagegen bei den Konsequenzen, die aus den jüngsten Ereignissen gezogen werden müssten, insbesondere aus dem Fall DWS. Strengere Regeln für die Fondsbranche seien unumgänglich, glauben beide. Aber auch die Anbieter selbst müssten sich darauf einstellen, künftig strenger kontrolliert zu werden, gerade weil ESG im Investmentbereich auch ein Modethema ist und schwarze Schafe anzieht. "Jedes Institut, das ESG-Fonds anbietet, hat ein Risiko, stärker kontrolliert werden", sagt Nieding. Deshalb sollte die Kommunikation bei ESG-Themen, insbesondere in Fondsprospekten, rechtlich abgesichert werden.