Geld ist wie Sauerstoff!", brüllt Jordan Belfort und reißt die Arme hoch. Das Publikum in der Frankfurter Festhalle jubelt. Doch der Mann, der an diesem Abend auf der Bühne steht, auf der sonst internationale Musiker brillieren, hält weder eine E-Gitarre in der Hand, noch ist er ein Rockstar: Er ist ein berüchtigter Anlagebetrüger, der seit sieben Jahren als Motivationstrainer um die Welt reist.

Als Aktienhändler verdiente Belfort ab Ende der 80er-Jahre in New York ein Millionenvermögen. Er zählte zu den schillerndsten Figuren der Wall Street, pflegte ein Leben auf der Überholspur - inklusive Luxusautos, Jacht, Helikopter und mehrerer Anwesen. Ende der 90er-Jahre wurde er wegen seiner Verwicklung in Wertpapierbetrügereien und Geldwäsche zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Nun steht der 52-Jährige in blütenweißem Hemd und schwarzem Anzug vor mehr als 2000 Menschen im Frankfurter Scheinwerferlicht. Im Lied, das Belfort in der Festhalle singt, gibt es einen ewigen Refrain: Geld! Geld! Geld! "Geldmangel ist der direkte Pfad zum Elend! Geld ist das Wichtigste, das Tollste im Leben!", ruft er. Das Publikum tut, was es an dieser Stelle immer tut: Es jubelt.

Schon das bloße Ausrufen des Wortes "Geld" scheint bei Belfort Adrenalin durch die Adern zu pumpen. Offenbar dreht sich das Leben für ihn nach wie vor einzig um die Frage, wie man zu Geld kommt. Seine Antwort: Verkaufen! Er krempelt die Ärmel hoch. "Verkauf ist alles im Leben! Ob Sie Ihren Kindern die Hausaufgaben verkaufen oder ein Pastor seine Überzeugungen.

Entweder wir verkaufen, oder wir versagen!" Und so tut er an diesem Abend das, was er offensichtlich am besten kann: Verkaufen! Sich selbst und seine exzessive Lebensgeschichte.

Die wurde 2013 immerhin von US-Regisseur Martin Scorsese unter dem Titel "The Wolf of Wall Street" verfilmt. Der Streifen wurde für fünf Oscars nominiert und spielte knapp 400 Millionen Dollar ein. Leonardo DiCaprio spielt darin den jungen Jordan Belfort, der inmitten einer zügellosen und obszönen Welt aus sehr viel Geld und Sex, Drogen und Betrug über Gier und Größenwahn stolpert.

Doch an diesem Abend erzählt Belfort lieber die Geschichte vom kleinen Jungen, der aus einfachen Verhältnissen stammt und es mit seinem "gottgegebenen Verkaufstalent" ganz weit nach oben brachte.

Vom Zeitungsjungen zum Millionär

Sein erstes Geschäft startet er im zarten Alter von sechs Jahren - als Zeitungsausträger. Um mehr Zeitungen zu verkaufen, klingelt er zunächst bei all den Leuten im Viertel, die noch keine haben. Ein Nachbar erklärt ihm, diese Leute wollten überhaupt gar keine Zeitung lesen, es sei also sinnlos, mit ihnen ins Geschäft kommen zu wollen. Daraufhin versucht Belfort es bei den Leuten, die bereits eine Zeitung der Konkurrenz geliefert bekommen. Schwuppdiwupp explodiert das Geschäft - der kleine Jordan wird zum "besten Zeitungsverkäufer der ganzen Gegend".

1978 feiert er große Erfolge mit dem Verkauf von Eis am Strand: Nachdem er innerhalb eines Tages seine gesamte Kühlbox leer verkauft und damit 100 Dollar verdient hat, kommt er am nächsten Tag mit vier Kühlboxen wieder und verkauft auch deren Inhalt blitzschnell. Seine Freunde, denen er von seinem fabelhaften Geschäft am New Yorker "Jones Beach" erzählt, tun es ihm nach. Allerdings nehmen nur fünf von ihnen ebenfalls vier Kühlboxen mit zum Strand. Die anderen begnügen sich jeweils mit nur einer Box.

In der Frankfurter Festhalle spüren die Zuhörer noch knapp 40 Jahre später Belforts Unverständnis: Er kann nicht fassen, dass seine Kumpels sich mit so wenig zufriedengaben, wo sie doch so viel mehr Geld hätten scheffeln können.

Mitte der 80er-Jahre zieht Belfort erneut von Haustür zu Haustür: Diesmal mit Fleisch in der Kühlbox. Wieder ist er wahnsinnig erfolgreich, kauft einen Lkw, macht sich selbstständig und beschäftigt schließlich 26 Fahrer. Buchhaltung und Vorratshaltung sind aber offenbar nicht ganz so ausgefeilt wie die Verkaufstechniken. Irgendwann fliegt der Laden Belfort um die Ohren.

Natürlich lässt er sich davon nicht beeindrucken - die Pleite ist nur der Auftakt zu einer noch besseren Story. Da er nun endlich "richtig viel Geld" verdienen will, und zwar schnell, tut er, was ein junger New Yorker ohne Ausbildung so tut: Er geht an die Wall Street. Als Börsenmakler startet er beim Bankhaus L. F. Rothschild. Doch Bild: Max Zorin/FilmMagic/getty images, Paramount Pictures/ddp images, 360° noch bevor er eine einzige Aktie verkaufen kann, geht die Firma im Börsenkrach des Schwarzen Montags 1987 unter. Belfort heuert zunächst bei einem Broker an, wo er wertlose Pennystocks unter die Leute bringt. 1988 gründet er dann zusammen mit einem Freund die Maklerfirma Stratton Oakmont.

Vom Multimillionär zum Knastbruder

Die Masche, mit der Belfort dort einen ungeheuren Reibach macht, ist schlicht: Mit aggressiven Methoden verkauft er ahnungslosen Kleinanlegern wertlose Aktien, die er zuvor selbst gekauft hat. Kaum steigt der Kurs, schlägt er die Papiere mit Riesengewinn wieder los. Die Kurse stürzen ab, die Anleger bleiben auf dem Schaden sitzen. Unbekümmert stopft Belfort sich die Taschen voll. Mit 26 Jahren ist er Multimillionär. Im Büro seiner Firma gehören Kokain, illegale Aufputschpillen und Prostituierte zum Alltag. Doch irgendwann ruft die Art, wie Belfort Geld scheffelt, die Börsenaufsicht SEC und das FBI auf den Plan. 22 Monate sitzt er im Gefängnis.

Dass er seine Partner verpfiffen - oder besser: verkauft - hat, um schnell wieder freizukommen, erzählt er in Frankfurt nicht. Stattdessen gibt er sich geläutert und tut, was er noch immer am besten kann: Statt Eis, Fleisch oder Aktien verkauft er an diesem Abend den Traum vom großen Geld. Dass seine Karriere als Redner und Motivationstrainer auf seiner kriminellen Vergangenheit fußt, aus der er ungeniert Kapital schlägt, scheint weder ihn noch das Publikum zu kümmern. Belfort berauscht sich an sich selbst. Das Publikum klatscht. Beifall wie Sauerstoff.

Sonja Funke