Totgesagte leben länger! Das Sprichwort kommt einem beim Blick auf die diesjährige Performance-Rangliste der verschiedenen Branchen in den Sinn. Denn da stehen mit Energietiteln und Finanzwerten zwei Segmente ganz weit oben, die viele Marktteilnehmer bereits abgeschrieben hatten. Das Comeback der Finanzaktien ist dabei fast noch überraschender als das der Energieaktien. Insbesondere im schwierigen dritten Quartal schlug sich dieser Sektor erstaunlich gut. Und auch aktuell ist auffällig, dass noch immer Finanzaktien die Relative-Stärke-Listen dominieren.

Als Folge davon hat der MSCI World Financials Index erstmals seit Langem wieder eine Chance auf eine Rückeroberung des alten Rekordhochs, das noch aus dem Jahr 2000 stammt. Dieser Index bildet große und mittelgroße Unternehmen aus 23 Industrieländern ab und umfasst Gesellschaften aus den Bereichen Banken, Sparkassen und Hypothekenfinanzierung, Spezialfinanzierung, Konsumfinanzierung, Vermögensverwaltung und Depotbanken, Investmentbanking und Brokerage sowie Versicherungen. Hinzu kommen Finanzbörsen und -daten sowie Hypotheken-REITs.

Steigende Renditen als Katalysator

Ein Grund für die zuletzt stark gestiegenen Kurse der Titel sind die jüngsten Entwicklungen an der Zinsfront. Denn der Finanzsektor ist ein Hauptnutznießer des Anstiegs der Anleiherenditen und der höheren Zinssätze. Das derzeitige Marktumfeld mit steigenden Renditen verheißt Gutes für Finanztitel, erklärt dazu die Schweizer Großbank Credit Suisse.

In den vergangenen Jahren war auch immer eine auffällige relative Stärke des MSCI World Financials Index zum MSCI World Index bei Anstiegen der zehnjährigen US-Staatsanleiherenditen zu beobachten. Angesichts dessen und wegen des zu erwartenden weiteren Renditeanstiegs empfiehlt auch die Schweizer Privatbank Julius Bär, Finanztitel in die Portfolios aufzunehmen.

Laut dem Indexbetreiber MSCI laufen Finanzaktien traditionell dann gut, wenn an der Börse Value-Werte gefragt sind. Und das ist neuerdings wieder verstärkt der Fall - wobei auch dies mit steigenden Renditen zusammenhängt. Bleibt es bei dieser Konstellation, ist das für Finanztitel eine günstige Ausgangslage. Denn die Bewertung des MSCI World Financials Index ist gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis und am Kurs-Buchwert-Verhältnis deutlicher niedriger als beim MSCI World Index. Zudem ist die Dividendenrendite höher.

Allerdings stehen Finanzwerte auch weiterhin vor großen Herausforderungen. So verweist etwa die NordLB auf ein weiterhin schwieriges Ertragsumfeld sowie auf hohe Kosten durch Digitalisierung und Regulierung. Beispielsweise erschwere der enorme Eigenkapitalaufbau aufgrund erhöhter regulatorischer Anforderungen ("Basel III", "Basel IV") die Erzielung auskömmlicher Eigenkapitalrenditen.

Weil dem so ist, sind von den Sektorvertretern langfristig an der Börse nicht zwingend Wunder zu erwarten. Solange die Zinstrends aber nicht wieder nach unten drehen, sind die Chancen günstig für eine temporär anhaltende Kursstärke. Zur Risikoabsicherung fokussieren wir uns bei den Kaufempfehlungen trotzdem primär auf Finanzaktien, die mit neuen Mehrjahreshochs oder sogar mit Rekordkursen glänzen. Das zeigt immerhin deren Fähigkeit, auch in einem schwierigen Umfeld gute Ergebnisse zu erzielen. Im Übrigen hat der Auftakt zur Berichtssaison gerade wieder deutlich gemacht, dass die führenden US-Banken sehr solide verdienen.

Drei Top-US-Werte

Besser als erwartet abgeschnitten hat mit den Ergebnissen für das dritte Quartal mit JP Morgan die größte Bankengruppe in den USA. Zu verdanken war das zwar auch einer geringeren Risikovorsorge sowie einem Steuervorteil. Doch offenbar gelingt es dem Institut zu überzeugen - der Aktienkurs ist auf Rekordjagd. Anleger honorieren damit das hochprofitable Geschäftsmodell, das auch in Krisenzeiten die Generierung von Überschusskapital ermöglicht. Als weitere Pluspunkte kommen Branchenführerschaft bei Profitabilität und Effizienz hinzu, eine starke Marktpositionierung sowie die nationale und internationale Expansion.

Ebenfalls auf Rekordkurs ist die Aktie der viertgrößten Bank in Kanada, der Bank of Montreal. Etabliert ist das Institut nicht nur auf dem heimischen Bankenmarkt, sondern auch im Mittleren Westen der USA. Punkten kann die Bank außerdem als Vermögensverwalter und Anbieter von ETFs, hier ist sie Nummer 2 in Kanada.

Laut Morningstar spricht die historisch überdurchschnittliche Betriebseffizienz für einen breiten wirtschaftlichen Schutzgraben. Dieser hilft beim Kampf um Marktanteile. Positiv zu werten sind auch steigende Technologie-Investitionen. Das Ziel lautet, die digitale Infrastruktur zu nutzen, um das Kundenerlebnis zu verbessern, die Kundenbindung zu erhöhen und die Effizienz zu steigern. Auch hier stufen wir die Bewertung nach wie vor als relativ moderat ein.

Die dritte Anlageidee stammt ebenfalls aus Kanada. Bei Sun Life Financial handelt es sich um einen diversifizierten Finanzdienstleister. Zum Angebot gehören Spar-, Renten- und Pensionsprodukte sowie Lebens- und Krankenversicherungen in Kanada, USA, Großbritannien und Asien. Tätig ist das Unternehmen auch in den Bereichen Investmentfonds und Investmentmanagement.

Zusammen mit Great-West und Manulife zählt Sun Life zu den drei großen kanadischen Lebensversicherern. Das Trio hat 80 Prozent des Marktes inne. Seit der Finanzkrise hat der Vorstand den Konzern spürbar umgebaut. In der aktuellen Aufstellung ist eines der Mittelfristziele ein Gewinnwachstum von acht bis zehn Prozent per annum. Eine Vorgabe, die trotz Rekordnotierungen angesichts einer moderaten Bewertung weiter Luft nach oben lässt.

Unsere Top 3 aus Europa

In Europa geht es zunächst einmal nach Norwegen. Dort setzen wir mit der DNB auf die größte Finanzdienstleistungsgruppe des Landes. Das Institut ist in den Bereichen Privat- und Firmenkundengeschäft, Lebensversicherung, Investmentbanking und Vermögensverwaltung aktiv.

Die DNB verringerte in den Vorjahren zwar ihr Engagement in der Öl-, Gas- und Offshore-Industrie sowie in der Schifffahrt. Der derzeit laufende Aufschwung in diesen Bereichen sollte sich aber trotzdem positiv auf die Geschäfte auswirken. Norwegens Notenbank hat zudem unlängst, erstmals seit Beginn der Pandemie, den Leitzins angehoben. Charttechnisch gesehen machen Rekordkurse und damit ein intakter Aufwärtstrend Mut. Bewertungstechnisch ist zudem die Dividendenrendite verlockend.

Von Rekordnotierungen ist die KBC Groep zwar noch etwas entfernt, der Titel hat zuletzt aber den Sprung auf den höchsten Stand seit 2008 geschafft. Charttechnisch steht die Ampel also auf Grün. Die Belgier betreiben als integrierte Bank- und Versicherungsgruppe, anders als die börsennotierte Konkurrenz in den Beneluxstaaten, nach wie vor ein Allfinanzgeschäftsmodell. Bei einem Zinsanstieg könnte sich das als vorteilhaft erweisen.

Strategisch sinnvoll ist auch der Digital-First-Ansatz. Der Managementberater Sia Partners hat die App KBC Mobile kürzlich sogar zur weltbesten Bank-App gekürt. Der Vorstand wertet dies als Anerkennung für zehn Jahre Innovation und als Beleg dafür, dass auch eine Traditionsbank mit den Fintech-Firmen mithalten kann.

Der letzte Tipp ist der italienische Versicherungskonzern Generali. Aus dem vorgestellten Sextett fällt das Chartbild hier noch etwas ab. Der Kurs ist aber ebenfalls klar im Aufwind. Dabei dürfte es bleiben, sofern die Konjunktur in Kerneuropa nicht ins Straucheln gerät. Generali hat starke Marktpositionen in Italien, Frankreich und Deutschland. Eine wesentliche Stärke ist ein starkes eigenes Vertriebsnetz. Zudem hat Generali ein Veräußerungsprogramm durchgeführt sowie Solvabilität und Rentabilität verbessert. Großaktionäre machen dennoch weiter Druck auf den Vorstand, den Konzern noch profitabler und effektiver zu machen. Das dürfte für eine auch weiterhin anhaltende Kursdynamik sprechen.

 


Auf einen Blick

Finanzinstitute

Das Umfeld für Finanzwerte hat sich aufgehellt. Das belegt der zuletzt starke Anstieg des MSCI World Financials Index. Der Finanzsektor gilt als ein Hauptnutznießer des Anstiegs der Anleiherenditen und dürfte weiter von der Zinsentwicklung profitieren.