Wie kann man eine historische Allzeit-Reichstenliste erstellen, ohne die heute üblichen Parameter heranziehen zu können? Wie kann man den Reichtum eines indischen Großmoguls aus der vorindustriellen Zeit vergleichen mit jenem eines Jeff Bezos oder eines Bill Gates? Eine historische Auflistung der reichsten Menschen wird immer auf einer mangelhaften Datenlage basieren. Perfekt wird eine solche Liste daher nie sein - aber zumindest unterhaltsam.
Die Wissenschaftlergruppe von "Measuring Worth", einer Website, die Ökonomen und Geschichtsprofessoren gegründet haben, hat eine solche historische Reichstenliste aufgestellt. Die Fachleute setzen dabei bei der Berechnung des Reichtums den persönlichen Besitz eines Menschen ins Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Produktion eines Landes. Nach Ansicht dieser Experten gehört der indische Großmogul Akbar (1542 - 1605) zu den Superreichen der Weltgeschichte, denn er herrschte über ein Reich, das damals etwa ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung erbrachte. Aber wie reich war der Mogul wirklich? Schätzungen gehen heute von einem Vermögen von 3500 Milliarden Euro aus.
Ähnlich große Wirtschaftsräume wie das damalige indische Reich hatten auch die römischen und die chinesischen Kaiser zusammengefügt. Zumindest in China und Indien betrachteten die Herrscher ihre Imperien dabei als ihr Eigentum - eine Trennung zwischen staatlichem und privatem Besitz gab es nicht. Auch Akbar, ein Nachfahre der Mongolenführer Dschingis Khan und Tamerlan, der sich als Gott und König der Welt sah, hatte das gesamte Reich öffentlich zu seinem persönlichen Besitz erklärt. Er hatte es im Verlauf seiner Regentschaft zu einem der modernsten Staatswesen der frühen Neuzeit geformt, mit zentralistischen Verwaltungsstrukturen, die durchaus vergleichbar waren mit jenen der absolutistischen europäischen Staaten jener Zeit. Er führte ein neues Währungssystem ein und verschaffte sich einen direkten Zugriff auf die Steuereinnahmen, der eigentlichen Quelle seines Reichtums. Königliche Beamte trieben die Steuern ein, nicht mehr die lokalen Fürsten. Der Mogul konnte sich dabei auf eine höfische Elite stützen, die besser als viele andere in der Lage gewesen sei, die breite Bevölkerung auszubeuten und Reichtum anzuhäufen, schrieb das US-Magazin "Time". Einen großen Teil seines Vermögens gab Akbar für seinen verschwenderischen Lebensstil aus. Außerdem finanzierte er mit den Steuereinnahmen ein stehendes Heer für seine Eroberungsfeldzüge.
Akbars Hang zum maßlosen Luxus dürfte einmalig in der Geschichte sein. So empfing der Mogul hohe Gäste auf einem Pfauenthron aus massivem Gold, dem wohl kostbarsten Thron der Erde. 32 mächtige, mit Edelsteinmosaik eingelegte viereckige Säulen trugen die gewölbte Decke aus Gold und Silber über dem Thronsessel. Der Pfauenthron sei bei Licht betrachtet nichts anderes als ein leuchtendes, in allen Farben strahlendes Riesenjuwel gewesen, das man nicht ansehen konnte, ohne geblendet zu werden, heißt es.
Ein weiterer Beweis seines extravaganten Lebenswandels war der Bau seiner Residenzstadt Fatehpur Sikri im Jahr 1571. Die in der kargen Felswüste bei Agra errichtete Stadt schien einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht entsprungen, mit feenhaften, karminroten Palästen und pompösen Haremsanlagen. Sie war größer als das damalige London und wurde trotz aller Pracht nach nur 14 Jahren wieder verlassen.
Rund zehntausend Arbeiter hatten die Stadt erbaut. Sie stauten sogar einen Fluss, um in dem glühend heißen Landstrich einen See zum Vergnügen des Herrschers zu erschaffen. Karawanen brachten aus dem fernen Himalaya Eis und Schnee in Truhen aus Ebenholz, Kupfer oder Leder durch die Wüsten Rajasthans nach Fatehpur, um den See zu kühlen. Im orientalisch verzierten Haremsgebäude mit persischen Kuppeln, blau glasierten Ziegeln und goldenen Wandmalereien wohnten die Konkubinen des Großmoguls.
Die indische Liebesgeschichte
Im größten Schloss von Fatehpur residierte die schöne und stolze Prinzessin Jodha, die Frau, die er geheiratet und zu seiner Hauptfrau gemacht hatte und die ihm den einzigen männlichen Nachkommen und Thronfolger schenkte. Akbar war der erste muslimische Herrscher Indiens, der eine Hinduprinzessin heiratete. Die Story von Jodha und Akbar gehört zu den schönsten Liebesgeschichten Indiens. Allerdings war Akbar sicherlich nicht der romantische und glutäugige Verführer aus dem gleichnamigen Bollywoodepos, sondern ein zäher, kleiner mongolischer Krieger.
Akbar war bereits als 13-Jähriger zum Kaiser gekrönt worden, nachdem sein Vater bei einem Sturz auf der Treppe seiner Sternwarte gestorben war. Der junge Prinz, der schon früh ein Faible für Helden- und Actionstorys hatte, war unter Soldaten aufgewachsen, in den Heerlagern der kaiserlichen Truppen. Im Alter von neun Jahren übernahm er das formale Oberkommando der Einheiten seines Onkels, der im Kampf gefallen war. Er weigerte sich standhaft, lesen zu lernen, und blieb Zeit seines Lebens Analphabet.
Der junge Kaiser vergrößerte sein Reich durch eine Vielzahl von Eroberungsfeldzügen. Er war ein genialer Stratege, setzte in den Schlachten Kriegselefanten und schnelle Reitereinheiten sowie mobile Artillerie und Musketiere ein. Die geschlagenen Gegner behandelte er großzügig und band sie so als Verbündete an sich.
Akbar, ein Moslem mit persischen, mongolischen und türkischen Vorfahren, verstand es, die verschiedenen Religionen in seinem Reich miteinander zu versöhnen. Er betete und fastete zwar wie ein Moslem, trug aber auch die Tilaka, das Mal der Hindus, auf der Stirn und ließ das Haar nach Art der Hindus wachsen. Er trank nur Wasser aus dem Ganges, dem heiligen Fluss der Hindus.
Kaiser Akbar sollte nicht nur als einer der reichsten, sondern auch bedeutendsten Herrscher in die Weltgeschichte eingehen. Akbar starb 1605. Sein Nachfolger wurde Shah Jahan, der für seine verstorbene Ehefrau das legendäre Taj Mahal in Agra bauen ließ.