Viele Wege führen nach Rom, viele Strategien zum Erfolg. Kurzfristig jedenfalls. In Hausse-Phasen wie der aktuellen beispielsweise sind Momentum-Strategien kaum zu schlagen. Deren Ziel ist es, in Aktien zu investieren, die am Markt gerade gefragt sind und deren Kurse deshalb stark steigen.

Ebenso kann es sich lohnen, gezielt auf Wachstumswerte zu setzen, zumal sich diese während eines Börsenbooms oft besser entwickeln als der Gesamtmarkt. Während einer Baisse verlieren Growth-Titel jedoch meist überdurchschnittlich stark. Und das positive Momentum geht auch flöten. In solchen Phasen sind dann Value-Aktien dank ihrer starken Substanz in Relation zum Gesamtmarkt die bessere Wahl.

Aber auch unabhängig von der Börsenstimmung gibt es gute Gründe, Value-Strategien umzusetzen. "Langfristig lohnt sich Value-Investing auf jeden Fall", erklärt Fondsmanager Hendrik Leber, der 1994 die Vermögensverwaltung Acatis gegründet hat. "Value-Investoren behandeln Aktien wie unternehmerische Investments. Sie beurteilen Substanz und Erträge und prüfen, ob dies alles im aktuellen Kurs eingepreist ist. Ist dies noch nicht der Fall, kaufen sie Anteilscheine des jeweiligen Unternehmens", erklärt der erfahrene Börsenstratege. Aus seiner Sicht sind Value-Aktien zurzeit besonders chancenreich, da sie sich längere Zeit schlechter entwickelt haben als andere Titel und daher einiges an Nachholpotenzial haben. Um attraktive Value-Aktien zu finden, müssen Anleger keine komplizierten Strategien umsetzen. Dies belegen die im September 2014 mit dem Acatis-Value-Preis ausgezeichneten wissenschaftlichen Arbeiten.

Auf Seite 2: Zwei Kennzahlen genügen



Zwei Kennzahlen genügen

Aus Anlegersicht ist insbesondere die Dissertation von Thomas Grauvogl und Matthias Hanauer interessant. Laut den beiden Autoren sollten Value-Investoren bei der Titelselektion nicht ausschließlich auf ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis (sprich: viel Substanz für wenig Geld) achten, da sie dadurch oft auch auf Unternehmen von geringer Qualität setzen würden. Um dies zu vermeiden, muss die Auswahl weiter eingegrenzt werden, indem eine zweite fundamentale Kennziffer berücksichtigt wird. Grauvogl und Hanauer kamen zu dem Fazit, dass die Kombination aus niedrigem Kurs-Buchwert Verhältnis (KBV) und hoher Bruttoprofitabilität ("gross profitability") optimal ist.

In der Rückrechnung bis 1963 brachte diese Auswahlmethode auf den US-Aktienmarkt angewandt eine durchschnittliche monatliche Rendite von 0,84 Prozent, während unkoordinierte Value- oder Gross- Profitability-Strategien lediglich auf 0,29 beziehungsweise 0,18 Prozent kamen. Auf die Aktienmärkte der restlichen 23 Industrienationen angewandt konnte mit dieser simplen Auswahlmethode sogar eine Rendite von 0,96 Prozent pro Monat erzielt werden. Komplexere Strategien, bei denen zum Teil mehr als 20 Bewertungs- und Profitabilitätskennziffern beachtet wurden, lieferten bestenfalls gleichwertige Ergebnisse.

Auf Seite 3: Sorgfältige Selektion



Sorgfältige Selektion

Bei der Suche nach interessanten Value- Aktien können Anleger die umfangreiche Datenbank von BÖRSE ONLINE nutzen, die sich in der Regel auf den Seiten 51 bis 75 des jeweiligen Heftes befindet. Darin sind Dividenden- und Gewinnschätzungen sowie mehrere fundamentale Kennzahlen zu rund 600 deutschen Titeln und vielen ausländischen Papieren enthalten. Alle Daten werden von der Redaktion regelmäßig überprüft und aktualisiert.

In einem ersten Schritt haben wir die Datenbank nach den Aktien mit dem niedrigsten Kurs-Buchwert-Verhältnis sortiert und alle Aktien eliminiert, die auf einen Wert größer als 1,0 kommen. Da die Bruttorendite in Deutschland nicht zu den gängigen, für alle Unternehmen verfügbaren Kennzahlen gehört, haben wir im zweiten Schritt die Profitabilität vor Zinsen und Steuern (Ebit-Marge) und die Nettorentabilität unter die Lupe genommen.

Auf Seite 4: Plausibilitäts-Check



Plausibilitäts-Check

Um sicherzugehen, dass uns die (teils auch von Analysten geschätzten) Daten nicht auf eine falsche Fährte führen, haben wir dann alle Aktien mit negativem Kurs- Gewinn-Verhältnis (KGV) und negativer Eigenkapitalrendite aussortiert. Auch Unternehmen mit negativem Cashflow, einer Eigenkapitalquote von weniger als 25 Prozent und Ebit- oder Netto-Margen von weniger als fünf Prozent wurden von uns bei der weiteren Auswahl nicht berücksichtigt. Zudem haben wir keine Aktien der in Deutschland gelisteten chinesischen Unternehmen berücksichtigt, da wir deren Angaben nicht vertrauen. Übrig geblieben sind 22 Value-Titel. Davon haben wir sechs ausgewählt, die mit einem KBV von unter 1,0, einer attraktiven Eigenkapitalrendite und einer auskömmlichen Ebit-Marge überzeugen. Auf den Seiten 16 und 17 stellen wir Ihnen diese Werte vor.

Zugegeben: Da die Arbeit von Grauvogl/ Hanauer auf Daten aus der Vergangenheit beruht, gibt es keinen Beweis, dass die Methode auch künftig funktioniert. Insofern lassen wir uns auf ein Experiment ein. Sollten die Erkenntnisse der Wissenschaftler aber auch für die Zukunft gelten, wären wir einer Art "neuer Börsenzauberformel" auf der Spur. Und die hätte wohl jeder Börsianer gern.



Auf Seite 5-10: Die Highlights im Überblick



DIC Asset: Immobilienwert mit üppiger Dividende

In deutschen Metropolen gibt es kaum noch preiswerte Wohnungen. Gewerbeimmobilien sind hierzulande aber noch zu vernünftigen Preisen zu haben, weswegen diese von Investoren stark nachgefragt werden. Davon profitiert unter anderem der Gewerbeimmobilienspezialist DIC Asset. Im November hat der Konzern in Frankfurt den WINX-Tower bereits vor dem für 2015 geplanten Baubeginn an die Unternehmerin Susanne Klatten verkauft. Für DIC Asset ist dieser Deal ein großer Erfolg, da der Turm der größte Bestandteil des im Frankfurter Bankenviertel gelegenen MainTor-Quartiers werden soll, das DIC Asset seit 2006 entwickelt. Erwähnenswert sind zudem die guten Zahlen für die ersten neun Monate des laufenden Jahres: In diesem Zeitraum stiegen die Bruttomieteinnahmen um 20 Prozent auf 110,7 Millionen Euro und der Funds From Operations (FFO, operativer Cashflow) kletterte um drei Prozent auf 35,4 Millionen Euro. Aus Anlegersicht interessant ist auch, dass die Aktie von DIC Asset deutlich unter dem von dem Unternehmen per Ende Dezember 2013 ausgewiesenen Net Asset Value (Nettovermögenswert) von 12,58 Euro je Anteilschein notiert. Ein weiteres Kaufargument ist die Dividendenrendite von 4,9 Prozent. Vor diesem Hintergrund können sich Value-Anleger den SDAX-Titel mit gutem Gewissen in ihr Depot legen.





Edding Vz: Starke Marke als Wettbewerbsvorteil

In einer wettbewerbsintensiven Branche ist Edding auf Erfolgskurs - dank einer starken Marke und qualitativ hochwertiger Produkte. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres erhöhte der Hersteller von Schreibgeräten, Textmarkern und Produkten zur visuellen Kommunikation den Umsatz um rund drei Prozent. Außerdem konnte das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) Unternehmensangaben zufolge deutlich gesteigert werden. Daher wird die Ebit-Marge 2014 voraussichtlich über dem Vorjahresniveau von 7,6 Prozent liegen. Auch in den nächsten Jahren dürften die Geschäfte gut laufen. Zwar könnte der auf das Fachhandelsgeschäft entfallende Umsatz sinken. Aber dies sollte durch die bereits in den vergangenen Jahren eingeleitete Erschließung neuer Geschäftsfelder überkompensiert werden. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die Segmente Druckerpatronen und Farbsprays. Zudem bietet der Konzern aus Schlewsig-Holstein in der Sparte visuelle Kommunikation Produkte wie Flipcharts und Projektionswände an, die sehr beliebt sind, da sich an deutschen Schulen das "Ende der Kreidezeit" abzeichnet. Aufgrund des soliden Geschäftsmodells, überzeugender fundamentaler Kennzahlen und einer Dividendenrendite von mehr als drei Prozent eignet sich die Edding-Vorzugsaktie als Depotbeimischung für Value-Investoren.





HeidelbergCement: Betriebsgewinn rauf, Schulden runter

Bei HeidelbergCement laufen die Geschäfte gut: Im dritten Quartal 2014 steigerte der Baustoffkonzern den Umsatz um vier Prozent auf 3,8 Milliarden Euro. Der Betriebsgewinn (operatives Ergebnis) kletterte trotz negativer Wechselkurseffekte sogar um 13 Prozent auf 675 Millionen Euro. Außerdem verringerte sich die Nettoverschuldung im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresniveau um 243 Millionen Euro auf 7,6 Milliarden Euro. Zurückzuführen ist dies auf den Anstieg des operativen Cashflows um 23 Prozent auf 641 Millionen Euro. Mittelfristig strebt das Unternehmen einen weiteren Schuldenabbau an - hierfür könnte ein Teil des Mittelzuflusses aus dem geplanten Börsengang der US-Tochtergesellschaft Hanson Building Products verwendet werden. Auf der Agenda stehen zudem ein Absatzwachstum in allen Sparten sowie die Steigerung von Umsatz und operativem Ergebnis vor Wechselkurs- und Konsolidierungseffekten. Diese Ziele dürften dank eines positiven Marktumfelds in vielen Ländern erreicht werden. Zum Beispiel erholt sich der Zementmarkt in Großbritannien und den USA. Ebenfalls positiv: Der Baustoffbedarf in den Schwellenländern dürfte auch künftig hoch bleiben, da dort die Infrastruktur dringend ausgebaut werden muss. Vor diesem Hintergrund ist die günstig bewertete Aktie von HeidelbergCement chancenreich.





MeVis Medical Solutions: Reilchlich Cash und hohe Ausschüttung

Dank großer Innovationskraft ist es Mevis Medical Solutions gelungen, zu einem weltweit führenden Anbieter von Softwarelösungen für digitale Bildgebungsverfahren aufzusteigen. Auf diesem Erfolg ruht sich der Vorstand aber nicht aus, weswegen er die Entwicklung neuer Produkte diszipliniert vorantreibt.

Als Wachstumstreiber entpuppen könnte sich mittelfristig eine Software zum Lungenscreening, die eine frühzeitige und genaue Diagnose von Lungenkrebs ermöglicht. Die Kosten für dieses Screening werden in den USA von den gesetzlichen Krankenkassen Medicare und Medicaid übernommen. Daher dürfte Mevis mit der neuen Software schon im nächsten Jahr einen Umsatz im siebenstelligen Bereich erwirtschaften. Von großer Bedeutung ist zudem eine Vereinbarung mit dem größten Industriekunden Hologic. Für diesen Anbieter hochwertiger Produkte für die Diagnostik, medizinische Bildgebung und Chirurgie wird Mevis Softwareanwendungen für einige Mammografieprodukte entwickeln.

Auf dem aktuellen Kursniveau ist die Aktie unterbewertet, zumal die Nettoliquidität des Unternehmens (15,5 Millionen Euro) mehr als die Hälfte der Marktkapitalisierung abdeckt. Hinzu kommt, dass der Softwarespezialist 40 bis 60 Prozent des in diesem Jahr erzielten Gewinns im Juni 2015 als Dividende ausschütten will.





Sektkellerei Wachenheim: Prickelnde Innovation und solide Bilanz

Die Sektkellerei Schloss Wachenheim glänzt mit einer weltweit führenden Marktstellung, die sie durch eine Erweiterung ihres ohnehin schon breiten Produktportfolios noch stärken will. Innovationen sollen aber nur dann lanciert werden, wenn sie sich sowohl auf die Umsatz- als auch auf die Ertragsentwicklung positiv auswirken.

Diese Strategie ist aussichtsreich, zumal sich die meisten der bisherigen Neueinführungen des Konzerns gut verkaufen. Paradebeispiele hierfür sind "Light Live hûgo" und "Light Live sprizz" - alkoholfreie Varianten der Szenegetränke "Hugo" und "Spritz". Ebenfalls interessant ist, dass Vorstandschef Wilhelm Seiler die Entwicklung des 1888 gegründeten Traditionsunternehmens auch durch Zukäufe vorantreiben will. Konkrete Pläne gibt es hierfür aber noch nicht.

Ein weiterer Pluspunkt ist die solide Bilanz: Per Ende September hatte die Sektkellerei Schloss Wachenheim eine Eigenkapitalquote von 52,6 Prozent ausgewiesen. Das laufende Geschäftsjahr, das am 30. Juni 2015 endet, will der Konzern trotz eines deutlichen Ergebnisrückgangs im ersten Quartal mit einem Ebit auf Vorjahresniveau (21,5 Millionen Euro) abschließen. Anleger können einsteigen, da die Aktie günstig bewertet ist und circa 36 Prozent unter ihrem Buchwert von 20,12 Euro je Aktie notiert.





VITA 34: Kerngesunde Firma mit großem Potential

Mit einem zukunftsweisenden Geschäftsmodell punktet Vita 34: Das Unternehmen mit Hauptsitz in Leipzig betreibt die größte Stammzellenbank im deutschsprachigen Raum. Die extrem vitalen Stammzellen sind in dem direkt nach der Geburt gewonnenen Nabelschnurblut enthalten und werden von Vita 34 tiefgefroren. Noch viele Jahre später kann dieses konservierte Blut zur effektiven Behandlung von Stoffwechselerkrankungen und Leukämie eingesetzt werden. Daher nutzen viele Eltern das Angebot von Vita 34. Um das Wachstumspotenzial optimal auszuschöpfen, treibt das Management die Internationalisierung konsequent voran. Ein besonders attraktiver Markt ist laut Vorstandschef André Gerth Südosteuropa, da dort das Interesse an der Einlagerung von Nabelschnurblut größer ist als hierzulande. Erwähnenswert ist zudem die jüngst gemeldete Übernahme der Assets der Vivocell Biosolutions GmbH & Co KG. Diese Gesellschaft ist der österreichische Marktführer für die Einlagerung von Nabelschnurblut. 2015 wird der Umsatz aufgrund dieser Akquisition voraussichtlich um sieben Prozent steigen. Unabhängig davon dürfte Vita 34 auch langfristig auf Erfolgskurs bleiben. Neben den guten Perspektiven spricht auch das niedrige KBV von 0,65 für den Kauf von Anteilscheinen des Betreibers der Nabelschnurblutbank.