Vom gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ab 2015 sollen in Deutschland nur Minderjährige, eine kleine Gruppe von Langzeitarbeitslosen, Praktikanten und ehrenamtlich Tätige ausgenommen werden. Dies sieht der Reuters vorliegende Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles vor, den die SPD-Politikerin am Mittwoch zur Abstimmung an die anderen Ressorts verschickte. Eine Kommission aus Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeber soll den Mindestsatz erstmals zum 1. Januar 2018 anheben dürfen. Sie soll sich dabei an der Entwicklung der Tariflöhne orientieren. Nahles zufolge sollen vom Mindestlohn 3,7 Millionen Beschäftigte profitieren, die derzeit noch weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdienen.

Trotz aller Forderungen aus der Union und der Arbeitgeber nach weiteren Ausnahmen muss Nahles damit bei ihrem Gesetzentwurf kaum Abstriche machen. Das Mindestalter von 18 Jahren und die Ausnahme für bestimmte Langzeitarbeitslose waren aber im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Wer länger als zwölf Monate ohne Job ist und mit Hilfe eines Eingliederungszuschusses der Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Beschäftigung findet, soll für sechs Monate nicht unter den Mindestlohn fallen. Nach Zahlen der BA erhielten 2013 etwa 16.000 der insgesamt über eine Million Langzeitarbeitslosen Eingliederungszuschüsse.

NAHLES: MINDESTLOHN OHNE BRANCHEN-AUSNAHMEN

"Der Mindestlohn kommt wie im Koalitionsvertrag verabredet ohne Ausnahmen. Und er kommt pünktlich", sagte Nahles. Das Kabinett solle am 2. April über den Gesetzentwurf beraten. Mit einzelnen Branchen wie den Zeitungsverlegern steht das Arbeitsministerium noch in Gesprächen, wie der Stücklohn von Zeitungsboten auf einen Stundenlohn von 8,50 Euro umgerechnet werden kann. Für Erntehelfer soll es noch einen Tarifvertrag der Arbeitgeber mit der IG Bauen-Agrar-Umwelt geben, der bis Ende 2016 Abweichungen vom Mindestlohn erlauben würde.

Ein Dreier-Treffen der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD hatte am Dienstagabend im Kanzleramt grünes Licht für die Ressortabstimmung gegeben. Dabei sind Änderungen am Gesetzentwurf nicht ausgeschlossen, zumal aus der Union und von den Arbeitgebern eine höhere Altersgrenze von 21 Jahren gefordert wird, um junge Leute nicht zu verleiten, einen 8,50-Euro-Job anstelle einer schlechter bezahlten Ausbildung anzunehmen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, es werde "eine gründliche Ressortabstimmung" geben "mit einer anschließenden gründlichen parlamentarischen Befassung".

Der Mindestlohn soll ab nächstem Jahr 8,50 Euro pro Stunde betragen. "Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber", heißt es im Gesetzentwurf. Auf Grundlage bestimmter Tarifverträge darf das Mindestentgelt aber bis Ende 2016 noch unterschritten werden.

KOPPELUNG DES MINDESTLOHNS AN TARIFERHÖHUNGEN

Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass Hunderttausende Jobs vor allem in Ostdeutschland verloren gehen, weil sich diese bei 8,50 Euro für Arbeitgeber nicht mehr lohnten. Nach unterschiedlichen Studien gab es 2012 zwischen 6,6 und 5,2 Millionen Beschäftigte zu Stundenlöhnen bis 8,50 Euro. In Ostdeutschland wären das fast 30 Prozent. Nahles indes erwartet, dass der Mindestlohn beschäftigungsneutral eingeführt wird. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte versprochen, der Mindestlohn werde nicht zu Arbeitsplatzverlusten führen.

Ab dem Jahr 2018 soll der Mindestlohn jedes Jahr erhöht werden. Eine Mindestlohnkommission der Arbeitgeber und Gewerkschaften "orientiert sich bei der Festsetzung des Mindestlohns nachlaufend an der Tarifentwicklung", heißt es im Entwurf. Nach Angaben der Arbeitgeber hatten die Sozialpartner vorgeschlagen, die Erhöhung fest an einen vom Statistischen Bundesamt ermittelten Tarifindex zu koppeln, der auf den Tariferhöhungen der beiden vorangegangenen Kalenderjahre beruht.

Mit dem Gesetzentwurf bringt Nahles nach der Rentenreform keine 100 Tage nach Amtsantritt ihr zweites Großprojekt auf den Weg. In der Koalition gibt es noch intensive Debatten über Korrekturen an der geplanten abschlagfreien Rente mit 63.

Reuters