Lange Zeit war es sehr ruhig gewesen an den Börsen - fast schon gespenstisch ruhig. Denn obwohl es in der von der Kredit- und der Euro-Krise gebeutelten Weltwirtschaft unter der Oberfläche noch immer brodelte, schlugen die Aktienkurse nur auffällig wenig aus. Von April bis Juli gab es nicht einen einzigen Tag mit einer Veränderung von mehr als plus ein Prozent oder minus ein Prozent im S&P 500, was schon sehr ungewöhnlich ist, wie J.P. Morgan Asset Management herausstreicht. Schließlich treten historisch betrachtet Rückschläge zwischen ein bis zwei Prozent über mehrere Tage hinweg regelmäßig mehrfach pro Monat auf.

Ablesen lässt sich die Sorglosigkeit der Anleger auch an den Volatilitätsindizes. Dieses als Maßstab für die zu erwartende Schwankungsbreite am Aktienmarkt dienende Barometer bewegte sich in dieser Zeit nahe seiner Rekordtiefs. Eingelullt hat die Anleger die von den führenden Notenbanken betriebene sehr expansive Geldpolitik. Erweckten die Verantwortlichen mit ihrer Vorgehensweise doch den Eindruck, stützend einzuspringen, falls es wieder irgendwo anfangen sollte zu brennen. Das wirkte wie eine Versicherung gegen fallende Kurse und glich einem Freifahrtschein zum Kauf von Aktien.

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Wer kurzfristig richtig liegt, kann gutes Geld verdienen …

Doch wie die Geschichte gelehrt hat, ist das Investieren an den Finanzmärkten nun einmal einfach nicht frei von Risiken. Vielmehr hat sich in der Vergangenheit ein sehr niedriger Stand bei den Volatilitätsindizes als Warnsignal erwiesen. Denn früher oder später, so die geschichtliche Lehre, nehmen die Kursschwankungen wieder spürbar zu und das geht dann in der Regel mit fallenden Kursen einher. In den vergangenen Wochen wurde diese These wieder einmal bestätigt, nahmen da die Kursschwankungen und damit auch die Nervosität der Anleger doch spürbar zu. Für Verunsicherung sorgten nicht nur Zweifel über den Zustand der Weltwirtschaft sondern auch ein unerwarteter externer Angstfaktor wie der Ebola-Virus.



Dieses Gemisch reichte aus, um den die erwartete Schwankungsbreite beim Aktienindex S&P 500 widerspiegelnden Volatilitätsindex VIX mit 27 auf den höchsten Stand seit 2012 zu treiben. Am 22. August hatte der auch als Angstindex bezeichnete VIX noch bei 11,5 notiert. Auch die Renditedifferenz von hochverzinslichen Unternehmensanleihen und zehnjährigen US-Staatsanleihen hat sich gleichzeitig spürbar ausgeweitet. Wer diese Bewegung hat kommen sehen, der konnte mit den richtigen Produkten natürlich zügig einen guten Schnitt machen.



Deutlich profitiert hat zuletzt beispielsweise das von der Commerzbank aufgelegte Unlimited-Zertifikat auf den Faktor Single Long VIXF Index (WKN: CZ34KN, 6,86 Euro). Dahinter steckt ein Index, der sich auf den in Dollar gehandelten CBOE Volatility Index (VIX) Futures-Kontrakt mit der kürzesten Restlaufzeit bezieht. In nur rund vier Wochen konnte damit jüngst bis zum Stichtag 15. Oktober ein Plus von fast 65 Prozent eingefahren werden.

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… langfristig drohen bei Volatilitäts-Wetten aber oft Verluste

Wer nun deswegen daran denkt, mit Hilfe von Volatilitäts-Fonds, ETNs auf Volatilitätsindizes, klassischen Optionsscheinen oder Anlagezertifikaten wie Discount- und Bonus-Zertifikate aggressiv solche Wetten einzugehen, der sei daran erinnert, wie schwierig es ist, den Markt regelmäßig richtig zu timen. Das gilt für direkte Aktienkäufe und -verkäufe ebenso wie für Volatilitäts-Wetten, was sogar eine noch größere Herausforderung ist. An dieser Aufgabe verzweifeln oft selbst professionelle Marktteilnehmer. Als Beleg für diese These kann etwa der Source J.P. Morgan Macro Hedge Dual Vega Target 4% TR UCITS ETF (WKN: A1W9MS, 8.023 Dollar) herangezogen werden.



Dieser dritte ETF aus der J.P. Morgan Macro Hedge-Serie investiert in dieVolatilität von US-Aktien und wechselt dabei, je nach Marktsituation, zwischen Long- und Long/Short-Positionierungen. In Zeiten angespannter Märkte baut der Index zusätzlich Long-Positionen in der Volatilität europäischer Aktien auf. Weiterhin wird ein Steuerungsmechanismus zur Erreichung des "Vega-Ziels" verwendet. Die Kennzahl Vega ist ein Maß dafür, wie sich der Wert des Index in Abhängigkeit von der Schwankung der Aktienkurse verändert. Bei der Strategie wird in Abhängigkeit vom absoluten Volatilitätslevel ein Hebel zwischen 0 und 100 Prozent genutzt.

Das in einer Pressemittelung entsprechend erläuterte Konzept klingt zwar gut ausgetüftelt, ist aber bisher trotz angesprungener Volatilität nicht aufgegangen. Statt das Depot abzusichern, hat dieser ETF in gut einem Monat rund 20 Prozent an Wert verlieren. Das war bestimmt nicht im Sinne des Erfinders, unterstreicht aber die Komplexität von Volatilitätswetten.

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Eher Spekulation als ein Investment

Zu beachten sind auch die Spreads, die etwa Anbieter von Exchange Traded Funds, also börsengehandelte Indexfonds, kassieren und die mitunter nicht gerade niedrig ausfallen. Hinzu kommt auch noch ein anderer Nachteil, den selbst die Initiatoren der J.P. Morgan Macro Hedge-Indizes eingestehen. Gemeint sind damit die hohen Kosten, die beim Aufbauen der komplexen Finanzgeschäfte entstehen, die hinter den Volatilitätsprodukten stehen. So entstehen Rollverluste beim Verlängern der zu Grunde liegenden Futures und zusammen mit dem Problem des richtigen Timings eines Einstiegs macht dies einen erfolgreichen Einsatz dieser Produkte leider sehr schwierig.



Wie entscheidend das Timing ist, lässt sich auch am bereits erwähnten Commerzbank Unlimited-Zertifikat auf den Faktor Single Long VIXF Index aufzeigen. Denn wer hier schon Anfang Oktober 2011, als der Kurs noch bei 237,20 Euro lag, damit angefangen hätte, auf eine demnächst wieder steigende Volatilität zu wetten, der hat bis heute fast sein komplettes Einsatzkapital verspielt. Gordon Rose vom Finanzdienstleister Morningstar kommt vor diesem Hintergrund ganz allgemein zu dem folgenden Schluss: "Volatilität stellt aufgrund ihrer Komplexität keine geeignete Anlageklasse für den Ottonormal-Anleger dar. Zudem sollten Volatilitäts-Produkte nur kurzfristig gehalten werden."

Vor allem jene Anleger, die nicht tagein und tagaus auf die Kursentwicklung starren wollen und die es mitunter beim Blick auf die heftigen Schwankungen bei den Volatilitätsindizes in den Fingern juckt, sollten sich in der Tat daran erinnern, dass solche Engagements, eher zum Zocken als zum Investieren geeignet sind. Aktuell ist die Aufgabe sogar noch komplizierter als sonst, weil die Notenbanken mit der von ihnen betriebenen Politik die normalen Marktkräfte teilweise ganz schön aushebeln.