Ransomware, eine Art bösartiger Software, die den Zugriff auf ein Computersystem einschränkt, bis Lösegeld gezahlt wurde, lässt Kryptowährungen nicht gut aussehen. Die Angriffe umfassen unter anderem die Lähmung der Colonial Pipeline im vergangenen Monat, die die Benzinpreise an der US-Ostküste in die Höhe trieb, bis das Unternehmen den Hackern ein Lösegeld von fünf Millionen Dollar in Bitcoins zahlte, und den anschließenden Angriff auf JBS, den weltgrößten Fleischproduzenten. Diese Ereignisse beleuchten, was für einige von uns schon lange Grund zur Sorge bietet: Schwer nachverfolgbare anonyme Kryptowährungen bieten derartige Möglichkeiten für Steuerhinterziehung, Verbrechen und Terrorismus, dass sich Banknoten mit hohem Nennwert dagegen vergleichsweise harmlos ausnehmen.

Die Vorstellung, dass Kryptowährungen bloß ein unschuldiger Wertspeicher sind, ist erstaunlich naiv. Zwar mögen ihre Transaktionskosten ausreichend hoch sein, um den normalen Einzelhandel weitgehend abzuschrecken. Doch wer versucht, harte Kapitalkontrollen (etwa in China oder Argentinien) zu umgehen, illegale Einkünfte (womöglich aus dem Drogenhandel) zu waschen oder US-Finanzsanktionen (gegenüber Ländern, Unternehmen, Individuen oder terroristischen Gruppen) auszuweichen, für den sind Kryptowährungen trotzdem eine ideale Option.

Regulierungsbehörden nehmen Kryptowährungen ins Visier

Angesichts der Tatsache, dass selbst führende US-Finanzunternehmen bestrebt sind, ihren Kunden Krypto-Optionen anzubieten, kann man sich durchaus fragen, in was die Leute da investieren. Entgegen der landläufigen Behauptung, dass Kryptowährungen bei Transaktionen wenig Nutzen hätten und ihnen keinerlei Geschäftsaktivität zugrunde liegt, gibt es da sogar einen florierenden Wirtschaftszweig: Kryptowährungen bieten eine Möglichkeit, in die global Untergrundwirtschaft zu investieren.

Je länger es dauert, bis die Regulierungsbehörden aktiv werden, desto schwieriger wird es, private digitale Coins unter Kontrolle zu bringen. Die Regierungen Chinas und Südkoreas haben kürzlich begonnen, aktiv gegen Kryptowährungen vorzugehen, doch ist unklar, wie entschlossen sie dabei agieren werden. In den USA hat die Finanzlobby eine diesen Namen verdienende Regulierung digitaler Vermögenswerte bisher relativ erfolgreich verhindert; man denke etwa an den jüngst erfolgten Rückzug von Facebooks Digitalwährungsprojekt in die USA angesichts des von Schweizer Behörden orchestrierten weltweiten Regulierungsdrucks.

Zwar stimmt es, dass die Regierung von US-Präsident Joe Biden inzwischen zumindest Schritte eingeleitet hat, um im Rahmen ihrer Bemühungen, einen größeren Teil der ihr geschuldeten Steuern einzuziehen, eine Meldepflicht für Überweisungen in Kryptowährung von über 10.000 Dollar durchzusetzen. Doch letztlich wird die Reduzierung der potenziellen Liquidität schwer nachverfolgbarer Kryptowährungen ein hohes Maß an internationaler Koordination zumindest in den hoch entwickelten Volkswirtschaften erfordern.

Tatsächlich ist dies ein Argument dafür, warum eine Kryptowährung wie Bitcoin ihren hohen Preis von rund 37.000 Dollar Ende Mai rechtfertigen könnte. Wenn Bitcoins eine Investition in die Transaktionstechnologie sind, die der globalen Untergrundwirtschaft zugrunde liegt, und es viele Jahrzehnte dauern wird, bis selbst die hoch entwickelten Volkswirtschaften der Währung Zügel anlegen, lassen sich in der Zwischenzeit eine Menge Rentenerträge durch Bitcoin-Transaktionen erzielen. Schließlich brauchen wir nicht zu erwarten, dass ein Unternehmen auf ewig im Geschäft bleibt - man denke an fossile Brennstoffe -, damit es heute einen beträchtlichen Wert hat.

Angriffe gegen Unternehmen könnten Wendepunkt sein

Niemand argumentiert gegen die Kryptowährungen zugrunde liegende Blockchain-Technologie, die unser Leben potenziell enorm verbessern könnte, indem sie etwa ein manipulationssicheres Netzwerk zur Überwachung von CO2-Emissionen zur Verfügung stellt. Und während der Betrieb des Bitcoin-Systems selbst enorm viel Energie verbraucht, gibt es inzwischen umweltfreundlichere Technologien, darunter solche auf "Proof of Stake"-Basis.

Unglücklicherweise für diejenigen, die ihre Lebensersparnisse in Kryptowährungen investiert haben, könnten sich die Ransomware-Angriffe gegen eine wachsende Zahl von Unternehmen und Einzelpersonen als der Wendepunkt erweisen, an dem die Regulierungsbehörden endlich Rückgrat zeigen und eingreifen. Viele von uns kennen Personen, deren kleine, angeschlagene Unternehmen durch derartige Erpressungen dezimiert wurden. Auch wenn die Regierungen womöglich über bessere Instrumente verfügen, um Kryptowährungen nachzuverfolgen, als sie zugeben: Sie befinden sich in einem Wettrüsten mit Kräften, die ein ideales Mittel gefunden haben, sicherzustellen, dass sich ihre Verbrechen lohnen. Die Regulierungsbehörden müssen aufwachen, bevor es zu spät ist.

Copyright: Project Syndicate



Kenneth Rogoff
Professor für Finanz- wissenschaften an der US-Universität Harvard

Kenneth Rogoff wurde 1953 in Rochester im US-Bundesstaat New York geboren. Rogoff arbeitete lange Zeit als Chefökonom des Internationalen Währungsfonds. Zuvor war er Volkswirt beim Board of Governors des Federal Reserve System der US-Zentralbanken.

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