BÖRSE ONLINE: Herr Riske, wie ist Kion ins neue Jahr gestartet?

Gordon Riske: Gut. Der positive Trend aus dem vierten Quartal 2013 hat sich fortgesetzt. Als europäischer Marktführer mit mehr als 35 Prozent Marktanteil haben wir eine sehr gute Position, um von der Erholung, die sich abzeichnet, zu profitieren.

Ist die Restrukturierung abgeschlossen?

Die großen Konsolidierungen: ja. Wir haben die Produktion von sechs kleineren Fabriken in größere Werke verlagert. Zuletzt ging die Produktion von Schwerstaplern aus Wales an ein Auftragswerk in Tschechien.

Diese Erholung sollte sich für ihr Unternehmen, das mehr als 70 Prozent des Umsatzes und einen wesentlichen Anteil des Premium-Stapler Geschäfts in Europa einfährt und einer inzwischen sehr guten Profitabilität, jetzt mit einem deutlichen Gewinnanstieg bezahlt machen.

Im vergangenen Jahr haben wir eine operative Marge von 9,3 Prozent erreicht - so viel wie nie in einem Gesamtjahr. Im vierten Quartal erzielten wir sogar eine Marge von 9,8 Prozent und damit einen Rekordwert für einen Dreimonatszeitraum. Bereits 35 Prozent unserer Neufahrzeuge gingen in Wachstumsmärkte - Tendenz rasch steigend. 2014 wollen wir unseren profitablen Wachstumskurs fortsetzen. Aber das Jahr hat ja erst begonnen. Wir haben weltweit rund 1,2 Millionen Fahrzeuge im Einsatz, einen ordentlichen Teil davon natürlich in unserem Heimatmarkt Europa, der 2014 wieder Schwung bekommen sollte. Diese installierte Flotte ist eine exzellente Basis für unser besonders margenstarkes Servicegeschäft, auf das inzwischen über 40 Prozent unseres Umsatzes entfällt. Ich blicke optimistisch auf das Geschäftsjahr 2014.

Ihr mittelfristiges Renditeziel ist eine operative Marge von zehn Prozent. Die 9,8 Prozent im Schlussquartal 2013 waren nah dran. Wann werden die zehn Prozent erreicht?

Dass wir sehr nah dran sind, höre ich immer wieder. Wir haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich unsere Marge gesteigert, aber auf Gesamtjahresbasis sind wir noch mehr als einen halben Prozentpunkt entfernt. Das ist in einem Geschäft mit vier bis fünf Milliarden Euro Umsatz sehr viel Holz. Es gibt viele Unwägbarkeiten. Ich kann deshalb nur vor der Aussage warnen, dass wir jetzt schon kurz vor dem Ziel stehen. Mit zehn Prozent Ebit-Marge wollen wir uns auf Dauer aber nicht begnügen.

Derzeit macht Kion konzernweit 43 Prozent des Umsatzes nach dem Verkauf der Stapler, also mit den im Vergleich zum Staplerverkauf profitableren Dienstleistungen. Können Sie sich vorstellen in absehbarer Zeit die 50-Prozentmarke zu erreichen?

In Europa, Deutschland und in anderen Industrieländern haben wir diesen Anteil bereits erreicht. Konzernweit sehe ich das noch nicht. Der wesentliche Teil des Wachstums kommt aus Regionen wie China, Südamerika und den USA und da hauptsächlich zunächst einmal aus dem Verkauf von Staplern. Das sind die Setzlinge, die man pflanzen muss, um später zu ernten. Zudem ist das Wachstum im Verkauf von Neugeräten wesentlich höher als bei Dienstleistungen. Wir werden also auch in den nächsten Jahren einen Service-Anteil auf dem heutigen Niveau sehen, das ich für sehr attraktiv halte. Mittel- und langfristig wird der Serviceanteil an unserem Geschäft auch in den heutigen Wachstumsmärkten zulegen. In China erwirtschaften wir schon ein Viertel des Umsatzes nach dem Verkauf der Stapler. Das zeigt, dass sich unser integriertes Geschäftsmodell erfolgreich auch auf die Wachstumsmärkte übertragen lässt.

Das ist ungewöhnlich hoch für ein Schwellenland. Woran liegt das?

An dem eigenen Servicenetz, das wir während der vergangenen 20 Jahre dort aufgebaut haben. Wir haben über 100 Service-Stützpunkte in China. Durch die Partnerschaft mit Weichai Power sind noch einmal mehr als 20 Händler zum bestehenden Vertriebs- und Service-Netzwerk hinzugekommen. Zudem produzieren wir im Gegensatz zu den meisten lokalen Wettbewerbern, die Komponenten bestellen und zusammenbauen, wichtige Teile wie Achsen, Antriebe und die Elektronik selbst. Mit diesem hohen Anteil eigener Wertschöpfung sichern wir unser Ersatzteilgeschäft ab.

In Amerika, wo Toyota zusammen mit den US-Marken Hyster und Crown drei Viertel der Umsätze einfährt, liegt Kions Marktanteil bei zwei Prozent. Wie wollen Sie das ändern, um Toyota wie geplant global einzuholen?

Es ist doch gut, wenn es auf der Welt noch Chancen gibt. Ein klares Ziel ist wichtig für ein Unternehmen. Auf der einen Seite haben wir dort zwar einen geringen Marktanteil, andererseits aber eine sehr gute Fabrik mit großen Kapazitätsreserven, und ein Netz von rund hundert Händlern. Damit kann man arbeiten. Wir sind dabei, über unsere globale Organisation die richtigen Produkte für den Markt zu entwickeln. Damit sollten wir den Marktanteil deutlich erhöhen.

Was ist in Amerika anders als in Europa?

Die Art und die Kosten der Fahrzeuge. Der Markt ist anders als Europa nicht stark vom Premiumsegment geprägt. Wir können hier viel von unserer Expertise in Asien profitieren. Inzwischen haben wir in China einen Schwerpunkt unserer Entwicklungsorganisation. Wenn der die Entwicklung der neuen Stapler abgeschlossen ist, wird die Produktion in Amerika lokalisiert. "Made in USA" ist sehr wichtig.

Kions Werk in South Carolina war trotz der zweistelligen Wachstumsraten im Markt zuletzt sehr schlecht ausgelastet. Wird sich das jetzt ändern?

Die technische Auslastung liegt wegen der noch fehlenden neuen Produkte unter 30 Prozent, aber wir haben die Kapazitäten entsprechend angepasst, so dass wir dort keine Verluste schreiben. Mit den Produkteinführungen in diesem Jahr wird sich an der technischen Auslastung nicht viel auf einen Schlag ändern. Wir erwarten erst in den Folgejahren eine Schritt für Schritt steigende Auslastung. Wir wollen organisch wachsen.

Muss Kion in Amerika Marken zukaufen?

Der US-Markt ist fest in Händen etablierter Teilnehmer. Wir würden Zukäufe prüfen. Auf absehbare Zeit ist dort jedoch nichts in Sicht.

Es ist in der Branche auffällig, dass die vier großen, Toyota, Kion, Jungheinrich und Hyster Yale einen hohen Anteil ihres Geschäfts mit Service machen. Sind die kleineren Hersteller im Markt damit Übernahmeziele?

Der exzellente Service ist in der Tat ein Alleinstellungsmerkmal der Marken der KION Group. Dafür sind wir bekannt. Unsere Branche ist ähnlich wie der Automobilbau eine Industrie mit hohen Ansprüchen zum Beispiel an Umweltverträglichkeit. Kunden wollen zudem eine globale Präsenz und weltweite Logistikdienstleistungen. Eine gewisse Unternehmensgröße ist notwendig, um diese Anforderungen erfüllen zu können. Wir sind etwa doppelt so groß wie die Nummer drei im Markt.

Analysten erwarten, dass sich Kion erst im nächsten Jahr Zukäufe in Höhe einer halben Million Euro leisten kann.

Durch die gute operative Entwicklung der Firma, den Börsengang und die Kooperation mit unserem strategischen Ankerinvestor Weichai Power haben wir unsere Kapitalstruktur deutlich verbessert. Wir haben eine robuste Eigenkapitalquote von deutlich über 25 Prozent und eine Aktie, die sich sehr gut entwickelt hat. Rein aus Sicht der Finanzkraft können wir also Zukäufe stemmen.

Wird Kions Portfolio mit drei globalen und drei regionalen Marken also noch größer?

Die Firmengeschichte ist seit 1904 durch Zukäufe geprägt. Wir verschließen uns Akquisitionen in den entscheidenden Regionen der Welt nicht. In den vergangenen sieben Jahren haben wir zwei Marken - Baoli und Voltas - erfolgreich integriert und unser Vertriebs- und Servicenetzwerk durch den Erwerb von Händlern weltweit weiter ausgebaut.

Ursprünglich wollten Sie die Nummer 1, Toyota, bis 2016 einholen, dann kam Kion die Schwäche des europäischen Marktes dazwischen. Wird es jetzt bis 2018 klappen?

Ich schaue hier nicht auf Jahreszahlen, sondern darauf, dass wir profitabel wachsen. Wir haben hervorragende Produkte für die verschiedensten Marktanforderungen weltweit und können so auf dem eingeschlagenen Wachstumskurs fortfahren. Bislang befinden wir uns in der Position des Verfolgers, die nicht unbedingt die schlechteste ist: Man muss nicht im Rückspiegel das Geschehen am Markt verfolgen, sondern kann mit voller Konzentration nach vorne schauen.

Kion hat eine Ausschüttung von 25 bis - 35 Prozent des Nettogewinns als Dividende für 2013 in Aussicht gestellt. Bleibt es dabei?

Wir sind mit 2013 sehr zufrieden. Trotzdem wollen wir uns bei der Ausschüttung Spielraum für die nächsten Jahre lassen. Wir werden deshalb voraussichtlich nicht am oberen Ende der Spanne beginnen.

Einschätzung der Redaktion:

Die weltweite Nummer 2 hinter Toyota hat 2013 eine operative Marge von 9,3 Prozent erreicht - den Spitzenwert in der Branche. Bis 2015 erwarten Analysten Gewinnzuwächse von etwa 20 Prozent pro Jahr. Zieht das Geschäft in Europa weiter an, sind positive Überraschungen wahrscheinlich. Kaufen.

Klaus Schachinger