Der amtierende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist extrem rege: Patienten sollen schneller an Arzttermine kommen, die Wartezeiten sich verkürzen. Die Ausbildung für Psychotherapeuten soll besser werden, die Zahl der Organspender steigen. Spahns Ministerium stellt auch Mittel zur Digitalisierung von Kliniken zur Verfügung. Vor allem aber hat der CDU-Politiker das Thema Pflege angepackt. Seit Januar gilt das sogenannte "Pflegepersonalstärkungsgesetz" (PpSG), dass Pflegeeinrichtungen - wie etwa die des börsennotierten Klinikbetreibers Maternus - je nach Anzahl belegter Betten neue Kräfte bewilligt.

Klinikbetreibern wie Rhön-Klinikum oder die zu Fresenius gehörenden Helios-Kliniken hat Spahn bereits die vollständige Refinanzierung neuer Stellen zugesagt. Bislang mussten sich die Kliniken mit zehn Prozent am zusätzlichen Personal beteiligen. In lebenswichtigen Bereichen gelten nun Untergrenzen: So dürfen tagsüber auf eine Pflegekraft der Intensivstation nur 2,5 Patienten entfallen. In der Unfallchirurgie darf sich ein Krankenhelfer der Tagschicht um maximal zehn Patienten kümmern, in der Herzabteilung um zwölf. "Kein Geld für Pflege ist also keine Ausrede mehr für Krankenhaus-Geschäftsführer", sagt Minister Spahn.

Das hört sich gut an. Doch auf die ­ohnehin unter Kostendruck leidenden Krankenhausbetriebe wirkt der Vorstoß zumindest kurzfristig belastend. Der Haken: Wer den Nachweis über die Erfüllung der Untergrenze schuldig bleibt, den bestraft der Gesetzgeber entweder durch Abschläge in der Vergütung oder durch eine Verringerung der Patientenzahl. "Die vom Gesetzgeber auf den Weg gebrachten Personaluntergrenzen für pflegeintensive Krankenhausbereiche betrachten wir als kritisch", heißt es etwa von Rhön-Klinikum.

Es gebe keinen wissenschaftlichen Beweis für einen Zusammenhang zwischen Behandlungs- und Ergebnisqualität, der auf ­einem genau definierbaren Verhältnis von Pflegekräften zu Patienten beruhe. Die Sanktionierung berge in Kombination mit einem leer gefegten Arbeitsmarkt das Risiko eines gegenseitigen Abwerbens von Mitarbeitern. Darunter könnte die Patientenversorgung leiden. "Aus unserer Sicht muss dieser Umstand verhindert werden", heißt es vom fränkischen Unternehmen.

Druck auf Margen steigt

Der Pflegenotstand ist eklatant: Nach Analyse der Bundesarbeitsagentur sind aktuell mehr als 40.000 Pflegestellen in Kliniken und Pflegeheimen nicht besetzt. Zwar absolvieren derzeit 68.200 Menschen eine Ausbildung, doch das reicht nicht, um den Bedarf zu decken. Das werde sich zunehmend negativ auf die Margen der Einrichtungen auswirken, meint Hans Boström, Analyst der Schweizer Großbank Credit Suisse.

In diesem Jahr sei der Druck noch moderat, würde aber zwischen 2020 und 2022 seine volle Kraft entfalten. Vor allem für Rhön-Klinikum sieht Boström schwarz: "Wir erwarten, dass das PpSG den strategisch attraktiven Deal mit dem Schweizer Telemedizinanbieter Medgate überschatten wird und auch Übernahmespekulationen abflauen lassen wird", so Boström. Eigentlich wollten die Unterfranken über zwei Hebel ihre Personalkosten mindern: zum ­einen, indem sie die Behandlung von ­Patienten via Internet ermöglichen - zu diesem Zweck beteiligte sich das SDAX-Unternehmen an Medgate. Zweitens will Rhön-Klinikum Standorte auf Campussen bündeln und so effizienter werden. Der erste Campus hat vor wenigen Wochen in Bad Neustadt an der Saale den Betrieb aufgenommen.

Auch an den 86 Helios-Krankenhäusern, die der DAX-Konzern Fresenius im Jahr 2005 übernommen hat, dürfte das nicht spurlos vorübergehen. Vorstands­chef Stephan Sturm hat den mittelfristigen Konzernausblick nicht zuletzt aus diesem Grund gekippt. Zudem wird das Ergebnis durch eine von Spahn-Vorgänger Hermann Gröhe durchgesetzte geringere Vergütung belastet: Für einige Herzbehandlungen und orthopädische Leistungen gibt es weniger Geld.

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Schönheit profitiert

Von Spahns Vorstößen sollten Anbieter von Schönheitseingriffen hingegen profitieren. Dass der Minister die Krankenkassen verpflichten will, etwa die Kosten für das Absaugen von Körperfett unter bestimmten Umständen zu übernehmen, käme etwa dem hauptsächlich von Selbstzahlern lebenden Betreiber M1 Kliniken zugute. "Wir sehen derzeit keine regulatorischen Veränderungen, die den Weg negativ beeinflussen könnten", sagt Vorstand Patrick Brenske. An Spahns Vorstoß würde sich Brenske demnach auch wissenschaftlich beteiligen, um die Wirksamkeit der Fettab­saugung nachzuweisen.

Investor-Info

M1 Kliniken
Privat profitabel

Dass Schönheitskliniken wie M1 hauptsächlich von Selbstzahlern leben, immunisiert sie gegen Regulatorik. M1 profitiert von der steigenden Zahl ästhetischer Eingriffe. Bis nächstes Jahr wollen die Berliner die Zahl der Fachzentren verdoppelt haben, die Expansion in benachbarte Länder läuft. Sowohl Umsatz als auch Ergebnis dürften kräftig wachsen, die Gelegenheit ist günstig.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 17,00 Euro
Stoppkurs: 11,80 Euro

Fresenius
Gegenwind eingepreist

Nach zwei Gewinnwarnungen büßte der Aktienkurs von Fresenius bis Mitte Dezember in der Spitze knapp 40 Prozent ein. Der Bad Homburger Konzern hatte wegen Problemen bei der Kliniktochter Helios und im Dialyse­geschäft der Tochter FMC auch die Mittelfristziele bis 2022 gekappt. Dieses Jahr soll der Gewinn trotz Investitionen in die Umstrukturierung und das Pflegepersonal bei Helios stabil bleiben. Die Marge soll sich wieder ­verbessern. Langfristig orientierte Anleger können aktuell günstig einsteigen.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 55,00 Euro
Stoppkurs: 37,50 Euro

Rhön-Klinikum

Gemischte Perspektive

Die mehrheitliche Beteiligung an den Telemedizinern von Medgate sowie das neue Campus-Konzept sollen die Marge steigern. Der Betreiber hat zuletzt Kliniken und Versorgung an einem Standort zusammengezogen. Die Pflegereform wirkt einer verbesserten Profitabilität jedoch mittelfristig entgegen. Der operative Gewinn wuchs zuletzt vor allem durch einen Einmaleffekt um mehr als 30 Prozent. Das 2019er-Kurs-Gewinn-Verhältnis ist hoch, die Dividende schmal. Halten.
Empfehlung: Halten
Kursziel: 24,00 Euro
Stoppkurs: 19,90 Euro