Der Klimawandel ist in aller Munde. Abgesehen von US-Präsident Donald Trump scheint fast jeder gewillt zu sein, ihn zu bekämpfen. Allerdings reichen die Anstrengungen von Politik und Wirtschaft noch nicht. Einem aktuellen Report zufolge tun die G-20-Staaten zu wenig, um wie geplant die Erderwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Gelingt das nicht, drohen uns weitreichende negative Folgen, etwa steigende Meeresspiegel und Temperaturen und extreme Wetterereignisse wie Dürren oder Stürme. Bei einer Erderwärmung um zwei Grad dürfte gar das globale Bruttoinlandsprodukt bis 2100 um bis zu sieben Prozent zurückgehen.

Auch Deutschland wird wohl die selbst gesteckten Ziele für 2020 bei der Begrenzung der Treibhausgasemissionen verfehlen. Der Politik stellt das ein schlechtes Zeugnis aus. Auch die Bürger müssen ihr Verhalten hinterfragen. Persönliche Einschränkungen in Kauf zu nehmen, wie auf Flugreisen, ein eigenes Auto oder ein saftiges Steak zu verzichten, fällt vielen schwer. Um trotzdem noch das Ruder herumzureißen, ist der Kapitalismus gefragt - jenes System, das manche Umweltschützer mitverantwortlich für den Klimawandel machen. Ohne das Mitwirken von Unternehmen ist eine Klimawende aber kaum zu erreichen. Innovationen sowie umweltfreundlichere Produkte sind nötig - und Kunden und Verbraucher, die diese kaufen.




Fünf Schlüsseltechnologien


Um klimaschädliche Emissionen zu reduzieren, kommt es auf fünf Schlüsseltechnologien an. Das ist die Schlussfolgerung einer Studie von Morgan Stanley. Laut der US-Investmentbank sind das erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge, Wasserstoff, Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CO2) sowie Biokraftstoffe. Diese Segmente können dazu beitragen, die energiebedingten Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, die rund 62 Prozent der gesamten globalen Emissionen ausmachen. Man nennt diesen Prozess auch Dekarbonisierung. Konkret sollen bis zum Jahr 2050 über eine beschleunigte Einführung dieser Technologien 25 Gigatonnen an Kohlenstoff­emissionen zu vermeiden sein, berechnen die Experten der Investmentbank. Das Ziel ist, letztlich ein Wirtschaftssystem zu schaffen, das komplett ohne Kohlenstoff auskommt.

Morgan Stanley schätzt die erforderlichen Investitionen in diese Technologien in den nächsten 30 Jahren auf 50 Billionen Dollar. Auf einzelne Jahre heruntergebrochen entspricht das ungefähr dem Betrag, der 2017 in den USA über alle Wirtschaftssektoren hinweg investiert wurde. Doch eine Dekarbonisierung kostet nicht nur Geld. Vielmehr könnte auf Ebene des Gewinns vor Steuern und Zinsen eine geschätzte Summe von drei bis zehn Billionen Dollar herausspringen, kalkulieren die Experten. Folglich ist die Dekarbonisierung für Unternehmen und Anleger eine Chance zum Geldverdienen.

Aus dem Universum der Unternehmen, die Lösungen zur Dekarbonisierung anbieten, haben wir fünf Aktien herausgefiltert, die besonders aussichtsreich sind. Dabei haben wir auch auf eine angemessene Bewertung, solide Gewinnaussichten und ein überzeugendes Chartbild geachtet.

Im Bereich erneuerbare Energien schicken wir Enel ins Rennen. Bei dem italienischen Versorger beträgt der Ergebnisbeitrag erneuerbarer Energien derzeit rund 28 Prozent. Dieser Anteil dürfte zunehmen, da sich der Konzern aktuell zu einem "grüneren" Versorger umbaut. So soll ab 2020 der Kapazitätszubau bei ­erneuerbaren Energien von in diesem Jahr drei auf jährlich vier Gigawatt steigen. Zum Vergleich: Aktuell sind 39 Giga­watt an erneuerbaren Energiequellen installiert, wovon rund 28 Gigawatt auf Wasserkraft entfallen. Beim Investorentag am 26. November könnte Enel möglicherweise den Ausstieg aus dem Kohlegeschäft verkünden. Laut Analystenschätzungen winkt in den nächsten Jahren ein überdurchschnittliches Gewinn- und Dividendenwachstum. Wir bekräftigen unsere bisherige Kaufempfehlung und ziehen Kursziel und Stopp nach.




Energieeffiziente Halbleiter


Im Segment Elektrofahrzeuge setzen wir auf STMicroelectronics. Der niederländische Halbleiterhersteller bietet unter anderem Lösungen für Hybrid- und Batterieelektrofahrzeuge an. Aussichtsreich ist insbesondere das Geschäft mit Siliciumcarbid-Wafern. Halbleiter, die auf diesem Material basieren, sind energiesparend und werden zunehmend in Elek­trofahrzeugen eingesetzt. Getrieben durch Aufträge von Tesla soll sich bei STMicroelectronics der Umsatz mit Siliciumcarbid-Produkten 2019 auf 200 Millionen Dollar verdoppeln. Die Schätzungen für den Siliciumcarbid-Gesamtmarkt im Jahr 2023 reichen bis zu drei Milliarden Dollar. STMicroelectronics strebt einen Marktanteil von mehr als 30 Prozent an.

Bei den Schlüsseltechnologien Wasserstoff und Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid gehen wir mit Air Liquide und mit Air Products & Chemicals mit zwei Unternehmen an den Start, die jeweils in beiden Fällen etwas zu bieten haben. Das Hydrogen Council, eine Initiative führender Energie-, Transport- und Industriefirmen, rechnet vor, dass die Wasserstoffwirtschaft bis 2050 fast ein Viertel des weltweiten Endenergiebedarfs decken kann. Geht diese Rechnung auf, dürften unsere beiden Favoriten profitieren. Der US-Konzern Air Products & Chemicals verfügt unter anderem über eine Betankungsinfrastruktur für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge. Der französische Industriegasespezialist Air Liquide arbeitet an einem aus erneuerbaren Energien hergestellten "grünen" Wasserstoff.

Bei der Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid haben ebenfalls beide Konzerne Ambitionen. Grundsätzlich gilt die Carbon Capture and Storage (CCS)-Technik als zukunftsträchtig. Sie scheidet CO2 ab, das bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht. Anschließend wird das Gas unterirdisch gespeichert. Ob diese Technik den Durchbruch schafft, bleibt abzuwarten. Doch auch ohne einen baldigen Ergebnisbeitrag da­raus rechnen Analysten bei beiden Unternehmen auf Sicht der kommenden Jahre mit stetigen Gewinnsteigerungen.

Diesel aus der Mülltonne


Als Vertreter aus dem Bereich Biokraftstoffe hat Neste die Qualifikation geschafft. Die Finnen haben sich von einem regionalen Erdölverarbeiter zu einem führenden globalen Anbieter erneuerbarer Kraftstoffe gewandelt. Der weltgrößte Hersteller von Diesel, der aus Abfällen und Reststoffen gewonnen wird, belegt auf der aktuellen Global-100-Liste der nachhaltigsten Unternehmen den dritten Platz. Neste plant, die Kapazität zur Produktion von erneuerbarem Diesel bis 2022 von 2,9 Millionen auf 4,5 Millionen Tonnen zu steigern. Bis 2030 sollen es dann sogar rund acht Millionen Tonnen sein. Vor diesem Hintergrund erwartet der Analystenkonsens, dass der Gewinn je Aktie von 2018 bis 2022 von 1,38 Euro auf 2,17 Euro steigen wird. Stimmt diese Annahme, ist Neste ein gutes Beispiel dafür, dass sich Anstrengungen zur Dekarbonisierung auch finanziell lohnen können.