Herr Dr. Krämer, die US-Börsen haben die Steuerreform von US- Präsident Donald Trump in den vergangenen Monaten mit einer Kursrallye gefeiert. Doch nach den jüngsten Arbeitsmarktdaten vom Freitag sind die Zinsängste unversehens zurück. Der Dow ist zum Wochenschluss unter hohen Umsätzen um 2,5 Prozent abgetaucht, der Nasdaq100 gab um gut zwei Prozent nach. Auch der Dax hat den Rückwärtsgang eingelegt und ist deutlich unter die Marke von 13.000 Punkten gerauscht. Was ist da los?

Krämer: Die Anleger haben lange nicht an die Stärke des US-Arbeitsmarktes geglaubt und überall das Haar in der Suppe gesucht. Zuletzt sind aber auch die Löhne stärker gestiegen. Jetzt beginnen die Anleger endlich zu realisieren, dass sich die US-Wirtschaft der Vollbeschäftigung nähert. Entsprechend rechnen sie mit steigenden Leitzinsen, was natürlich die Aktienkurse zumindest vorübergehend dämpft.

Sie haben am Freitag Vormittag in der jüngsten Ausgabe der "Woche im Fokus" vier Zinsschritte in den USA vorhergesagt, den ersten davon bereits für die Fed-Sitzung am 21. März. Ist dieses Szenario angesichts der Arbeitsmarktdaten vom Freitag Nachmittag jetzt noch ein bisschen wahrscheinlicher geworden?


Ja, die jüngsten Arbeitsmarktdaten haben die nächste Zinserhöhung am 21. März noch wahrscheinlicher gemacht. Die US-Notenbank muss ihre Zinsen aber auch deshalb stärker anheben, weil die Häuserpreise in den letzten Jahren stark gestiegen sind; sie sind schon höher als 2006, vor Ausbruch der US-Immobilienkrise.

Also kommt die Zinswende in den USA jetzt schneller und auch heftiger als bislang erwartet?


Wir erwarten für dieses Jahr nicht mehr drei, sondern vier Zinsanhebungen von je 0,25 Prozentpunkten. Das hört sich auf den ersten Blick viel an. Aber verglichen mit früheren Zinserhöhungszyklen geht die US-Notenbank noch immer vorsichtig vor.

Viele Beobachter rätseln nun über die Reaktion der EZB. Können die europäischen Währungshüter im Falle einer steileren Zinswende in den USA einfach tatenlos zuschauen oder ist die Nullzins-Politik in der Eurozone demnächst vorbei?


Ich würde mir das wünschen, aber ich prognostiziere es nicht. Schließlich herrscht im Euroraum anders als in den USA noch Massenarbeitslosigkeit, die Löhne steigen kaum, und die Inflation wird sich weiter um nur um ein Prozent bewegen, wenn man von den schwankungsanfälligen Energiepreisen absieht. Gegen schnelle Zinserhöhungen spricht auch, dass der Rat der EZB von Vertretern der hoch verschuldeten Länder dominiert wird, die kein Interesse an einem Ende der lockeren Geldpolitik haben.

Was bedeutet ein solches Szenario für die Entwicklung an den Aktienmärkten?


Die Aktienmärkte leiden momentan natürlich unter steigenden Zinserwartungen. Aber zumindest im Euroraum werden sie erkennen, dass die Geldpolitik noch sehr lange sehr locker bleiben wird. Deshalb rechnen wir damit, dass der Dax am Jahresende noch ein merkliches Plus aufweisen wird.

Aber die US-Zinsen steigen, und die Aktien-Bewertungen in den USA sind auf dem höchsten Stand seit der Internet-Blase. Kommt der Bullenmarkt allmählich an sein Ende?


Die US-Börsen sind recht hoch bewertet, und die US-Leitzinsen werden weiter steigen. Der Gegenwind ist für US-Aktien deutlich stärker als für den Dax.