Die globalen Krisen verschärfen sich. Lieferketten- und Rohstoff-Probleme, eine mögliche Eskalation im Ukraine-Krieg, steigende Zinsen und fallende Unternehmens-Gewinne verleiden den Anlegern die Kauflust. Geht es nach den Analysten, ist ein finaler Ausverkauf an den Börsen überfällig. Doch es gibt auch prominente Stimmen, die einen baldigen Aufschwung prophezeien.
Die Laune der Anleger bleibt gedrückt, es herrscht Angst – vor allem unter Privatanlegern. Noch in der vergangenen Woche herrschte Hoffnung, dass die US-Notenbank Fed den Fuß vom Leitzins-Erhöhungs-Gas nehmen könnte. Die Marktstimmung unter Privatanlegern zeigte in der Sentiment-Umfrage der Börse Frankfurt vor einer Woche erstmals seit Juni wieder einen positiven Wert.
Zwischenzeitlicher Rückschlag für die Optimisten
Anleger gehen wieder mehr Risiken ein, heißt es am 12. Oktober in der Zusammenfassung zum Sentiment-Index. Das betrifft jedoch vor allem Institutionelle. Anders reagierten private Anleger, von denen sechs Prozent mehr short gegangen sind. Der Sentiment-Index dieser Gruppe steht nun wieder bei -1 Punkt. Die Bullen glaubten an eine Trendwende und die Bären setzten derweil weiter auf ihr übergeordnetes negatives Szenario.
Die US-Arbeitsmarktdaten am Freitag sorgten jedoch für einen Rückschlag für die Optimisten und einen Sieg der Bären. Weil die Job-Zahlen besser als erwartet ausgefallen waren, wird nun wieder mit einem großen Zinsschritt der Fed gerechnet. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Konjunkturabschwächung und fallender Unternehmensgewinne ist größer geworden.
Viele Anleger, die einen nahenden Tiefpunkt am Aktienmarkt oder eine Abschwächung der Zinserhöhungen erwartet hatten, stießen enttäuscht Aktien ab. Der Anteil der Aktienbesitzer unter den US-Haushalten zum Beispiel, dürfte sich von 39 Prozent Ende September (Grafik) weiter verkleinert haben.
Wohl keine breite Kapitulation
"Obwohl wir noch einen weiteren Risikoabbau sehen könnten, ist es möglich, dass wir kein klares Zeichen für eine breite Kapitulation bekommen, weil die Positionierung der Anleger bereits ziemlich niedrig ist", schrieb etwa John Schlegel von JPMorgan.
Den Stand der "Anleger-Kapitulation" einzuschätzen, ist in letzter Zeit zu einer Art Zeitvertreib der Wall Street geworden, nachdem ein neunmonatiger Einbruch Aktienwerte in Höhe von 15 Billionen Dollar vernichtet hat.
Nach Ansicht von Ed Yardeni, dem Präsidenten von Yardeni Research, wird es nochmals weiter abwärts gehen. Auch Savita Subramanian von der Bank of America glaubt, dass die Stimmung an der Wall Street noch nicht vollständig "ausgewaschen sei.
Scott Rubner, Managing Director bei Goldman Sachs, sieht das jedoch anders: "Die Kapitulation ist nahe. Die letzten verbliebenen Anleger, die noch nicht verkauft haben, gehen jetzt in Cash."
"Massive Bewegung" hin zu Geldmarktfonds
Die Investition von 89 Milliarden Dollar in Geldmarkt-nahe Papiere sei eine "massive Bewegung", deren Bedeutung man nicht unterschätzen solle. Laut Goldman floss in der vergangenen Woche so viel Kapital in Geldmarktfonds ab, wie seit April 2020 nicht mehr. Wenn sich die Privaten massiv vom Aktienmarkt verabschieden, steht meist eine Trendwende aufwärts bevor.
Mit einem deutlichen und dauerhaften Kursaufschwung von S&P 500 oder DAX ist dennoch vorerst nicht zu rechnen. Die hohe Inflation (neue Daten kommen aus den USA am morgigen Donnerstag, einhergehend mit einer restriktiven US-Geldpolitik sowie der hohen Wahrscheinlichkeit einer Rezession bleiben Belastungsfaktoren für die Aktienmärkte.
Fazit
In der anstehenden Berichtssaison dürfte es sowohl zu Enttäuschungen als auch zu positiven Überraschungen kommen. BÖRSE ONLINE meint: Auf dem erreichten Niveau sollten Anleger eher an den Auf- oder Ausbau ihrer Aktien-Positionen denken, als ans Verkaufen. Wobei es natürlich auf den Einzelfall ankommt. Stock Picking bleibt erste Wahl – sowohl falls es nochmals zu einem Abtaucher der Indizes kommt, als auch falls es zu einer Jahresend-Rally kommt.