Die Bären haben es so richtig schwer derzeit. Die Konsolidierungen sind kaum der Rede wert - bislang zumindest. Und auch die alte Börsenweisheit, dass man gefälligst im Mai zu verkaufen habe, hat (noch) nicht gegriffen. Dabei gäbe es doch so viele Argumente, die für fallende Kurse sprächen. Aber die scheinen nicht zu reichen für eine Trendwende.
Da ist beispielsweise der Fakt, dass die Börsenrally in die Jahre gekommen ist. Acht Jahre dauert sie schon an. Startdatum war der März 2009. Der DAX notierte damals bei 3670 Punkten, der S & P bei für manche satanisch anmutenden 666 Punkten. Aber wie es eben so ist: Eine Börsenrally stoppt nicht einfach nur, weil sie "gealtert" ist. Da braucht es mehr. Etwa das Argument mit der Bewertung, was schon etwas mehr Sorgen macht. Das KGV ist überdurchschnittlich hoch, egal ob an Europas Börsen oder an den amerikanischen.
Und auch die Stimmung wird langsam etwas zu optimistisch. In den USA etwa kommen jede Menge gehebelte ETFs auf den Markt. Im Fernsehen laufen Werbefilmchen, die hoch riskante Börsengänge anpreisen. Wenn man so will, dann ist auch die Euphorie um Aktien wie Tesla vergleichbar mit dem Jahrtausendwende-Hype um Techstocks. Und ein letztes Argument für eine Trendwende: die Zinspolitik in den USA. Dort stehen schließlich weitere Zinserhöhungen an sowie Maßnahmen, um die Bilanzsumme der Notenbank Fed zu reduzieren.
Doch so einfach ist es dann doch nicht mit den schlauen Argumenten. Es reicht de facto nicht, dass Aktien teuer sind, um Kursverluste auszulösen. Dafür bedarf es schon eines Auslösers, eines Katalysators, eines Beschleunigers.
Die US-Notenbank könnte dies bewirken. Die sieht sich nämlich inzwischen nicht mehr als Krisenbekämpfer, sondern eher als warnender Rufer in der Wüste. Denn es gibt durchaus Signale vom Arbeitsmarkt, dass die Inflation vermutlich im kommenden Jahr etwas deutlicher anziehen dürfte als bisher. Das muss die Fed im Auge behalten.
Anleger auch. Hierbei hilft ein Blick auf die Entwicklung von Sektoren, die Schutz vor Inflation versprechen: etwa Energie-Aktien, Gold, Minenwerte. Wenn es hier zu überdurchschnittlichen Kursgewinnen kommt, sollte man sich Gedanken machen. Doch dies ist bislang noch nicht der Fall.
Weiterer Auslöser einer Trendwende könnte eine politische Krise in den USA sein. Die Diskussion um die vermeintliche Weitergabe von Geheimnissen an Russland scheint da noch nicht schwerwiegend genug. Vielleicht ist dies aber eine mögliche Einmischung der Trump-Administration in die Unabhängigkeit der Notenbank. Die Republikaner wollen ja lieber einige "Falken" mehr als "Tauben" im Offenmarktausschuss der Fed sehen. Gelingt hier eine Umbesetzung, darf man von dramatischeren Zinserhöhungen ausgehen. Janet Yellens Amtszeit als Fed-Chefin endet im Februar 2018. Ob sie verlängert, dürfte im Herbst festgelegt werden.
Insgesamt ist das also eine Story mit vielen Wenn und Aber. Und solange das so in der Schwebe bleibt, müssen sich längerfristig orientierte Anleger keine Sorgen machen. Die wichtigste Basis für Kursgewinne ist ja da: die positive Entwicklung der Unternehmensgewinne. Konsolidierungen sind trotzdem immer möglich. Aber die müssen nicht mal drastisch ausfallen, vielmehr reicht da schon Seitwärtsgeschiebe. Die Bären haben es eben einfach schwer.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com