Die positiven Erwartungen vom Jahresanfang
2014 konnte das vergangene
Jahr aus volkswirtschaftlicher Sicht
zwar nicht ganz erfüllen - insgesamt entwickelte
sich die globale Konjunktur aber ähnlich
gut wie im Jahr zuvor: Trotz aller Krisen
und geopolitischen Unsicherheiten dürfte die
Weltwirtschaft 2014 nach unseren Prognosen
mit 3,1 Prozent gewachsen sein (siehe Grafik).
Haupttreiber dieser Entwicklung war wieder
einmal die US-Wirtschaft, die ihren Aufwärtstrend
2014 bestätigen konnte. Die Eurozone dagegen
konnte nicht überzeugen: Mit Ausnahmen
wie Spanien, Irland und mit Abstrichen
auch Deutschland blieben fast alle Länder, insbesondere
Frankreich und Italien, zum Teil weit
hinter den Erwartungen zurück. In den Schwellenländern
zeigte sich ein differenzierteres Bild:
Die reformwilligen asiatischen Staaten auf der
Seite der Gewinner, andere Länder wie Brasilien
oder Russland auf der Verliererseite. An
diesen globalen Kräfteverhältnissen dürfte sich
im kommenden Jahr grundlegend kaum etwas
ändern. Insgesamt rechnen wir mit einer weiteren
Zunahme des Weltwirtschaftswachstums
auf 3,6 Prozent.
Auf Seite 2: USA: Dynamisches Wachstum
setzt sich langfristig fort
USA: Dynamisches Wachstum
setzt sich langfristig fort
Kaum verwunderlich, dass die USA auch im
neuen Jahr einen wesentlichen Teil dazu beitragen
sollten: Der Arbeitsmarkt entwickelt
sich derzeit weiter positiv und die Inflation bewegt
sich auf einem nach wie vor moderaten
Niveau. Das müsste den für die US-Wirtschaft
so wichtigen Konsum nachhaltig unterstützen
- Verbraucherausgaben stehen für rund 70
Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der
USA. Gleichzeitig dürften die Entschuldung
voranschreiten und Steuereinnahmen zulegen.
Am Ende des Jahres könnte nach unseren Prognosen
ein Konjunkturplus von 3,5 Prozent stehen
- das wäre der höchste jährliche Anstieg
der Wirtschaftsleistung seit dem Jahr 2004.
Von politischer Seite sollte dem Wachstum
ebenso wenig Gefahr drohen wie von der Währungsseite:
Störfeuer der US-Politik dürften,
trotz der heiklen Mehrheitsverteilung in Senat
und Repräsentantenhaus, eher nicht zu erwarten
sein - schließlich möchte keine Partei als
Totengräber des Aufschwungs gelten. Und
auch eine eventuelle weitere Aufwertung des
US-Dollars im Vergleich zum Euro und Yen
sollte die US-Wirtschaft auf absehbare Zeit vor
keine großen Probleme stellen, da es sich um
ein sehr stark binnenorientiertes Wachstum
handelt. Insgesamt sehen wir die USA derzeit
inmitten eines zumindest bis zum Jahr 2017
anhaltenden Wachstumszyklus.
Auf Seite 3: Deutschland & Co.: Positive
Signale aus der Eurozone
Deutschland & Co.: Positive
Signale aus der Eurozone
In Europa folgt dem Wachstumspfad der USA -
wenn auch mit einigem Abstand - am ehesten
Großbritannien. Gute Daten vom dortigen Arbeits-
und Immobilienmarkt nähren die Hoffnung auf ein erfolgreiches Jahr 2015: Mit einem
von uns erwarteten Wirtschaftswachstum von
2,5 Prozent liegt das Vereinigte Königreich europaweit
im Spitzenfeld. Anders als in den USA ist
es jedoch gerade die Politik, die Sorgen bereitet:
Die Parlamentswahlen im Mai könnten nicht nur
den Europa-, sondern auch den langfristigen
Wirtschaftskurs der Insel beeinflussen.
Auf der Habenseite kann Europa auch immer
noch Deutschland verbuchen - trotz der
teilweisen Abkehr vom einstmals wegweisenden
Reformpfad. Für den langfristigen Erfolg
braucht Deutschland unserer Meinung
nach zwar dringend wieder eine stringentere
Reformpolitik. Kurz- und mittelfristig schätzen
wir die fundamentale Lage der deutschen
Wirtschaft aber nach wie vor positiv ein. Gründe
dafür gibt es viele: Etwa die Aussicht auf
den ersten ausgeglichenen Haushalt seit 1969
oder die jüngst vom Chef der Bundesagentur
für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, ins Spiel gebrachte
mögliche Vollbeschäftigung in den
kommenden Jahren. Hinzu kommen die hohen
Erlöse der deutschen Exportwirtschaft: Für
das Jahr 2014 könnten sich die Ausfuhren nach
Angaben des Statistischen Bundesamts und
unseren Schätzungen auf rund 1 Billion Euro
belaufen.
Auch Spanien dürfte von der starken
Exportorientierung seiner Wirtschaft profitieren:
Unter anderem
deshalb sprechen
unsere Wachstumsprognosen
von immerhin
1,7 Prozent
für die beiden kommenden
Jahre eine
deutliche Sprache.
Damit würde sich ein
Trend fortsetzen: Bereits 2014 zählte Spanien
zu den positiven Überraschungen in der Eurozone.
Der einstige Krisenstaat hat sich durch
zahlreiche kleinere Reformen unter anderem
auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile zu einer Art
Musterschüler der Eurozone entwickelt. Sollten
die Parlamentswahlen im Herbst die Regierung
Rajoy bestätigen, könnte Spanien in den kommenden
Jahren für weitere positive Überraschungen
sorgen. Bei einer Abkehr von der bisherigen
Reformpolitik sehen wir dagegen
erhebliche Risiken.
Auf Seite 4: Frankreich und Italien: Kein
Ende der Probleme in Sicht
Frankreich und Italien: Kein
Ende der Probleme in Sicht
Dass es für die Eurozone insgesamt im Jahr
2015 trotzdem nur zu einem Miniwachstum reichen
dürfte, liegt in erster Linie an Frankreich
und Italien. Die beiden Schwergewichte - immerhin
die zweit- und drittgrößte Volkswirtschaft
der Währungsunion - bieten kaum Aussicht
auf Besserung. Die Regierung in Rom versucht zwar Wirtschaftsreformen anzustoßen, scheitert aber immer wieder an den verkrusteten
Strukturen im Land. In Frankreich
scheint sich die Lage erst noch weiter zum
Schlechten wenden zu müssen, bevor überhaupt
ernsthaft über größere Einschnitte verhandelt
wird. Wir betrachten die "Grande
Nation" derzeit als das größte Risiko für den
Euroraum: Die vielen staatlichen Eingriffe sind
unseres Erachtens grundsätzlich schädlich für
die Wirtschaft und die Diskussionen über eine
Ausweitung des Haushaltsdefizits belasten
das Ansehen Frankreichs als verlässlichen
Partner nachhaltig. Positiv stimmt uns derzeit
die Ernennung des
neuen Wirtschaftsministers
Emmanuel
Macron, der in seinen
ersten Monaten im
Amt bereits erkennen
ließ, dass er sich zukünftig
verstärkt für
Bürokratieabbau und
Deregulierung einsetzen dürfte. Sollte er sich
mit seiner Politik durchsetzen, sehen wir auf
lange Sicht zumindest ein wenig Licht am
Ende des Tunnels.
Auf Seite 5: Schwellenländer: Reformer
bauen Vorsprung aus
Schwellenländer: Reformer
bauen Vorsprung aus
Wie in der Eurozone dürften sich im neuen
Jahr auch in der Gruppe der Schwellenländer
bereits eingeschlagene Tendenzen manifestieren.
Konkret bedeutet das: Die Länder, die
grundlegende Wirtschaftsreformen angestoßen haben, sehen wir auf der Gewinnerseite.
Brasilien und Russland dagegen, die es beide
versäumt haben, von ihren eingefahrenen
Strukturen abzurücken, und nun unter den
schwachen Rohstoffmärkten leiden, können
sich nach unserer Einschätzung kaum erholen.
Im Gegenteil: Russland dürfte sogar noch weiter
an Boden verlieren. Für das flächenmäßig
größte Land der Welt erwarten wir für 2015 ein
Negativwachstum von -0,2 Prozent.
Zu den Gewinnern zählen wir Indien -
den möglichen neuen Wachstumstreiber unter
den Schwellenländern. Der seit Ende Mai 2014
im Amt befindliche Premierminister Narendra
Modi öffnet sich mit seiner Reformpolitik verstärkt
dem Westen, unterstützt den Ausbau
der Industrie und geht vergleichsweise konkret
gegen die traditionell starre Bürokratie im Land
vor. Unterstützung erhält er durch eine moderne
Notenbankpolitik, die große Anstrengungen
unternimmt, den Wert der indischen
Rupie stabil zu halten - eine Grundvoraussetzung,
um hohe Kapitalzuflüsse aus dem
Ausland und damit eine ausufernde Geldpolitik
und steigende Inflation zu vermeiden. Diese
Kombination sollte schon kurzfristig Früchte
tragen: Für Indien erwarten wir 2015 ein
Wachstum von 6,5 Prozent - einen ganzen Prozentpunkt
mehr als im abgelaufenen Jahr.
Damit würde Indien fast die Zuwachsrate
Chinas erreichen - auch weil sich die Dynamik
des Wirtschaftswachstums
im Reich
der Mitte nach
unserer Einschätzung
weiter abschwächt.
Doch was für China
auf den ersten Blick
negativ erscheint, hat
System: Die zweitgrößte
Volkswirtschaft
der Welt denkt langfristig
und opfert ihre
einstmals sehr hohen
Zuwachsraten ein
Stück weit für ein
nachhaltigeres, mehr
auf Konsum ausgerichtetes
Wachstum.
An den Märkten ist diese tiefgreifende Reformpolitik
längst akzeptiert - mit stark negativen
Auswirkungen ist daher weder für die chinesischen
noch für die internationalen Kapitalmärkte
zu rechnen. Es sei denn, das Wachstum
nimmt zu stark ab: Neben möglichen
Verwerfungen am Immobilienmarkt ist eine
"hard landing" der Wirtschaft aus unserer
Sicht das Hauptrisiko in China im Jahr 2015 -
auch wenn wir sie als nicht sehr wahrscheinlich
betrachten. Vielmehr könnten die bereits
eingeleitete Öffnung des chinesischen Aktienmarktes
und die Lockerung des Yuan-Wechselkurses
weiter positive Impulse bringen. Hinzu
kommt, dass auch auf Unternehmensseite
die Öffnung voranschreitet: Chinesische Unternehmen
wie der Internetkonzern Alibaba
werden zu Global Playern und ausländische
Konzerne drängen zusehends auf den chinesischen
Markt - wie jüngst das Beispiel des
Einzelhändlers Aldi Süd verdeutlichte, der nach
eigenen Angaben derzeit konkret eine Expansion
ins Reich der Mitte prüft.
Überraschende Unterstützung für die chinesische
Wirtschaft kam zuletzt von der heimischen
Notenbank: Sie senkte Ende November
2014 erstmals seit mehr als zwei Jahren
die Leitzinsen. Bis Jahresende 2015 rechnen
wir mit weiteren moderaten Schritten - das
sollte die Konjunktur zusätzlich stützen.
Auf Seite 6: EZB und Bank of Japan: Weitere
Expansion wahrscheinlich
EZB und Bank of Japan: Weitere
Expansion wahrscheinlich
Ebenfalls expansiv, aber auf einem deutlich hö-
heren Niveau dürfte sich 2015 die Geldpolitik
der Europäischen Zentralbank (EZB) und der
Bank of Japan (BoJ) entwickeln: Sie weiten ihre
Geldpolitik weiter aus, um einer möglichen
Deflation zu entkommen und die Konjunktur anzukurbeln.
Beispiel EZB: Da die langfristigen Inflationserwartungen
zuletzt erneut leicht gesunken
sind, dürfte Notenbank-Chef Mario Draghi
- sofern er nicht durch den Europäischen
Gerichtshof oder das
Bundesverfassungsgericht
daran gehindert
wird - nach unserer
Einschätzung bereits
Anfang des Jahres
den großangelegten
Ankauf von Staatsanleihen
der Euroländer
ankündigen. Zu hoffen
bleibt, dass allein die
Ankündigung ausreicht,
um die Inflation
auf ein moderates Niveau
zu heben. Denn
ein möglicher Ankauf
wäre definitiv der letzte
Pfeil in Draghis
Maßnahmenköcher - weitere Möglichkeiten, die
Märkte zu stimulieren, blieben ihm nicht.
Mit ähnlichen Mitteln versucht auch Japan
seine Deflationssorgen zu vertreiben. Bisher allerdings
mit wenig positiven Impulsen für die
heimische Wirtschaft: Im 3. Quartal 2014 wies
Japans Konjunktur ein Minuswachstum auf -
das Bruttoinlandsprodukt sank auf Jahressicht
um 1,6 Prozent. Wir halten es daher für wahrscheinlich,
dass die Bank of Japan die bereits
angeschobenen Anleihenkäufe ausweiten wird.
Langfristig reichen wird aber auch dies nicht: Es
bedarf nun neben Konjunkturprogrammen
auch ganz konkreter Reformmaßnahmen, damit
Ministerpräsident Shinzo Abe ein endgültiges
Scheitern seiner als "Abenomics" bekannten
Wirtschaftspolitik verhindern kann. Anders als
auf Unternehmensebene lassen sich für Japan
gesamtwirtschaftlich daher kaum klare Tendenzen
ausmachen, zumal der Ausgang der
Neuwahlen im Dezember 2014 zumindest kurzfristig
für zusätzliche Unruhe in der japanischen
Politik und Wirtschaft sorgen könnte.
Auf Seite 7: USA und England könnten
Leitzinsen anheben
USA und England könnten
Leitzinsen anheben
Auf Seite 8: Aktien nach wie vor
fast alternativlos
Aktien nach wie vor
fast alternativlos
deutsche-bank.de/jahresausblick2015