Damit blieb das Wachstumstempo aber hinter den Erwartungen zurück. Schon vorher war die Konjunktur in der dritten Pandemie-Welle stärker unter die Räder gekommen als bislang gedacht. Nach ebenfalls am Freitag veröffentlichten Berechnungen brach das BIP zu Jahresbeginn um 2,1 Prozent ein und nicht wie bisher von Destatis geschätzt um 1,8 Prozent. Mit dem Frühjahrsaufschwung ist die Scharte aus dem Winter somit nicht ausgewetzt.

Die Wirtschaft sieht noch keinen Grund zur Entwarnung, zumal ihr pandemie-bedingte Lieferengpässe bei Containern, Computerchips und Bauholz zu schaffen machen. "Die Erholung der Konjunktur macht ihren nächsten Schritt, nicht mehr und nicht weniger. Das BIP liegt jedoch weiterhin deutlich unter Vorkrisenniveau", so DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Deutschland liegt mit seiner Wachstumszahl in der Euro-Zone auch nur im Mittelfeld: So legte die Wirtschaft anderer Staaten wie etwa Portugal (plus 4,9 Prozent), Italien (plus 2,7 Prozent) und Spanien (plus 2,8 Prozent) stärker zu. Diese hatten aber im Pandemiejahr 2020 konjunkturell mehr Federn lassen müssen und werden wohl auch noch länger unter den Folgen der Krise leiden als Deutschland.

Hierzulande kommt das Vorkrisenniveau im Sommer wieder in Reichweite. Das Ifo-Institut in München geht davon aus, dass sich das Wachstumstempo im dritten Quartal auf rund 2,5 Prozent beschleunigen wird. Doch werde die Industrie voraussichtlich wie bereits im Frühjahr von Materialmangel ausgebremst: "Zwar sind die Auftragsbücher der Unternehmen prall gefüllt", erläuterte Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser. "Aber Lieferengpässe bei wichtigen Vorprodukten stoppten eine Ausweitung der Produktion." Im Gegensatz dazu profitierten der Handel und viele Dienstleister von den sinkenden Infektionszahlen, dem raschen Impffortschritt und den damit einhergehenden Öffnungen im Frühsommer. Entsprechend legten ihre Umsätze im Vergleich zum Jahresbeginn kräftig zu, so der Experte.

Mit der schrittweisen Öffnung der Wirtschaft im Sommer bleiben die Dienstleister voraussichtlich im Aufwind: "Zentral hierfür dürfte eine Erholung der Ausgaben der Privathaushalte im Einzelhandel, der Gastronomie und der Freizeitwirtschaft sein", so der Direktor des gewerkschaftsnahen Konjunkturforschungsinstituts IMK, Sebastian Dullien.

Die wiedererwachte Konsumlust der Verbraucher hatte neben staatlichen Ausgaben bereits im zweiten Quartal die Wirtschaft befeuert: "Befreit von den Fesseln des Lockdowns blühte der Einzelhandel wieder auf, füllten sich die Tische in der Gastronomie, die Kinosäle und die Auftragsbücher der Reiseunternehmen", erläuterte Ökonom Andreas Scheuerle von der Dekabank.

INDUSTRIE MAHNT ZUR VORSICHT


Die steigenden Corona-Infektionszahlen im Zuge der Ausbreitung der Delta-Variante trüben allerdings die weiteren Aussichten ein. "Der Aufschwung ist da - verschiedene Unwägbarkeiten können ihn aber bremsen", so Konjunkturanalyst Christoph Swonke von der DZ Bank. Laut Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier belegt das Wachstum im zweiten Quartal zwar, dass die deutsche Wirtschaft die dritte Welle der Pandemie überwunden hat: "Umso wichtiger ist es nun, weiterhin alles dafür zu tun, damit der Neustart weiter an Kraft zulegt. Dazu müssen wir beim Impfen noch schneller vorankommen", sagte der CDU-Politiker.

Die Industrie warnt vor überzogenen Konjunkturerwartungen. "Die aktuell gute Lage in der deutschen Wirtschaft darf nicht über drohende Konjunkturrisiken hinwegtäuschen", sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Die globale vierte Corona-Welle und anhaltende Lieferschwierigkeiten bei Vorprodukten drohten die noch intakte deutsche und europäische wirtschaftliche Erholung in der zweiten Jahreshälfte zu gefährden. Insbesondere die für Deutschland besonders wichtige Autobranche leidet massiv unter den Engpässen bei Halbleitern, in vielen Werken stehen die Bänder still, weil die wichtigen Teile fehlen.

Ein Grund dafür sind die steigenden Corona-Zahlen in südostasiatischen Ländern wie Malaysia, wo im Kampf gegen die Seuche zwischenzeitlich neue Lockdowns verhängt wurden. Aus der Branche heißt es, die Knappheit sei derzeit größer als zum Jahresauftakt. Volkswagen konnte wegen der Engpässe im ersten Halbjahr eine hohe sechsstellige Zahl an Fahrzeugen nicht produzieren, Audi geht inzwischen nicht mehr davon aus, den Rückstand bis zum Jahresende aufzuholen. Doch auch andere Branchen bekommen die Probleme in Südostasien zu spüren: Bei Puma etwa steht eine Fabrik in Vietnam still, 15 Prozent der weltweiten Produktion fallen deswegen aus.

rtr