Selbstfahrende Autos, Operationen, bei denen Arzt und Patient an unterschiedlichen Orten sind, ultraschnelles Internet - alles das wird der neue Mobilfunkstandard 5G ermöglichen. Und noch weitaus mehr: Unter dem Schlagwort "Smart City" sollen Verkehrsflüsse gelenkt werden und die Stromversorgung gesteuert, um etwa erneuerbare Energiequellen möglichst effizient einzubinden. In Fabriken der nächsten Generation sollen sämtliche Geräte miteinander kommunizieren, um beispielsweise selbstständig Nachschub an Produktionsmaterial zu ordern (Industrie 4.0). Fahrzeuge - seien es Privat-Pkw, Traktoren oder Lastwagen - überwachen den Zustand ihrer Komponenten selbst und zeigen an, ob eine Wartung nötig ist.

Es ist eine schöne neue Welt, die Experten durch den Einsatz der neuen Technik erwarten. "5G wird Auswirkungen auf nahezu jeden Wirtschaftszweig haben", sagt Johan Van der Biest, Fondsmanager bei Candriam. "Für viele Bereiche, etwa autonomes Fahren, ist sie sogar unerlässlich."

Nur vordergründig geht es bei 5G um eine höhere Geschwindigkeit. "Dass der neue Standard schneller ist als sein ­Vorgänger, ist lediglich die Evolution des Mobilfunks", sagt George Saffaye, Anlagestratege bei BNY Mellon. "Die wahre Revolution findet bei dieser Technologie an anderer Stelle statt."

Der Experte spielt auf zwei Aspekte an. "5G wird eine signifikant höhere Dichte der Vernetzung ermöglichen, die nötig ist für eine Welt vernetzter Sensoren, Infrastruktur, Fabriken, Viehbestände, Fahrzeuge und Drohnen." Die Zahl der vernetzten Geräte pro Quadratkilometer soll sich von rund 100.000 auf über eine Million mehr als verzehnfachen - eine bislang ungekannte Dichte.

Der zweite Aspekt der Mobilfunkrevolution betrifft die Reaktionszeiten innerhalb der Netzwerke. Die Latenz, also die Verzögerung zwischen einem Signal und der Reaktion darauf, wird von bestenfalls zehn Millisekunden unter dem aktuellen 4G-Standard auf weniger als eine Millisekunde fallen - unerlässlich etwa, um die Sicherheit autonomer Fahrzeuge zu gewährleisten oder Fern­operationen durchführen zu können.

Deutschland startet


Noch ist der flächendeckende Einsatz von 5G Zukunftsmusik. In Deutschland beginnt der Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes gerade erst. In fünf Städten - Berlin, Bonn, Darmstadt, Köln und München - wird der neue Standard bereits angeboten. In anderen Ländern ist man da schneller. "Die USA, China, Japan und Südkorea sind am weitesten vorne", sagt Saffaye. In ein bis zwei Jahren dürfte 5G dort in signifikantem Ausmaß vorhanden sein. Deutschland und generell die Europäische Union werden wohl erst 2023 so weit sein.

Um die gesamten Möglichkeiten von 5G nutzen zu können, muss die Infrastruktur stark ausgebaut werden. Denn die neue Technik kann alte Funkanlagen nur bedingt nutzen. Stattdessen sind kleinere, aber dafür deutlich mehr Stationen als bisher nötig. "Das bedeutet, dass praktisch an jeder Straßenecke eine Komponente der Netzwerkinfrastruktur aufgebaut werden muss", sagt Van der Biest. Der Grund: 5G nutzt einen höheren Frequenzbereich mit sehr kurzen Wellen. Diese ermöglichen die enorme Geschwindigkeit, haben aber nur eine geringe Reichweite.

5G wird die Telekommunikation für Verbraucher deutlich beschleunigen. Für Industrie, Energiemanagement, Gesundheitswesen und Automobilwirtschaft wird der künftige Standard dagegen mehr: ein technischer Umbruch, der völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Ihnen wird 5G helfen, ihre Einsatzgebiete zu erweitern und ihre Arbeitsabläufe zu verbessern. Sie profitieren mittelbar von dessen Einführung.

Daneben gibt es eine Reihe unmittelbarer Profiteure: Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen anbieten, um den Ausbau des Netzes voranzubringen.

Dies sind zum einen die Telekommunikationsunternehmen, die die Netzinfrastruktur aufbauen werden. Sie ziehen auf zwei Ebenen Nutzen aus 5G. Endverbraucher werden den neuen Standard nutzen, um ihre Internetgeschwindigkeit zu erhöhen, zum Beispiel für Videostreaming, Onlinespiele oder Virtual-Reality-Anwendungen. Darüber hinaus erschließen sich für die Telekommunikationskonzerne völlig neue Einnahmequellen, wenn etwa Indus­trie, Versorger oder Autohersteller auf ihre Frequenzen zurückgreifen.

Zum anderen profitieren Unternehmen, welche die für den 5G-Ausbau erforderliche Ausrüstung oder deren Komponenten herstellen. Darunter fällt eine Reihe von Branchen. Die Halbleiter­industrie zählt dazu, welche die Grundstoffe und Maschinen für den Bau von Mikroprozessoren liefert. Hinzu kommen Hersteller von Speichermedien und Mikrochips, deren Bedarf bei der Implementierung von 5G deutlich ansteigt, weil viel mehr Geräte als zuvor entsprechend ausgestattet werden. In diese Kategorie gehören auch die Hersteller von Sensoren, deren Verbreitung ebenfalls stark zunehmen wird.

Chancen bieten sich auch für Firmen, die Dienstleistungen rund um 5G anbieten. Die Netzwerke, aber auch die zur Steuerung erforderlichen Handgeräte, müssen vor dem Einsatz getestet werden. "Unternehmen, die in diesem Geschäft tätig sind, sehen bereits spürbare Umsatz­beiträge", erläutert Van der Biest. Noch steht 5G erst am Anfang. Anleger tun aber gut daran, den neuen Standard nicht als Technologie für die ferne Zukunft abzutun.

Investor-Info

Qualcomm
Chips für die Zukunft


Der neue Mobilfunkstandard 5G ist eines der zentralen Themen für den Chiphersteller Qualcomm. In Kürze dürfte das US-Unternehmen, weltweit einer der Marktführer bei Prozessoren für mobile Geräte, einen neuen Hochleistungs-Chipsatz mit integriertem 5G-Modem vorstellen. Anfang September hat der Konzern angekündigt, auch seine Mittelklasse-Prozessoren 5G-kompatibel zu machen. Das würde die rasche Verbreitung des Standards unterstützen.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 85,00 Euro
Stoppkurs: 58,00 Euro

Ericsson
Aufbauhelfer neuer Netze


Vor einer Woche hat der schwedische Netzwerkausrüster sein Umsatzziel für 2020 an­gehoben. Er rechnet mit einem Umsatz von 21,2 bis 22,1 Milliarden Euro - neun Prozent mehr als bisher prognostiziert. Grund: Der Ausbau der 5G-Infrastruktur schreitet schneller voran als erwartet. Der Konzern ist weltweit nach Huawei und Nokia die Nummer 3 beim Aufbau der Netze. Er könnte insbesondere von den Sicherheitsbedenken gegenüber dem Konkurrenten aus China profitieren.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 9,60 Euro
Stoppkurs: 6,50 Euro

Candriam Robotics & Innov.
Technische Neuerungen


Fonds, die nur auf das Thema 5G setzen, sind nicht verfügbar oder zu klein, um als Investment geeignet zu sein. Mit dem Candriam Equities Robotics & Innovative Technology können sich Anleger dem Thema breit gestreut nähern. Fondsmanager Johan Van der Biest kauft Aktien von Unternehmen, die von innovativen technologischen Entwicklungen wie 5G profitieren. Im Fonds überwiegt der IT-Sektor, der aktuell ein Gewicht von 60 Prozent hat. Titel aus den Sektoren Industrie und Telekommunikation ergänzen das Portfolio.