Rund zehn Milliarden Euro gaben chinesische Konzerne 2016 nach Daten von Thomson Reuters für Übernahmen in Deutschland aus, nur die US-Amerikaner zahlten mehr. Jeder vierte für den Kauf einer deutschen Firma ausgegebene Euro stammte damit im vergangenen Jahr aus China. Am tiefsten griff der Hausgerätehersteller Midea dabei für den Roboterbauer Kuka in die Tasche. Doch der Boom könnte schon wieder zu Ende sein: "Die regulatorischen Hürden sind höher als man vor sechs Monaten geglaubt hat", sagt Thomas Schweppe von der Investmentbank Goldman Sachs.
Gleich drei Fragezeichen stehen plötzlich hinter einer Fortsetzung der chinesischen Einkaufstour. Das Veto des US-Präsidenten gegen die rettende Übernahme des Chipanlagenbauers Aixtron durch den chinesischen Fonds Fujian Grand Chip hat Käufer und Verkäufer aufgeschreckt. Sicherheitsbedenken torpedierten den Deal. Dazu denkt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) laut über eine Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes nach, wenn deutsche Unternehmen in China nicht bessere Chancen auf Zukäufe bekämen. Bei Kuka hatte sich die Bundesregierung noch die Zähne ausgebissen, weil kein europäisches Unternehmen Midea überbieten wollte.
FANTASIEPREISE PASSÉ
Solchen Fantasiepreisen will die chinesische Regierung künftig sowieso einen Riegel vorschieben. Der Abfluss von Kapital und Devisen ins Ausland ist ihr ein Dorn im Auge. Deshalb brauchen chinesische Unternehmen seit Ende November für jede Zahlung ins Ausland über fünf Millionen Dollar eine Genehmigung. Und sogar bei vereinbarten Übernahmen können die Behörden jede Überweisung über 50 Millionen Dollar stoppen. "Das kann Transaktionen stark verzögern, weil sich die Beamten erst in die Materie einarbeiten müssen und erstmal Vorsicht an den Tag legen, um keine falschen Entscheidungen zu treffen", erklärt Linklaters-Anwalt Mathias Bock, der in Hongkong arbeitet. Verkäufer in Deutschland sollten daher darauf pochen, 10 bis 20 Prozent des Kaufpreises auf einem Treuhandkonto zu parken, rät Anwalt Hans-Jörg Ziegenhain von der Kanzlei Hengeler Mueller.
"Mit der Neuregelung will die Regierung Transaktionen herausfiltern, die sie strategisch für nicht so sinnvoll hält", sagt Bock. Die Übernahme des Londoner Computerspiele-Herstellers Jagex durch den Stahlriesen Shandong Hongda etwa sorgte selbst in Peking für Stirnrunzeln. Banker und Anwälte glauben, dass Übernahmen in Deutschland weniger davon betroffen sein dürften. Sie passen zum laufenden Fünfjahresplan. "Wenn man sich fragt, wo können und vor allem wo wollen Chinesen kaufen, lautet die Antwort weiterhin Deutschland", sagt Christoph Seidel, der für die US-Investmentbank JP Morgan für Fusionen und Übernahmen in Deutschland zuständig ist.
CHINESEN VERGRAULT
Doch Käufer aus China werden längst nicht mehr überall mit offenen Armen aufgenommen. Bei Osram vergraulten die Arbeitnehmervertreter im Zusammenspiel mit der Politik vorerst erfolgreich zwei Bieter, die ein Auge auf den Licht-Konzern aus München geworfen hatten, wie Insider berichten. Und auch die Übernahmefantasie um den Chip-Zulieferer Siltronic ist abgeebbt. Investmentbanker müssten künftig auch diese Faktoren ins Kalkül ziehen, so wie bisher Wettbewerbsbedenken, sagt Alex Mayer von Goldman Sachs. "Chinesische Firmen werden künftig wohl verstärkt im Voraus das Gespräch mit Politikern und Regulierern suchen, um mögliche Hürden zu erkennen und auszuräumen", erklärt Citi-Deutschland-Chef Stefan Wintels. Flexibilität ist gefragt: So verkaufte Kuka seine Flugzeugsparte in den USA, weil die US-Behörden sonst ihr Veto eingelegt hätten.
Macquarie -Chef-Investmentbanker Rainer Langel sieht in der neuen Regierung von Präsident Donald Trump die größere Hürde für den chinesischen Fusionshunger: "Deutschland hat bisher noch keine Übernahme aus China gestoppt. Diese Gefahr ist in den USA viel größer, und das könnte eher noch mehr Interesse an Übernahmen in Europa erzeugen." Es sei denn, das Thema kocht im Bundestagswahlkampf hoch: "Man darf nicht vergessen, dass 2017 ein Wahljahr ist. Da kann sich vieles schnell ändern."
rtr