So etwas weckt Interesse und schafft Verbundenheit. Das zeigt sich auch daran, dass fast jede Meldung zu der Gesellschaft überdurchschnittlich viele Leser findet. Allerdings ist es auch so, dass es anhaltenden Klärungsbedarf gibt. Dieser hat damit zu tun, dass im Vorjahr Medienberichte über angebliche Bilanzfälschungen in Singapur und über undurchsichtige Geschäftspartner im Ausland auftauchten.
Wirecard hat die Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen und sieht sich durch eigene Untersuchungen entlastet, doch selbst von Aktionärsseite gab es in diesem Zusammenhang Kritik an der Geschäftsführung. So war die Rede von wenig Transparenz, sowohl im Geschäftsmodell als auch in der Kommunikation.
Vor dem Hintergrund dieser Meldungen geriet die Erfolgsgeschichte des Unternehmens ins Stocken. Ein Teil der Verluste hatte der Wert zwischenzeitlich zwar wettgemacht, einen Siegeszug wie in den Jahren zuvor konnte die Aktie bis jetzt aber nicht wieder aufnehmen. An diesem Dienstag sorgten dann erneut geschürte Zweifel an den Bilanzierungspraktiken sogar für einen neuerlichen herben Kursrückschlag von letztlich fast 13 Prozent. Jedenfalls machte ein Bericht der britischen Zeitung "Financial Times" den Eindruck, als könnte basierend auf internen Dokumenten der Gesellschaft sowie anknüpfend an die Korrespondenz hochrangiger Manager der Finanzabteilung die Umsätze und Gewinne in Dubai und Irland zu hoch ausgewiesen worden sein.
Dass es rund um den Titel derzeit neben vielen Hoffnungen auch noch zahlreiche Zweifel gibt, machte bereits zuvor in diesem Monat eine sehr auffällige Entwicklung deutlich. Denn obwohl das Unternehmen bei einem Kapitalmarkttag die eigene Langfristprognose deutlich erhöhte, ging es mit dem Kurs an diesem Tag trotzdem nach unten.
Das war erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der Zahlungsdienstleister das im Jahr 2025 zu erwartende Transaktionsvolumen jetzt mit mehr als 810 Milliarden Euro veranschlagt und das EBITDA bei mehr als 3,8 Milliarden Euro sieht. Beim Konzernumsatz rechnet Wirecard nun mit mehr als zwölf Milliarden Euro. Das vergleicht sich mit bisherigen Vorgaben zum Transaktionsvolumens von mehr als 710 Mrd. Euro, einem Umsatz von über zehn Milliarden Euro sowie einem operativen Gewinn (EBITDA) von über 3,3 Milliarden Euro.
Im Anschluss an die Veranstaltung sowie im Zuge der jüngsten Betrugsvorwürfe meldeten sich auch etliche Analysten zu Wort. Dabei fiel auf, dass auch bei diesen Experten die Meinungen weit auseinander gehen. Deutlich macht das die ungewöhnlich große Bandbreite bei den Kurszielangaben. Denn diese bewegen sich zwischen 100,00 Euro und 271,00 Euro (zum Vergleich: Xetra-Schlusskurs am Mittwoch bei 122,50 Euro).
Angesichts dessen und wegen dem regen Interesse an der Gesellschaft, geben wir nachfolgend einen Überblick zu den unterschiedlichen Haltungen von elf Analysten zu Wirecard sowie deren Argumentation mit Blick auf den zu diesem DAX-Vertreter abgegebenen Anlageurteilen.
Citigroup
Die vorsichtigste Haltung zu Wirecard legte bis zu dieser Woche die Citigroup an den Tag. Doch der dortige Analyst hat seine Schätzung zum fairen Wert gerade von 101,00 Euro auf 146,00 Euro erhöht. Laut dem neuen Urteil ist es so, dass Wirecard derzeit mit einem beträchtlichen Abschlag gegenüber Vergleichsunternehmen handele. Letztlich sieht man derzeit aber ein ausgewogenes Verhältnis von Wachstumschancen und möglichen negativen Folgen von Vorwürfen der Presse gegen das Unternehmen wegen einer zweifelhaften Buchhaltungspraxis zu Beginn des Jahres.
Wirecard habe zudem auf dem jüngsten Kapitalmarkttag den Ausblick für 2025 angehoben. Trotzdem sei der Kurs seinerzeit um etwa 4 Prozent gefallen. Trotz der Anschuldigungen zu Beginn des Jahres hätten die Prüfer die Bilanz für 2018 unterzeichnet und Wirecard habe bei eigenen internen Untersuchungen kein Fehlverhalten feststellen können, so die Analysten weiter. Da die Behörden in Singapur die Untersuchungen jedoch auf die Geschäfte in Asien-Pazifik ausgedehnt hätten, ist das Risiko nach Meinung der Citigroup-Analysten nicht vollständig ausgestanden, wie die Nachrichtenagentur Dow Jones am Dienstag aus einem Report berichtete.
Bank of America Merrill Lynch
Damit kommen wir zur Bank of America Merrill Lynch und jenem Institut, das neuerdings die Wirecard-Aktien angesichts eines Kursziels von 120,00 Euro am vorsichtigsten beurteilt. Nach dem Kapitalmarkttag hat der zuständige Analyst Adithya Metuku sein Kursziel ebenso bestätigt wie sein auf "Underperformer" lautendes Anlagevotum.
Zur Begründung für diese Haltung gab er an, Wirecard habe einen Überblick über diverse, gut bekannte Themen gegeben sowie die Ziele für 2025 aktualisiert. Optimistisch gestimmte Marktteilnehmer dürfte dies freuen, doch er bleibe weiter vorsichtig. Ihm fehle es an Klarheit, unter anderem mit Blick auf Wachstumstreiber. Auch seien die Verantwortlichen bei dem Kapitalmarkttag nicht auf seine Bedenken hinsichtlich Wachstum, Preisgestaltung und mangelnder Transparenz eingegangen.
Zum genannten Kursziel von 120 Euro kommt Metuku basierend auf einem abgezinsten Cashflow-Berechnungsansatz. Die wichtigsten dabei zugrunde gelegten Annahmen sind erstens gewichtete durchschnittliche Kapitalkosten von 10, Prozent, zweitens langfristige EBITDA-Margen von 33 Prozent und drittens eine Terminal-Wachstumsrate von drei Prozent. Auf Höhe des erwähnten Kursziels würde Wirecard beim Verhältnis von Unternehmenswert zum EBITDA mit einem Multiplikator von 18,0 bzw. von 12,5 für die Geschäftsjahre 2019 bzw. 2020 handeln.
Weitere Abwärtsrisiken mit Blich auf das Kursziel könnte es bei einer Disruption durch das Aufkommen neuer Technologien entstehen, die zu einer geringeren Nachfrage nach Zahlungsterminals bzw. Zahlungsabwicklungsdiensten oder zu einem Preisdruck in der Branche führen. Problematisch wäre auch ein Transaktionsvolumenwachstum, das langsamer ausfällt als derzeit erwartet oder ein stärker als erwarteter Preisverfall. Negativ wäre auch ein ungünstiges Urteil gegen Wirecard im Zuge einer Klage in Indien.
Angeheben müsste sein Kurszielvorgabe dagegen bei einem sich beschleunigendem organischen Wachstum, etwa für den Fall, dass sich ein stärker als erwartetes Wachstum des Transaktionsvolumens einstelle. Ein ähnlicher Effekt sei auch dann zu erwarten, wenn sich die Preisgestaltung von Wirecard langfristig besser halten sollte, als er das aktuell unterstellt und das dann zu einem stärkeren Umsatzwachstum führt, als derzeit prognostiziert. Den Gewinn je Aktie sieht die Bank of America Merrill Lynch im Übrigen von 2018 bis 2021 von 2,81 Euro auf 6,73 Euro steigen.
UBS
Relativ zurückhaltend ist mit Blick auf die Aussichten von Wirecard die UBS gestimmt. Die Schweizer Großbank hat den Titel lediglich mit neutral eingestuft und das Kursziel auf 151,00 Euro festgezurrt. Wobei es so ist, dass der zuständige Analyst Hannes Leitner seine Erwartungen bereits im September deutlich zurückgeschraubt hat. Die Einschätzung senkte er da von Kaufen auf Neutral und das Kursziel von 160,00 Euro auf die besagten 151,00 Euro. Als Grund für das aus seiner Sicht begrenzte Aufwärtspotenzial verwies der Analyst auf eine beginnende Abschwächung des organischen Wachstums.
Nach dem jüngsten Kapitalmarkttag bestätigte Leitner diese Einschätzungen. Gleichzeitig ließ er wissen, dass kurzfristige Marktsorgen den langfristigen Optimismus überschatteten. Wirecard habe den Ausblick für das Jahr 2025 erhöht, obwohl keine neuen größeren Partnerschaften angekündigt worden seien.
Zudem zeigte sich der Analyst überrascht über die Abwesenheit des neuen strategischen Partners Softbank. Ein Fakt, der ihm zu der Frage bringt, über den Grad des Engagements der japanischen Internet- und Telekommunikations-Holding SoftBank Group bei Wirecard.
Aus der Sicht von Leitner verpasste der Vorstand bei der Veranstaltung auch eine Chance, um aufzuzeigen, was genau die angebotenen eigenen Dienstleistungen auszeichnet und warum man damit im Vergleich zum Wettbewerb besser positioniert ist. Darüber hinaus habe das Unternehmen die finanziellen Auswirkungen der vorherrschenden Trends auf sein Geschäft nicht darstellen können.
Wirecard habe bei dem Investorentreffen Wirecard überraschenderweise auch keine Geschäftsprognose für 2020 abgegeben. Der Vorstandschef habe aber durchblicken lassen, dass es diese Vorhersage am oder um den Termin der Vorlage der Drittquartalszahlen am 06. November geben soll. Deshalb stellt dieses Datum voraussichtlich der nächste wichtige Katalysator für die Aktie.
Die UBS rechnet hier für 2020 übrigens mit einer Vorhersage von 1,037 Milliarden Euro beim Ebitda, was etwas unter der bisherigen Konsensschätzung von 1,058 Milliarden Euro liegt. Denn Gewinn je Aktie sieht die Schweizer Großbank bis 2021 auf 6,41 Euro steigen. Man ist somit etwas vorsichtiger als die Bank of America Merrill Lynch mit 6,73 Euro. Schätzungen hat die UBS auch für 2022 und 2023 veröffentlicht. Und zwar kalkuliert man da mit 7,67 Euro und mit 9,74 Euro je Anteilsschein.
NordLB
Ein Kaufurteil gibt es von der Norddeutschen Landesbank (NordLB) für Wirecard zwar weiterhin. Dieses Institut hat nach dem Kapitalmarkttag aber das Kursziel spürbar von 225,00 Euro auf 195,00 Euro gesenkt.
Der zuständige Analyst Wolfgang Donie führt in seiner Nachbesprechung zur Investorenveranstaltung auch aus, auf welchen drei Säulen die Strategie von Wirecard zur Erreichung der gesteckten Ziele basiert:
1. Wesentliches Wachstum der Transaktionsvolumina durch eine verstärkte Konzentration auf Großunternehmen sowie Realisierung von Skaleneffekten (zusätzlich zu bestehenden Kundenverbindungen zu kleinen und mittleren Unternehmen)
2. Weiterentwicklung des Payment-Ökosystems und Erweiterung um digitale Finanzdienstleistungen und datengetriebene Mehrwertdienste; Stichworte hierzu sind unter anderem: umfassende Analyse des individuellen Einkaufverhaltens in Verbindung mit individuellen Preis- und Leistungsangeboten; branchenübergreifende Kundenbindungsprogramme. Hieraus werden ein deutliches Umsatzsteigerungspotenzial und geringere Kundengewinnungskosten erwartet.
3. Globale Präsenz mit internationalem Leistungsspektrum sowie einem umfangreichen Netzwerk lokaler Technologie-, Service- und Vertriebsstandorte.
Außerdem erinnert Donie daran, dass Prognoseanhebungen von Wirecard inzwischen zur Gewohnheit geworden sind und beinahe regelmäßig erwartet werden. Auch die Unternehmens-Vorhersage für 2019 sei im laufenden Jahr bereits zweimal angehoben worden und ein weiteres Mal bei Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal am 6. November würde nicht unbedingt überraschen.
Diese hohe Erwartungshaltung drücke sich allerdings auch in den Bewertungskennziffern aus. Grundsätzlich lasse sich die Bewertung sowie weiteres Kursentwicklungspotenzial aus der Wachstumsstory rechtfertigen. Allerdings dürfte die Aktie sehr empfindlich auf Enttäuschungen reagieren. In Verbindung mit den aktuell hohen Unsicherheiten an den Aktienmärkten senke er deshalb sein Kursziel. Aufgrund des langfristig hervorragenden Entwicklungspotenzials bleibe es gleichzeitig aber bei der Kaufempfehlung.
DZ Bank
Relativ gelassen reagierte die DZ Bank auf den Kapitalmarkttag. Fast schon etwas lapidar hieß es, Wirecard habe im Rahmen des Kapitalmarkttages die Finanzziele für 2025 erhöht. Demgemäß erwarte das Management einen Umsatzanstieg auf über zwölf (bisher über zehn) Milliarden Euro und einen Anstieg des EBITDA auf über 3,8 (bisher über 3,3) Milliarden Euro.
Der zuständige Analyst Harald Schnitzer sah deswegen aber keine Veranlassung, an seiner bisherigen Kaufempfehlung sowie an dem damit einhergehenden fairen Wert von 185,00 Euro etwas zu ändern. Auch bei den Parametern im Bewertungsmodell habe er nichts verändern müssen und so komme er eben auf Basis des angewandten abgezinsten Cashflow-Modells auf einen unveränderten fairen Wert. Den Gewinn je Aktie veranschlagt Schnitzer dabei für 2019 auf 4,55 Euro, für 2020 auf 5,58 Euro und für 2020 auf 7,05 Euro.
Schnitzer sieht sich in seiner Gelassenheit aber auch von der Reaktion am Aktienmarkt bestätigt, denn auch diese sei verhalten ausgefallen: Die Prognoseanhebung im Zuge des Kapitalmarkttages habe dem Aktienkurs zunächst nicht geholfen.
Folgende Gründe könnten hierfür aus seiner Sicht verantwortlich sein: Möglicherweise sei eine noch höhere Prognoseerhöhung erwartet worden oder eventuell habe die insgesamt leicht niedriger prognostizierte EBITDA-Marge verstimmte. Denkbar sei außerdem auch, dass die bislang nicht erfolgte Prognoseerhöhung für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 zumindest bislang noch nicht erfolgt sei.
Allgemein Chancen wittert die DZ Bank bei Wirecard durch das Wachstum der e-Commerce-Märkte, dem Wachstum der Mobile Payment-Märkte oder weiteren Übernahmen im Rahmen der Marktkonsolidierung. Hinzu kämen bargeldlose Bezahlung am Point of Sale sowie eine regionale Diversifikation in weitere internationale Märkte.
Risiken stellten dagegen die technologische Entwicklung und kurze Produktlebenszyklen dar sowie das Kompromittierungsrisiko der Plattform- und/oder Kundendaten. Zu beachten sei auch das Risiko von Fehlinvestitionen im Softwarebereich, etwaige regulatorische Eingriffe und nicht auszuschließende weitere anonyme Betrugsvorwürfe.
Relativ entspannt gab sich Schnitzer auch in seiner Reaktion auf die neuerlichen Vorwürfe der Financial Times, wonach das Unternehmen nicht ordnungsgemäß bilanziere. Er geht davon aus, dass die Gesellschaft in Kürze eine detaillierte Klärung des Sachverhalts durch das Management, Anwälte und Auditoren vorlegt. Bislang seien Vorwürfe dieser Art widerlegt worden und Wirecard habe die unternehmensinternen Kontrollmechanismen massiv ausgebaut. Das fundamentale Umfeld bleibe gut. Die Umbrüche im Zahlungsverkehr durch den zunehmenden Internet-Handel spielten dem Unternehmen in die Karten, da der digitale Zahlungsverkehr und verbundene Dienstleistungen an Bedeutung gewinnen.
LBBW
Nach den neuen Vorwürfen der Financial Times meldete sich auch die Landesbank Baden-Württemberg mit einer aktualisierten Einschätzung zu Wort. Der verantwortlich Analyst Mirko Maier sah deswegen keinen Grund, an seiner mit einem Kursziel von 175,00 Euro verbundenen Kaufempfehlung etwas zu ändern.
Mit einer neuerlichen Berichterstattung seitens der britischen Finanzzeitung zum Thema Wirecard sei zu rechnen gewesen, nachdem Anfang Oktober verkündet worden sei, dass die von der Financial Times beauftragte Anwaltskanzelei RPC keine Indizien gefunden haben soll, die auf Absprachen zwischen Reportern der Zeitung und Hedgefonds-Spekulanten hinweisen.
Der neue Artikel thematisiere wieder das Thema aufgeblähte Umsatz- und Ertragszahlen im Jahr 2016 mithilfe nicht existierender Kunden. Den von Seiten der Financial Times wiederholt vorgebrachten Anschuldigungen seien von Wirecard und durch den Wirtschaftsprüfer Ernst & Young mit einer umfassenden Untersuchung der asiatischen Aktivitäten begegnet worden. Das sich über 9 Seiten des Geschäftsberichts erstreckende, uneingeschränkte Testat des Wirtschaftsprüfers stehe den erhobenen Anschuldigungen der Zeitung entgegen.
Wirecard habe seine Langfristprognose für 2025 jüngst deutlich angehoben. Die hierfür notwendigen Wachstumsraten implizierten auch für das alsbald zu berichtende dritte Quartal, terminiert für den 6. November, eine Fortsetzung der im bisherigen Jahresverlauf gezeigten Wachstumsdynamik. Maier geht von einem Umsatzplus von 32,7 Prozent auf 726 Millionen Euro aus und einem überproportionalen Ertragsplus von 45 Prozent auf 218 Millionen Euro (Basis EBITDA). Damit sollte die Ertragsprognose für 2019 von 765 bis 815 Millionen Euro in greifbare Nähe rücken, so sein Urteil.
Als Risikofaktor erachtet Maier insbesondere immer wieder zu beobachtende Attacken von Shortsellern, was zu signifikanten Kursrücksetzern führen könne. Diese hätten sich bisher jedoch immer als günstige Kaufgelegenheiten erwiesen.
Bayerische Landesbank
Stellung zu dem jüngsten Negativ-Bericht der Financial Times zu Wirecard nahm auch die Bayerische Landesbank. In der Einschätzung heißt es zunächst, wie zuletzt schon zu Jahresanfang sehe sich Wirecard nun wieder mit Betrugsvorwürfen konfrontiert. Im Gegensatz zu den Vorwürfen zu Jahresanfang gehe es im aktuellen Fall demnach nicht mehr um Singapur. Im Wesentlichen drehe es sich nun um Wirecards Partnerunternehmen Al Alam Solutions aus Dubai. Laut internen Unterlagen von Führungskräften, aus denen die Zeitung zitiert, war Al Alam im Jahr 2016 für einen Umsatz von 265 Millionen Euro und einen EBITDA-Effekt von 173 Millionen Euro verantwortlich - also einen erheblichen Anteil an Konzernumsatz und -gewinn.
Wie bei den bisherigen Betrugsvorwürfen sei auch dieses Mal die Wirecard-Aktie abgestürzt (-23 Prozent in der Spitze; -12,8 Prozent zum Schlusskurs am Dienstag), woraufhin Wirecard die Vorwürfe in einem knappen Statement als "falsch und verleumderisch" umgehend zurückgewiesen habe und nun wie üblich scheibchenweise weitere Reaktionen veröffentliche (2. Ausführlicheres Statement heute Morgen; laut Konzernkreisen Telefonkonferenz erst kommende Woche).
Auch wenn sich die Aktie - wie bei den bisherigen Vorwürfen auch - nun wieder erholt habe, dürfte nach Einschätzung der Bayerischen Landesbank dieses Wechselspiel aus Betrugsvorwürfen, Kurseinbruch und Wirecards Reaktionen darauf kein Ende finden. Wirecard sei es demnach, trotz mehrerer Bekundungen zur Besserung, offensichtlich noch nicht gelungen, Zweifel bei den Anlegern auszuräumen. Bei einem auf 140,00 (alt: 162,00) Euro (Discounted-Cashflow-Modell; pessimistischere Mittelfristannahmen) reduzierten Kursziel bestätigt man das bisherige Halten-Votum.
Baader Bank
Bei der Baader Bank hat der zuständige Analyst sein Kursziel für Wirecard im Zuge einer Kaufempfehlung auf 230,00 Euro festgesetzt. Diese Erwartungshaltung geht einher mit einem Angepassten Gewinn je Aktie, der von 2018 bis 2021 von 2,81 Euro auf 7,98 Euro steigen soll. Beim Umsatz rechnet man gleichzeitig mit einer Verbesserung von 2,016 Milliarden auf 4,252 Milliarden Euro.
Aus dem Kapitalmarkttag leitete er für seine Überlegungen vor allem zwei positive Entwicklungen ab. Erstens die Erkenntnis, dass die organische Wachstumsdynamik günstiger ausfalle als von ihm erwartet. Zweitens wirkten sich auch die kürzlich angekündigten weiteren großen Partnerschaften (z.B. Aldi) positiv auf die Vision 2025 aus, wie die leicht gesunkene Annahme zur EBITDA-Marge mehr als ausgleichen sollte.
Insgesamt habe die Veranstaltung bei ihm einen positiven Eindruck in Bezug auf seine These hinterlassen, dass das sich beschleunigende organische EBITDA-Wachstum von 2018 und 1H19 kein Ausreißer war, sondern der Beginn eines neuen Trends. Während einige Marktteilnehmer die im Rahmen der Vision 2025 gesunkene EBITDA-Margenerwartung als negativ ansehen könnten, deuten die Kommentare des Vorstands laut Woller darauf hin, dass es sich hierbei um eine eher konservative Annahme mit Aufwärtspotenzial handelt, weshalb er deswegen nicht allzu besorgt ist. Die aktuelle Bewertung spiegelt aus unserer Sicht das Wachstums- und Margenpotenzial des Unternehmens überhaupt nicht wider.
Warburg Research
Bei Warburg Research hat der verantwortliche Analyst Marius Fuhrberg seine Kaufempfehlung und sein Kursziel von 230,00 Euro nach der Investorenveranstaltung bekräftigt.
Spannend an dem Termin sei unter anderem gewesen, dass das steigende Transaktionsvolumen und die erfolgen jüngsten Geschäftsabschlüsse eine Folge der starken Partnerschaft mit großen Anbietern wie zum Beispiel Softbank sei.
Hinzu komme die gewachsene Zuversicht hinsichtlich neuer innovativer und datengetriebener Dienstleistungen. So habe der Vorstandschef erklärt, künstliche Intelligenz die Kundengewinnung um 50 bis 80 Prozent günstiger machen könnte. Zudem dürften dadurch die Händlereinnahmen steigen, wobei die Verantwortlichen betont hätten, dass die den neuen Prognosen unterstellten Annahmen konservativ gewählt seien.
Stärke im Bereich Innovation zu zeigen sei außerdem ein sehr wichtiger Aspekt für das Unternehmen. So lautet ein Ziel, mit Innovationen schneller auf dem Markt zu kommen, als das generell üblich sei. Angesichts der bisherigen Erfolgsbilanz in dieser Hinsicht und der bestehenden Marktstellung sollte das auch Sicht der Verantwortlichen auch gelingen.
Im Rahmen der Präsentation sei es interessant gewesen zu hören, wie Wirecard zu einem Partner des US-Telekomkonzerns AT&T geworden sei. Demnach sei für die dortigen Verantwortlichen besonders eindruchsvoll gewesen zu sehen, wie gut Wirecard in der Lage sei, auch Kundenwünsche einzugehen. Ganz abgesehen davon habe Finanzvorstand Alexander von Knopp ein mögliches Aktienrückkaufprogramm durchblicken lassen. Mehr Details dazu seien voraussichtlich schon in den kommenden Wochen zu erwarten.
Laut Fuhrberg hat Wirecard klare Vorstellungen zu den weiteren Aussichten der Industrietrends und man arbeite hart daran, davon profitieren zu können. So gesehen sei es sogar denkbar, dass es dem Unternehmen gelingt, seine Erwartungen in den kommenden Jahren zu übertreffen.
Als nächster Kurskatalysator könnte sich die weitere Gewinnung von großen Geschäftspartnern entpuppen. Und möglicherweise werde im Zuge der Vorlage der Neunmonatszahlen auch die Jahresprognose für 2019 angehoben. Derzeit sieht die Schätzung von Warburg Research beim Gewinn je Aktie bis 2021 eine Verbesserung auf 6,99 Euro vor.
H&A
Einen sehr positiven Eindruck von Wirecard und den weiteren Aussichten des Unternehmens gewannen durch den Kapitalmarkttag offenbar die Analysten von Hauck & Aufhäuser. Jedenfalls erhöhten sie ihr Kursziel anschließend im Zuge einer bekräftigten Kaufempfehlung von 240,00 Euro auf 270,00 Euro. Das entspricht dem zweithöchsten Kursziel aller Analysten.
Wenig verwunderlich angesichts der Kurszielanhebung sprachen die Verantwortlichen von einem überzeugenden Auftritt des Vorstandsvorsitzenden. Wirecard habe die eigenen Mittelfristprognosen erhöht und die Vision sei formuliert worden, immer größere Kunden zu gewinnen und die enormen vorhandenen Potenziale noch besser auszunutzen.
So habe bis 2018 Wirecard 16 solcher großen Kunden gewonnen, aber 2019 bereits die gleiche Zahl geschafft, darunter Aldi. Offensichtlich werde Wirecard für große, internationale Kunden wegen der globalen Ausrichtung immer interessanter. Dabei seien in der beschriebenen Wachstumsdynamik die jüngsten Kundengewinne noch gar nicht enthalten.
Die Nachrichtenlage rund um Wirecard wird nach Ansicht von H&A auch 2020 positiv bleiben, denn die Prognosen blieben konservativ, aber die Kundengewinne im Zusammenhang mit Softbank würden die Stimmungslage erhöhen.
Überdies habe der Finanzchef auf der Veranstaltung die Vorlage von Details zu einem Aktienrückkauf für die kommende Woche angekündigt. Wie die Nachrichtenagentur Dow Jones berichtet, wird Wirecard derzeit nach Einschätzung von Hauck & Aufhäuser überdies zu einem erheblichen Abschlag zur Konkurrenz gehandelt.
Société Générale
Damit kommen wir zur Société Générale und jenem Institut, von welchem derzeit das höchste Kursziel kommt. Denn der zuständige Analyst Richard-Maxime Beaudoux hält einen Anstieg bis auf 271,00 Euro für möglich und er hat diese Haltung sowie seine Kaufempfehlung nach dem Investorentag auch erneuert.
Zu seinem positiven Anlagevotum führt Beaudoux aus, dass die Ziele der Vision 2025 auf eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate beim Gewinn je Aktie von 32,7% hinausliefen. Damit bewege sich die erwartete Wachstumsrate über dem KGV auf Sicht der geschätzten Gewinne für die kommenden Woche.
Bewertungstechnisch sei das eine vorteilhafte Relation. Auf Basis der Prognosen für 2025 ergebe sich sogar nur ein mittleres einstelliges KGV. Den Gewinn je Aktie für 2021 taxiert die Société Générale für Wirecard auf 8,43 Euro.
Denn Geschäftsausblick für die kommenden Jahre bezeichnet die Société Générale auf Baiss der bisherigen Angaben für das Jahr 2019 als solide. Unter Berücksichtigung der neuen Vorgaben bis 2025 sehe es langfristig betrachtet aber sogar noch vielversprechender aus.
Die Tatsache, dass der japanische Technologiekonzern Softbank im Zuge einer strategischen Partnerschaft mit Wirecard Wandelschuldverschreibungen über 900 Millionen Euro bekommen hat, die in gut 6,92 Millionen Aktien des DAX-Konzerns gewandelt werden können, stellt für Beaudoux kein Problem dar. Die gewählte Ausgestaltung sei für übliche Vorgehen von Softbank typisch.
Charttechnik
Wirecard war von Februar 2003 bis September 2018 eine der besten Erfolgsgeschichten, die der deutsche Aktienmarkt zu bieten hatte. Möglich machte diese hervorgehobene Stellung ein im genannten Zeitraum verbuchter Kursanstieg von 0,77 USD auf 195,75 USD. Allerdings folgte auf das letztgenannte Rekordhoch ein Rücksetzer, im Zuge dessen die Notiz bis Februar 2019 auf ein Zwischentief von 96,86 Euro zurückfiel.
Rund die Hälfte dieser Halbierung hatte der Wert zumindest mit Stand vom vergangenen Montag wieder wettgemacht. Die starken Verluste vom Dienstag lassen die jüngste Bilanz aber wieder etwas dürftiger aussehen. Etwas verschlechtert hat sich dadurch auch das Chartbild. Denn durch erwähnten jüngsten Einbruch ist die Notit unter das im August aufgestellte Zwischentief von 134,50 Euro gerutscht. Richtig negativ wäre es aber erst dann, wenn auch noch das zuvor erwähnte Jahrestief von 96,86 Euro fallen sollte, wonach es momentan aber nicht aussieht.
Etwas aufhellen würde sich das Chartbild bei einem Sprung über das Mai-Zwischenhoch von 160,90 Euro sowie bei einem Überwinden des bisherigen Jahresschlusshochs von 169,40 Euro, das vom Januar stammt. Ein wirklich überzeugendes prozyklisches Kaufsignal wären im Grunde genommen aber erst neue Bestmarken, denn dann wäre der langfristige Aufwärtstrend zweifelsfrei wieder aufgenommen. Insgesamt betrachtet bewegt sich der Titel aber weiter in der zuletzt gültigen Handelsspanne und so gibt es charttechnisch gesehen aus unserer Sicht derzeit noch keine wirklich nachhaltigen neuen Handelssignale.
Profil
Wirecard bezeichnet sich selbst als eine der weltweit am schnellsten wachsenden digitalen Plattformen im Bereich Financial Commerce. Das Unternehmen bieten sowohl Geschäftskunden als auch Verbrauchern ein wachsendes Ökosystem an Echtzeit-Mehrwertdiensten rund um den innovativen digitalen Zahlungsverkehr durch einen integrierten B2B2C-Ansatz.
Dieses Ökosystem konzentriert sich auf Lösungen aus den Bereichen Payment & Risk, Retail & Transaction Banking, Loyalty & Couponing, Data Analytics & Conversion Rate Enhancement in allen Vertriebskanälen (Online, Mobile, ePOS). Wirecard betreibt regulierte Finanzinstitute in mehreren Schlüsselmärkten und hält Lizenzen aus allen wichtigen Zahlungs- und Kartennetzwerken.
Als sogenannte Payment Service Provider (PSP) übernimmt Wirecard für die Kunden die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit dem Endverbraucher im Online-Handel und (in geringerem Umfang) auch am POS. Die Kundenbasis ist mit weltweit über 300 000 Händlern laut Landesbank Baden-Württemberg breit gestreut und reicht von Sportwetten-anbietern über Fluglinien bis hin zu stationären Einzelhändlern, denen ein umfangreiches Produkt- und Leistungsportfolio zur Verfügung steht.
Wachstumstreiber sind beispielsweise das anhaltende Wachstum im eCommerce, die Substitution von Bargeld durch Kartenzahlungen und mobiles Bezahlen. Die Aktien der Gesellschaft sind an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert und man ist sowohl ein Mitglied im DAX als auch im TecDAX.