Es ist wirklich amüsant: Ein großes deutsches Börsenmagazin tat sich in den vergangenen Tagen mit der Frage hervor, ob der Kurssturz schon vorbei und es damit an der Zeit sei, wieder Aktien einzusammeln. Das erinnerte mich spontan an die noch viel illustrere Frage der Vertreter der großen Koalition im NSA-Untersuchungsausschuss, ob denn Edward Snowden in dieser Sache überhaupt ein wichtiger Zeuge sei. Im zweiten Falle ist für wirklich jedermann auf diesem Globus, dessen Kopf nicht mit Sägespänen gefüllt ist, erkennbar, dass es zur Aufklärung des NSA-Skandals niemand Kompetenteren als Herrn Snowden geben kann, zumindest niemanden, der auch aussagebereit ist. Und wer daran Zweifel streut, der will erkennbar, dass dieser Zeuge nicht zu Wort kommt.
Bei der hypothetischen Frage des Börsenmagazins verhält es sich ähnlich, wenn auch etwas anders. Jeder Anleger, der es sehen will, kann es auch sehen: Einen Kurssturz hat es überhaupt nicht gegeben. Vielleicht ist es an der Zeit, wieder Aktien zu kaufen, ganz sicher aber nicht, weil gerade ein Kurssturz zu Ende geht. Sehen Sie sich zwei Charts des DAX an, einen ganz langfristigen auf Wochenbasis und einen Tageschart ab Anfang Mai 2012.
Sehen Sie hier einen Kurssturz, einen aktuellen Kurssturz? Nein. Sie sehen einen Aktienindex, der ein durch die Hochs von 2000 und 2007 markiertes "Doppeltopp" überwunden und von dort aus noch einmal mehr als zehn Prozent zugelegt hat.
Auf Tagesbasis betrachtet, sehen wir einen im Juni 2012 gestarteten, perfekten und jedem Lehrbuch zur Ehre reichenden Aufwärtstrendkanal. Abgesehen von einem kurzen Ausreißer nach oben bewegt sich der DAX seit November innerhalb dieses immer noch völlig intakten Trendkorridors seitwärts, wobei die untere Begrenzung dieser Trendbandes nur im Februar einmal getestet wurde. Von welchem Absturz ist also die Rede? Ich weiß es nicht. Sicherlich sinnvoller wäre die Frage gewesen: Ist die Hausse beendet und ist es an der Zeit, Aktien zu verkaufen? Und hier ist die Antwort ganz einfach: Fällt der DAX mit einem Schlussstand unter 9.000 aus dem seit 2009 bestehenden Aufwärtstrendkanal heraus, ja. Die nächste Anlaufmarke wäre dann das Niveau der beiden alten Rekordmarken, also rund 8.000 Punkte.
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Wall Street: Banderilla Nummer 1
Banderillas sind jene meist mit farbigen Bändern verzierten Spieße, die ein Torero dem Stier in der Arena in den Nackenbereich zu stechen versucht, wo sie dank kleiner Widerhaken dann verbleiben. Befindet man sich bei dieser Prozedur nicht in der Position des Stiers, löst das Begeisterung aus. Anleger im NASDAQ 100 befinden sich derzeit allerdings nicht außerhalb der Arena, sondern mittendrin. Und sie haben die erste Banderilla im Nacken stecken. Genau darauf hatte ich Sie ja in der letzten Woche vorbereitet.
Hier die Aktualisierung: Der Trendbruch nach unten ist in trockenen Tüchern. Realistisch und vor allem ganz nüchtern betrachtet eröffnet sich dem US-Technologiebarometer damit ein Korrekturpotenzial bis nahe 3.100, ohne dass der fünf Jahre alte Haussetrend zu Bruch ginge. Natürlich kann man immer den Teufel an die Wand malen. Aber bis zum Beweis des Gegenteils sind Trendtests erst einmal bullishe Chancen. Saust die Chose nach unten durch, wird zum Einstieg in den Bärenmarkt geklingelt.
Dass es hier längst nicht mehr um einzelne Börsenplätze geht, zeigt der Chart des MSCI Welt, der die Kursentwicklung der weltweit wichtigsten Börsenindizes zusammenfasst. Dieser Chart ist so etwas wie die Frage darauf, was denn Notenbanken, Regierungen, IWF, Weltbank etc. seit Mitte 2007 zustande gebracht haben. Vordergründig sehr viel. Aber eben nur für die Aktienmärkte. Denn MSCI Welt testet soeben sein Hoch von Mitte 2007. D. h.: Hier - und nur hier - befinden wir uns jetzt wieder exakt auf dem Stand von vor dem Beginn der US-Subprime-Krise. Aber:
Entgegen aller Beteuerungen, meist im Keim vertrockneter Absichtserklärungen und vollmundigen Wollens steckt die Weltwirtschaft heute tiefer in der Krise als vor der Lehman-Pleite. Die Staatsverschuldung liegt höher, die Arbeitslosenraten steigen permanent und trotz nie da gewesener Notenbankexzesse kippen jetzt zur Unzeit auch die Emerging Markets und China weg. Und der Versuch, die Schulden durch eine ultralockere Geldversorgung weg zu inflationieren, scheint völlig nach hinten losgegangen zu sein.
Im gemeinsamen Abschlussbericht der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank vom Wochenende liest das sich etwas anders. Aber was über 180 Ökonomen, Finanzminister und Notenbanker hinter verschlossenen Türen besprechen und was sie danach in ihr Communiqué schreiben, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Das Verkaufssignal des NASDAQ 100 ist bis jetzt noch nicht durch Dow Jones und S&P 500 bestätigt. Wohl aber durch den Russell 1000. Und in diesem Index finden sich 90 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung der Wall Street wieder. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Börsen am Beginn einer mindestens zehnprozentigen Korrektur stehen, ist daher hoch!
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Edelmetalle: Am seidenen Faden
Während die meisten Marktkommentatoren die bis jetzt gesehene Abschwächung der Aktienmärkte fast unisono der Ukraine-Krise anlasten, wird das fehlende Anspringen der "Krisen-Metalle" Gold und Silber den Notenbanken in die Schuhe geschoben. Denn dort versucht man angeblich, die Preise beider Edelmetalle künstlich am Boden zu halten, um die Anleger nicht zu beunruhigen.
Die Begründungen dafür, warum Gold und Silber seit Herbst 2012 eingebrochen sind, grenzen teilweise ans Absurde. Und selbst wenn es die Notenbanken wären, die hier auf den Preis drücken, wäre es immer noch so, dass eben auch sie Marktteilnehmer sind. Im Hinblick auf die Schuldenproblematik der Papierwährungen wäre von einer weisen Notenbank allerdings eher zu erwarten, dass sie als Käufer von Edelmetallen auftritt.
Nein, bullish sieht das nicht aus. Auf Eurobasis hat mein Trendindikator bei Gold wieder ein neues Abwärtssignal gegeben. Richtig böse würde es für das Metall, falls der Kurs das Tief des letzten Winters unterbieten sollte. Spätestens dann sollte über den Einstieg auf der Putseite nachgedacht werden.
Bei Silber sieht es keinen Deut besser aus. Momentan spielt der Unzenpreis (schon) wieder mit der nahe 20 USD liegenden Unterstützung, während die Erholungsansätze immer schwächer auszufallen scheinen. Hier gilt es, das Tief des letzten Jahres bei 18,61 US-Dollar im Auge zu behalten. Wird es unterschritten, winken weitere Anschlussverkäufe. Und da sollten Sie mit von der Partie sein!
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Viel Erfolg und beste Grüße
Axel Retz
Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal www.private-profits.de.