Der Sündenbock für den Corona-Ausbruch in Peking im Juni war schnell gefunden. Als Ausbruchsherd der Verbreitung wollten die chinesischen Gesundheitsbehörden ein Hackbrett auf einem Großmarkt identifiziert haben, auf dem importierter Lachs verarbeitet wurde. Wie bereits bei früheren Ausbrüchen in der Volksrepublik verhängten die Behörden strikte Maßnahmen zur Eindämmung des Virus: Mehrere Wohnviertel wurden abgeriegelt, Schulen und Veranstaltungsorte geschlossen, der Großmarkt wurde komplett desinfiziert.

Als die Regierung später bekannt gab, dass das Virus nicht durch den Lachs erneut nach China gelangt war, hatten große Supermarktketten ihre Lachsprodukte längst aus den Regalen geräumt. Die Folge war ein vorübergehender Nachfrageeinbruch. Immerhin steht China für rund vier Prozent des weltweiten Bedarfs.

Schon im Frühjahr hatten Lachszüchter aufgrund der Corona-Einschränkungen Teilausfälle beim Absatz im globalen Hotel- und Restaurantgeschäft zu beklagen, wo die Nachfrage nach Fisch traditionell besonders hoch ist. Die daraus resultierende Überproduktion führte im ersten Halbjahr zu einem spürbaren Preisrückgang für Lachs. Auf der anderen Seite zogen die Transportkosten der Produzenten während der Lockdown-Maßnahmen an. Lachs wird meist in Skandinavien oder vor der Küste Chiles gezüchtet und mit Passagiermaschinen nach Asien und Nordamerika gebracht. Doch die blieben während des Lockdowns nahezu komplett am Boden. Das drückte nicht nur auf die Margen, sondern auch auf die Aktienkurse der Lachszüchter. Hier bieten sich nun attraktive Einstiegschancen.

Fisch statt Fleisch

Aktuell scheinen sich die Preise für Zuchtlachs zu stabilisieren. Mittelfristig stellen praktisch alle Branchenbeobachter ein wieder deutlich höheres Preisniveau in Aussicht. Schließlich erfreut sich Fisch weltweit seit Jahren wachsender Beliebtheit. Die Zeiten, in denen Fisch und Meeresfrüchte für viele Menschen als Lückenbüßer für fleischfreie Tage während der Fastenzeit herhalten mussten, sind längst vorüber.

Fisch liegt heute voll im Trend. Er lässt sich nicht nur in den unterschiedlichsten Varianten zubereiten, sondern ist auch gesund und reich an Eiweiß sowie an essenziellen Fettsäuren wie Omega-3 und Omega-6. Der steigende Wohlstand in ärmeren Teilen der Erde ermöglicht es immer mehr Menschen, häufiger Fisch zu essen. Lag der globale Konsum im Jahr 1995 noch bei durchschnittlich 15 Kilogramm pro Kopf und Jahr, rechnen Branchenexperten bis zum Jahr 2025 mit einem Anstieg auf 22 Kilogramm.

Dabei bringt der rasant wachsende Bedarf an Speisefisch auch Probleme mit sich. Inzwischen gelten 93 Prozent der Mittelmeer-Fischbestände als überfischt. Mehr als ein Drittel aller Fischarten ist in den vergangenen 50 Jahren verschwunden, die Zahl der gefährdeten Fischarten hat sich seit dem Jahr 2000 auf über 2300 verdreifacht.

Das begrenzte Angebot in den Weltmeeren hat zu einem starken Wachstum der Zuchtindustrie geführt, insbesondere bei Lachs. Dank der idealen Bedingungen entstanden vor allem in den norwegischen Fjorden in den vergangenen Jahren riesige Lachsfarmen. Jeder zweite Zuchtlachs kommt heute aus dem nordeuropäischen Land, das nach China zum zweitgrößten Fischexporteur der Welt aufgestiegen ist.

Geschätzt 400 Millionen Zuchtlachse werden derzeit in den norwegischen Fjorden großgezogen. Geht es nach Andreas Kvame dürften es in den kommenden Jahren sogar deutlich mehr werden. Der Chef von Grieg Seafood sieht den geplanten Einsatz von künstlicher Intelligenz als Game Changer für die Branche. Damit könnte Norwegen seine Produktion bis zum Jahr 2050 verfünffachen. Zusammen mit anderen Lachsproduzenten beteiligt sich das Unternehmen an einem großen Forschungsprojekt, um dem schlimmsten Feind der Aquakulturen den Kampf anzusagen: der Lachslaus, die ganze Aufzuchten gefährden und große Schäden verursachen kann. Der Kursrückgang der vergangenen Monate sorgte dafür, dass die Aktie auf Basis der nächstjährigen Gewinnschätzungen nur noch mit einem einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnis bewertet wird, obwohl sich das Unternehmen seit Jahren auf dem Wachstumspfad bewegt und die Kapazität bis 2025 von derzeit 95 000 Tonnen auf 130 000 Tonnen ausbauen will. Damit spielt Grieg ungefähr in der gleichen Liga wie sein Mitbewerber Salmar, der für das laufende Jahr eine Produktion von 152 000 Tonnen in den norwegischen Farmen und weiteren 12 000 Tonnen in den Anlagen auf Island erwartet. Im Rahmen des Halbjahresberichts bestätigte das Management seine Investitionspläne, die das Unternehmen nach einem Gewinneinbruch im vergangenen Jahr wieder auf Wachstumskurs bringen sollen.

Fisch für die Welt

Unangefochtener Weltmarktführer ist derweil Mowi (ehemals Marine Harvest). Die Norweger wollen in diesem Jahr rund 442 000 Tonnen in ihren Fischfarmen rund um den Globus produzieren. Neben Lachs züchtet die Gesellschaft verschiedene Arten von Weißfisch und Meeresfrüchte. Dazu deckt man die komplette Verwertungskette von der Aufzucht und Verarbeitung der Tiere bis hin zum Vertrieb fertiger Produkte ab.

Der Aktienkurs notiert derzeit noch immer deutlich unter seinem Vorkrisenniveau. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass der als verlässlicher Dividendenzahler bekannte Zuchtlachskonzern wegen der Belastungen durch die Corona-Pandemie die Ausschüttung für das erste und zweite Quartal gestrichen hat. Analystenhäuser rechnen spätestens im kommenden Jahr wieder mit der Rückkehr zur bisherigen Dividendenpolitik, was zum aktuellen Kurs eine diesbezügliche Rendite von 3,3 Prozent bedeuten sollte.

Ähnlich wie Mowi hat sich Bakkafrost vergleichsweise breit aufgestellt. Neben der Lachszucht stellt das Unternehmen Fischmehl, -öl und -futter her und hat verschiedene Fischprodukte im Portfolio. Dabei zielt man mit gentechnikfreien Premiumangeboten und einer nachhaltigen Produktion insbesondere auf das hochpreisige Marktsegment, das gute Margen verspricht. Das hat nicht nur im Supermarkt seinen Preis: An der Börse wird die Bakkafrost-Aktie im Vergleich zu vielen Mitbewerbern deutlich höher bewertet.

Einen völlig neuen und für die Branche möglicherweise transformativen Weg beschreitet Atlantic Sapphire mit der Idee einer Lachszucht auf Land. Hierfür hat das Unternehmen seine "Bluehouse" genannte Tanklösung entwickelt, die zahlreiche Vorteile gegenüber der Fischzucht im Meer bieten soll. Dank eines supermodernen Filtersystems und einer Strömungsanlage schwimmen die Lachse in kristallklarem Wasser wie in der Natur gegen Strömungen an. Sie haben nie Kontakt zu Meerwasser und sind damit vor den typischen Krankheiten und Parasiten der Wildlachse gefeit. Das Unternehmen kann daher auf den Einsatz von Hormonen oder Antibiotika verzichten.

Lust auf Lachs

Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme der Pilotanlage in Dänemark hat sich Atlantic Sapphire mit dem Miami Bluehouse direkt im weltweit größten Absatzmarkt für Lachs positioniert: in den USA. Die Vereinigten Staaten decken bislang rund 90 Prozent ihres Lachsbedarfs über Importe. Die Nachfrage soll bis zum Jahr 2027 um durchschnittlich sieben Prozent auf dann 900 000 Tonnen steigen - ein riesiges Marktpotenzial für Atlantic Sapphire. Die Norweger wollen nach geplanten 6000 Tonnen Ertrag im zweiten Halbjahr 2020 die Kapazitäten in den kommenden zehn Jahren auf 220 000 Tonnen ausbauen. Bislang können sie auf die Unterstützung der Investoren zählen: Die Kapitalerhöhung im Volumen von 100 Millionen US-Dollar Anfang September zum Kurs von 102 Norwegischen Kronen soll signifikant überzeichnet gewesen sein.

Während sich eine Normalisierung in der Branche abzeichnet, können Anleger das noch ermäßigte Einstiegsniveau nutzen. Allein bis zu den Vorkrisenniveaus bieten viele Titel attraktives Kurspotenzial und für die nächsten Jahre Aussicht auf höhere Dividenden.

 


Auf einen Blick

Fischzucht

Die weltweite Fischproduktion steigt. Ohne Züchtung in Aquakulturen ist der globale Bedarf kaum zu decken.