Finanzminister Schäuble will Kapitallebens- und private Rentenpolice grundlegend reformieren. Wir klären Versicherte über die wichtigsten Neuerungen und ihre Konsequenzen auf. Von Martin Reim




Das Bundesfinanzministerium hat ein Reformpaket für die beliebteste Altersvorsorge der Deutschen vorgelegt: die Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen mit staatlich festgelegtem Garantiezins, von denen es etwa 60 Millionen Stück gibt. Wichtigster Anlass für die Gesetzesvorschläge sind die aktuellen Turbulenzen, die den Markt für Lebensversicherungen wegen der schrumpfenden Zinsen durchschütteln. So soll der Garantiezins sinken. Doch wurden auch einige ältere Forderungen aufgegriffen - manche von Unternehmensseite formuliert, andere von Verbraucherschützern.

Entsprechend zwiegespalten waren die Reaktionen beider Seiten. Der Versicherungsunternehmensverband GDV erklärte dazu, er begrüße die Absicht des Pakets, kritisiere aber dessen Umsetzung. Und der Bund der Versicherten schreibt in einer Pressemitteilung: "Das Gesetz beinhaltet bittere Pillen für Verbraucher, aber auch für Versicherungsunternehmen wird es kein Zuckerschlecken."

Hier die wichtigsten Neuerungen und ihre Konsequenzen:

Der Garantiezins sinkt von 1,75 auf 1,25 Prozent. Der Schritt beträfe fast nur Verträge, die ab 1. Januar 2015 abgeschlossen werden. Der Garantiezins bezieht sich auf den sogenannten Sparanteil, also Einzahlungen minus Kosten. Das bedeutet: Gerade kurz laufende Verträge würden angesichts der hohen Anfangsbelastung durch Abschlusskosten per saldo ein Minus einfahren, wenn lediglich der Garantiezins bezahlt würde. Dennoch sollten nur Anleger, die von jahrzehntelangen Minizinsen ausgehen, angesichts der absehbaren Senkung noch schnell einen Vertrag abschließen. Denn bis lang schafften es die Versicherer noch in jedem Jahr, mehr als 1,75 Prozent zu bezahlen - in Form der sogenannten Überschussbeteiligung. Allerdings ist deren Höhe angesichts der niedrigen Marktzinsen zuletzt stark rückläufig und schwankt je nach Gesellschaft.

Kunden erhalten unter Umständen eine geringere Beteiligung an den Bewertungsreserven. Bewertungsreserven entstehen, wenn der Wert von Investments über den Anschaffungspreis steigt. Derzeit muss die Hälfte dieser Bewertungsreserven bei Vertragsende an Kunden ausgeschüttet werden. Diese Regel führte zuletzt zu hohen Auszahlungen. Denn Anleihen sind der Hauptbestandteil von Versicherungsportfolios, und deren Kurse stiegen angesichts sinkender Zinsen zuletzt stark an. Laut Gesetzesentwurf können Versicherer diese Ausschüttung senken, sobald sie die Garantien für vorhandene Verträge nicht mehr bedienen können.

Hintergrund: Der Garantiezins betrug in den vergangenen Jahrzehnten teilweise vier Prozent (siehe Tabelle).

Um diesen Wert zu bezahlen, kürzen manche Gesellschaften schon jetzt die Ausschüttung an Verträge mit niedrigerem Garantiezins. Falls dieser Trend anhält, könnten schwache Anbieter irgendwann bei sämtlichen Garantien Probleme bekommen. Dann würde die neue Regel greifen. Allerdings ist eine zusätzliche Hemmschwelle eingebaut: Sobald die Ausschüttungen gekürzt werden, dürfen die Anteilseigner der Lebensversicherer keine Dividende mehr erhalten.

Lohnt es sich also, noch schnell seine Police zu kündigen, um mehr Bewertungsreserven zu erhalten? Vermutlich nicht. Denn es ist völlig unklar, wann welcher Anbieter tatsächlich kürzen würde. Und eine Kündigung ist generell von hohen Abschlägen begleitet. Auch ist der Termin unklar, ab dem die neuen Regeln gelten würden. Mal heißt es, dass das Gesetzespaket schon ab dem 1. Juli gültig sein soll, mal ist die Rede vom 1. Januar 2015.

Nur wer auf steigende Zinsen setzt, kann über eine Kündigung nachdenken. Denn in einem solchen Fall würden die Bewertungsreserven dahinschmelzen wie Schnee in der Sonne.

Versicherte werden stärker am Unternehmensgewinn beteiligt. Bislang erhalten Versicherte mindestens 75 Prozent des sogenannten Risikoüberschusses. Der entsteht beispielsweise, wenn Versicherer mit einer zu hohen Lebenserwartung ihrer Kunden rechnen. Sterben die Leute im Schnitt früher, müssen die Anbieter weniger auszahlen als erwartet - ein Überschuss entsteht. Nun sollen die Kunden davon mindestens 90 Prozent erhalten.