Nur noch sehr wenige Papiere auf dem deutschen Kurszettel können mit so einem Kaufargument aufwarten: Auf Basis der Gewinnschätzungen für 2016 ist Leoni mit einem KGV von 9,3 bewertet und damit die günstigste Aktie im MDAX. Vollkommen zu Unrecht, denn der weltweite Anbieter von Drähten, optischen Fasern, Kabeln und Kabelsystemen für die Automobilbranche und andere Industrien dürfte den Schätzungen zufolge in den kommenden Jahren mit überdurchschnittlich hohen Wachstumsraten aufwarten. Bisher spiegelt der Kurs die Prognosen aber noch kaum wider, eine perfekte Gelegenheit für Schnäppchenjäger. Auch Anleger, die nach der Rally eine Korrektur am Gesamtmarkt erwarten, sollten sich die Papiere genauer ansehen. Aufgrund der hohen Gewinnqualität und der günstigen Bewertung erscheint das Rückschlagspotenzial vergleichsweise gering. Läuft die Aufwärtsbewegung hingegen unverändert weiter, könnten besonders jene Werte auf die Überholspur wechseln, die aus fundamentaler Sicht noch genügend Luft nach oben haben.

Bereits im vergangenen Jahr starteten die Nürnberger in die nächste Wachstumsphase und meldeten einen Rekordumsatz. Sowohl das Kerngeschäft mit der Automobilbranche als auch das Industriegeschäft als zweites Standbein legten zu und führten zu einem Erlösanstieg von knapp fünf Prozent auf 4,1 Mrd. Euro. Beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) blieben mit 182,5 Mio. Euro sogar zwölf Prozent mehr hängen, entsprechend verbesserte sich auch die operative Marge von 4,2 auf 4,4 Prozent. Der Konzerngewinn nach Steuern von 115 Mio. Euro bietet eine gute Grundlage für die Dividendenerhöhung von 20 Prozent auf 1,20 Euro. Übertragen auf den aktuellen Aktienkurs entspricht dies einer Verzinsung von zwei Prozent. Anleger, die in den Genuss der Dividende kommen wollen, sollten die Papiere spätestens zur Hauptversammlung am 7. Mai im Depot haben. Mit dem Aktionärstreffen wird auch der Chefposten neu bestellt. Der amtierende Vorstandschef Klaus Probst wird auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand ausscheiden und den Staffelstab an Finanzvorstand und Arbeitsdirektor Dieter Bellé übergeben, der seine bisherigen Funktionen auch weiterhin ausüben wird.

Auf Seite 2: Sprung in neue Dimensionen



Sprung in neue Dimensionen

Nach dem Rekordjahr hat sich das Unternehmen ehrgeizige Ziele für die Zukunft gesetzt. Auf die Automobilindustrie entfielen zuletzt rund 75 Prozent des Gesamtumsatzes. Mit einem Umsatzanteil von gut zwei Drittel ist die Region Europa inklusiver Mittlerer Osten und Afrika das wichtigste Absatzgebiet. Auf Amerika entfallen rund 15 Prozent, auf Asien/Pazifik 19 Prozent.

Besonders das Geschäft außerhalb Europas soll vorangetrieben werden, im Fokus stehen Asien und Amerika. Unter Beibehaltung der führenden Position in Europa sollen die Märkte in Übersee künftig mit kräftigem Umsatzwachstum glänzen. Flankiert wird der Expansionskurs von steigenden Erlösen außerhalb des sehr zyklischen Automobilbereichs. Ausgebaut werden die Zukunftsfelder Medizintechnik, Kommunikation, Investitionsgüter und Infrastruktur sowie das Systemgeschäft. Produktseitig peilt Leoni eine Erweiterung der Wertschöpfungstiefe an als Ergänzung zum bisherigen Kerngeschäft mit Kabeln und Kabelsystemen.

Um die Ziele zu erreichen sind hohe Vorlaufkosten notwendig, die zunächst auf Leoni zukommen und das diesjährige Ergebnis belasten. Im laufenden Jahr befinden sich 25 Projekte in Vorbereitung, in normalen Jahren sind es nur zehn. Warburg Research kalkuliert mit 30 Mio. Euro höheren Kostenbelastungen als sonst, während gleichzeitig das Umsatzniveau noch niedrig ist. Ab dem nächsten Jahr soll sich die Situation dann deutlich verbessern.

In Zahlen ausgedrückt liest sich die Planung wie folgt. Für 2015 rechnen Analysten derzeit mit einem Erlösanstieg von gut fünf Prozent auf 4,32 Mrd. Euro. Beim Ebit liegen die Schätzungen bei 206 Mio. Euro, dies führt zu einer Marge von 4,8 Prozent. Bis zum Jahr 2016 soll der Konzernumsatz auf fünf Mrd. Euro steigen bei einer Zielgröße für die Ebit-Marge von sieben Prozent. Dies entspricht einem Ebit von rund 350 Mio. Euro. Warburg Research sowie andere Analysten kalkulieren derzeit noch konservativer mit 306 bis 310 Mio. Euro. Hier besteht somit durchaus Anpassungspotenzial.

Die Ergebnisentwicklung dürfte von den niedrigeren Vorlaufkosten bei gleichzeitig anziehenden Erlösen verstärkt profitieren. Nachdem im vergangenen Jahr 3,51 Euro pro Aktie verdient wurden, sind 2015 nach Einschätzung von Börse Online 4,61 Euro möglich. Im kommenden Jahr dürften sich die Wachstumsmaßnahmen erstmals voll entfalten und zu einem Ergebnis je Aktie von 6,35 Euro führen. Angesichts eines Gewinnwachstums von 34,5 Prozent per annum bis 2016 ist die Aktie mit einem KGV von 9,3 alles andere als teuer.

Auf Seite 3: 25 Prozent Kurspotenzial



25 Prozent Kurspotenzial

Mit 82 Tochtergesellschaften und Produktionsstandorten in 31 Ländern sind die Nürnberger global gut aufgestellt und verfügen über eine breit diversifizierte Kundenstruktur, die mehr als 70 Prozent der weltweiten Automobilproduktion repräsentiert. Schon jetzt profitiert der MDAX-Konzern von seiner frühzeitigen Verlagerung von Fertigungskapazitäten in Niedrig-Lohn-Länder und erzielt so attraktive Margen, die in den kommenden Jahren spürbar ansteigen dürften.

Getrübt werden die starken Perspektiven nur von der Gewinnwarnung im vergangenen Jahr. Dies ist auch der Grund, warum die glänzenden Aussichten bisher nur unzureichend im Kurs eingepreist sind. Erst wenn Umsatz und Ergebnis an Fahrt aufnehmen, dürften zahlreiche Analysten und Investoren einsteigen und ihre Schätzungen revidieren. Mutige Anleger sollten daher schon jetzt eine erste Position aufbauen und die Unsicherheit als potenziellen Katalysator sehen. Warburg Research ist von der Aktie überzeugt und taxiert das Kursziel auf 72 Euro, Börse Online sieht den fairen Wert sogar bei 75 Euro. Abgesichert mit einem Stopp bei knapp 50 Euro eröffnet sich so ein positives Chance-Risiko-Verhältnis.