Euro am Sonntag: Herr Grandi, was hat LFDE und Sie zu einem Space-Fonds bewogen?
Rolando Grandi: Das Thema Weltraum-Ökonomie ist ja nicht neu. Es existiert bereits seit den 1960ern, als sich Amerikaner und Russen einen Wettlauf ins All lieferten. Danach passierte lange Jahre nicht viel im Hinblick auf Innovationen. Erst jetzt treten wir in die Space-2.0-Ökonomie ein, wie wir es nennen. Der Markt wird nicht mehr vorangetrieben und dominiert vom Militär und von Rüstungsfirmen, sondern von Unternehmern wie Branson oder Bezos und einer Riege neuer Player.
Waren die medienwirksamen Aktionen der erwähnten Milliardäre also ein Mitauslöser?
Sie sind natürlich ein guter Anlass, aber in der Tat beschäftigen wir uns schon länger mit dem Thema. Seit einigen Jahren beobachten wir, dass die Weltraum-Ökonomie neue Technologien wie Robotik, Digitalisierung oder 3-D-Druck anzieht. Das hilft ihr, eine neue Entwicklungsstufe zu erreichen. 2021 ist unserer Meinung nach alles an seinem Platz, damit die Space- 2.0-Ökonmie abheben kann. Die prominenten Weltraumausflüge belegen das eindrücklich.
Ein Schwerpunkt Ihres Fonds ist "Fertigung im Orbit". Was ist darunter zu verstehen?
Es geht darum, was ich im Orbit ohne den Einfluss von Schwerkraft produzieren oder wie ich dort die Eigenschaften von Dingen verändern und ihnen einen Mehrwert geben kann. Nehmen wir das Beispiel Agrikultur: Wenn ich im Weltraum Weinreben anzüchte und diese zur Erde zurückbringe, wachsen diese hier nicht nur deutlich schneller, sondern sind auch widerstandsfähiger gegen Krankheiten. Ich brauche also weniger Pestizide und habe mehr Ertrag.
Bei der Auswahl der Unternehmen achten Sie auch auf Nachhaltigkeitsaspekte. Doch wie nachhaltig kann Raumfahrt überhaupt sein?
Mit unserem Ansatz konzentrieren wir uns ausschließlich auf die innovativen, unternehmergeführten Firmen, die von sich aus großen Wert auf Nachhaltigkeit legen und verantwortungsvoll mit den Themen Weltraumschrott und Treibstoff umgehen. So setzen vorbildliche Firmen zum Beispiel auf sauberen Wasserstoffantrieb. Wir beobachten, dass auch bei dieser Industrie Nachhaltigkeit für die langfristige Entwicklung eine immer größere Rolle spielt. Ein spezieller Fall ist der Weltraumtourismus, der sehr viele Ressourcen für eine extrem kleine Klientel verbraucht. Dort investieren wir gegenwärtig nicht.
Die Weltraum-Industrie wird derzeit von Telekomfirmen dominiert. Wie sorgen Sie für genügend Diversifikation?
Die Weltraum-Ökonomie umfasst derzeit ein Volumen von 400 Milliarden Dollar. Mit rund 70 Milliarden Dollar stellen die Telekomunternehmen in der Tat aktuell den wichtigsten Sektor dar. Der ist natürlich auch in unserem Portfolio mit Unternehmen wie etwa dem Satellitenbetreiber Iridium vertreten. Daneben sehen wir aber auch Chancen bei Unternehmen, die mithilfe von Weltraumtechnologie ihr Geschäft auf der Erde verbessern können.
Zum Beispiel?
Denken Sie an Versicherer. Die Branche braucht Echtzeit-Wetterdaten, um im Fall von Naturkatastrophen vorbereitet zu sein. Der Versicherer Lemonade etwa, den wir im Portfolio haben, sah mithilfe von Weltraumdaten schon frühzeitig die extreme Frostperiode, die Anfang des Jahres Texas heimsuchte. So konnte er die Versicherten rechtzeitig informieren, wie sie sich am besten schützen. Das Ergebnis war, dass Lemonade deutlich weniger Verluste zu tragen hatte als die Wettbewerber.
Ein großes Problem ist Weltraumschrott. Wie gefährlich ist er für die weitere Entwicklung der Space-Ökonomie?
Leider haben die Unternehmen der Space-1.0-Generation das Weltall ziemlich verschmutzt. Man glaubte, dass die im Orbit zurückgelassenen Trümmer kein Problem seien, weil man ja nur ab und zu eine Rakete startete. Das ist vorbei. Unternehmen wie Astra wollen bis 2025 praktisch jeden Tag eine Rakete abheben lassen. Wir beobachten drei Entwicklungen: Erstens hat sich jedes Unternehmen der nächsten Generation Regeln auferlegt, damit kein Schrott im All zurückbleibt. Zweitens entstehen Geschäftsmodelle rund um das Aufspüren und Kartografieren von Trümmern, sodass Satelliten an ihnen vorbeimanövrieren können. So eine Art Navi für den Weltraum.
Und drittens?
Drittens sehen wir Unternehmen, die sich darauf spezialisieren, den Weltraumschrott künftig einzusammeln, etwa über Satellitenroboter. Es ist also nicht nur ein Bewusstsein für das Problem vorhanden, es wird auch an Lösungen gearbeitet, aus denen sich wiederum ökonomische Chancen ergeben.
Echiquier Space: Der aktiv gemanagte Weltraumfonds setzt auf die Themen Beobachtung der Erde, Telekom-Satelliten sowie Fertigung im Orbit. Erst kurze Historie, deshalb hier noch keine Wertung.