Es drohe ein Kahlschlag. Auch das SPD-geführte Bundeswirtschaftsministerium sieht den Zusammenschluss skeptisch. Linde -Chef Aldo Belloni hatte Anfang März versichert, er wolle die Fusion mit den Amerikanern nicht gegen den Willen der Belegschaftsvertreter durchsetzen.

Linde und Praxair wollen sich zum weltgrößten Hersteller von Industriegasen zusammenschließen. Eine Absichtserklärung und die Ausarbeitung der Verträge für den 60 Milliarden Euro schweren Deal hatte der Linde-Aufsichtsrat im Dezember mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter gebilligt - auch weil den Mitarbeitern ein Kündigungsschutz bis 2021 gewährt wird und der Standort Dresden erhalten bleibt. Bis zur Hauptversammlung am 10. Mai sollten die Details ausgearbeitet werden und die Gremien endgültig darüber entscheiden. Die Verhandlungen mit Praxair verliefen nach Plan, sagte ein Konzernsprecher. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sollten gegen die Fusion stimmen, forderte nun der europäische Betriebsrat. Dessen Vorsitzender Gernot Hahl sitzt selbst in dem Kontrollgremium, das aus jeweils zehn Vertretern der Arbeitnehmer- und der Kapitalseite besteht. Der Aufsichtsrat tagt einem Insider zufolge am nächsten Donnerstag. Eine Entscheidung wird dann noch nicht erwartet, aber sicher eine lebhafte Diskussion. Die Abstimmung über die Pläne ist für den 3. Mai vorgesehen.

"KOPF AUF DEN BLOCK"



In ihrem Widerstand seien sich die Vertreter der Gewerkschaft und der Betriebsrat einig, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen. "Die Arbeitnehmerseite hat sich seit Monaten dem Thema gewidmet. Die Entscheidung ist gefallen", sagte ein Insider. Bei einer Patt-Situation Kontrollgremium könnte Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle dem Ausschlag geben, seine Stimme kann doppelt gezählt werden. "Wenn die Kapitalseite nun will, dann muss Reitzle das Doppelstimmrecht ziehen, wenn sie so überzeugt sind", sagte der Insider. Sollten die Kapitalvertreter die Fusion mit aller Gewalt durchsetzen, müssten sie sich den Folgen stellen, warnte er. "Dann muss man auch die Konsequenzen tragen, wenn die Sache 15 Monate später auseinanderfliegt. Dann muss man auch den Kopf auf den Block legen." Auf der Kapitalbank im Linde-Aufsichtsrat sitzen unter anderem Ex-Allianz-Chef Michael Diekmann, der frühere Bosch-Chef Franz Fehrenbach, Bankmanager Clemens Börsig und die Multi-Aufsichtsrätin Ann-Kristin Achleitner. Flankiert werden die Betriebsräte in ihrer Ablehnung von der IG Metall. "Wir sind gegen die Fusion, unsere Position hat sich nicht verändert", sagte ein Gewerkschaftssprecher. "Wir halten nichts von diesem Merger." Die IG Metall fürchtet eine Aushöhlung der Mitbestimmungsrechte und die Verlagerung von Funktionen und Stellen ins Ausland. Rückendeckung kommt auch aus der Politik: "Ein solcher geplanter Zusammenschluss braucht die Akzeptanz der Arbeitnehmerseite", erklärte Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. "Diese ist derzeit offenbar nicht vorhanden. Auch ist nach meiner Einschätzung die ökonomische Rationalität eines solchen Vorhabens nicht überzeugend dargelegt."

LINDE-MANAGEMENT WIRBT



Der eigens für die Verhandlungen mit Praxair reaktivierte Vorstandschef Belloni warb zuletzt auf der Bilanzpressekonferenz für den Megadeal. "Diese Fusion würde Wert schaffen und zwei führende Unternehmen für Industriegase zusammenbringen und deren jeweilige Stärke nutzen." Die Kartellprobleme seien lösbar, wie der Zusammenschluss des Erzrivalen Air Liquide mit Airgas gezeigt habe. Vor allem in Nordamerika müsste sich der dann neue Weltmarktführer von Standorten trennen.

Der fusionierte Konzern, weiterhin unter dem Namen Linde, soll auf beiden Seiten des Atlantiks an der Börse notiert sein. Der rechtliche Sitz der Konzernholding ist noch offen. Im Rennen sind die Niedrigsteuerstandorte Dublin, London und Amsterdam. Lenken soll das Unternehmen Praxair-Chef Steve Angel, Linde-Aufsichtsratschef Reitzle dafür den Verwaltungsrat führen.

Trotz des sehr konkreten weiteren Fahrplans hatte Belloni auch gesagt, dass Linde die Fusion nicht um jeden Preis brauche: "Wir sind keineswegs ein Sanierungsfall". Der Konzern arbeite unabhängig von den Praxair-Plänen daran, rentabler zu werden. Dazu gehört auch ein Jobabbau in Deutschland: Knapp 1000 der 8000 Stellen sollen wegfallen, vor allem in Bayern. Weltweit beschäftigt Linde rund 65.000 Mitarbeiter.