Bis 2017 rechnet der Konzern, der Chemie- und Stahlfirmen mit Gasen versorgt und Medizingase für die Gesundheitsbranche herstellt, nun auf Basis aktueller Wechselkurse mit einem operativen Ergebnis von 4,5 bis 4,7 Milliarden Euro. Die Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROCE) solle bei elf bis zwölf Prozent liegen. Damit sind die Mittelfristziele des langjährigen Linde-Chefs Wolfgang Reitzle, die Büchele übernommen hat, Makulatur. Der schillernde Reitzle hatte seinem Nachfolger hinterlassen, bis 2016 ein operatives Konzernergebnis von mindestens fünf Milliarden Euro und eine Rendite von etwa 13 Prozent zu erreichen. Analysten werteten die neuen Ziele und die verbuchten Sonderlasten einhellig als Akt der Emanzipation des seit Mai amtierenden Büchele von seinem Vorgänger. "Wir denken, die Abschreibungen sind eine Aufräumaktion des neuen CEOs Wolfgang Büchele", urteilte etwa Martin Roediger von Kepler Cheuvreux.
Büchele selbst wollte die Wertberichtigungen indes nicht als Aufräumaktion von Altlasten seines Vorgängers verstanden wissen. "Bei Linde gibt es nichts aufzuräumen", sagte er auf seiner ersten Pressekonferenz in München. Gleichzeitig kündigte er an, dass sich Linde künftig vor allem im angestammten Gasegeschäft stärker konzentrieren werde. Auf Märkten, die Linde nicht zu seinen Kernregionen zählt, will er Geschäfte mit Konkurrenten tauschen. Rivalen wie Air Liquide, Air Products oder Praxair hatten zuletzt ähnliche Überlegungen geäußert. In einigen Regionen, etwa Australien und Brasilien, stehe zudem wegen der örtlichen Entwicklung ein Stellenabbau an. Im Schlussquartal sei dafür nochmals mit 50 Millionen Euro zu rechnen, auch im nächsten Jahr könnten Sonderlasten anfallen. Die Investitionen würden in nächster Zukunft zurückgefahren. "Der einzige Markt, der über solides Wachstum verfügt, ist Amerika", sagte Büchele. Die USA würden gestützt durch den Schiefergasboom reindustrialisiert, was auch seinem Haus gut passe.
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Der bereinigte operative Gewinn (Ebitda) fiel im abgelaufenen Quartal binnen Jahresfrist um drei Prozent auf eine Milliarde Euro. Unter dem Strich brach das Ergebnis um mehr als 40 Prozent auf 194 Millionen Euro ein. Der Umsatz stieg indes noch um knapp drei Prozent auf 4,37 Milliarden Euro.
Wegen der Millionenabschreibungen im dritten Quartal wird Linde nun sein Renditeziel für dieses Jahr nicht schaffen. Die bislang angepeilte Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROCE) von rund zehn Prozent werde verfehlt, kündigte Büchele an. Beim operativen Konzernergebnis wird Linde nun währungsbereinigt voraussichtlich nur das Vorjahresniveau erreichen. Bislang hatte der Konzern eine moderate Steigerung in Aussicht gestellt. Der französische Wettbewerber Air Liquide hatte sich zuletzt nach einem Umsatzplus optimistischer über die weiter Geschäftsentwicklung geäußert.
Bei Anlegern kam Bücheles erste Zwischenbilanz nicht gut an. Die Linde-Aktie büßte fast vier Prozent ein und gehörte zu den größten Verlierern im Dax. Den Investoren versprach der neue Linde-Chef allerdings in einem für sie wichtigen Punkt Kontinuität: "An unserer Dividendenpolitik wird sich grundsätzlich nichts ändern."
Reuters
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Einschätzung der Redaktion:
Der neue Linde-Chef Wolfgang Büchele räumt auf und setzt erst mal eigene Duftmarken, das heißt auch: Die Ergebnisziele des Vorgängers Wolfgang Reitzle werden gekappt und außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen. Zudem zeigen sich erste Kratzspuren der sich eintrübenden Wirtschaft in den Zahlen. Alles zusammen bedeutet: Der grundsätzlich gut aufgestellte, global diversifizierte Gasekonzern befindet sich nicht nur in einer labilen Übergangsphase in der Führung, sondern gerät zunehmend in das Fahrwasser konjunktureller Risiken. Wegen der bereits hohen Bewertung sollten Anleger erst einmal die Entwicklung der nächsten Monate beobachten. Halten.
Ziel: 160,00 Euro
Stopp: 135,00 Euro
Wolfgang Ehrensberger