Linde hatte in der Nacht auf Sonntag überraschend mitgeteilt, dass die US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Comission (FTC) höhere Anforderungen für die geplante Fusion mit Praxair stellt. Das könnte den Zusammenschluss nun ins Wanken bringen. "Wenn die Forderungen der Kartellbehörden zu tiefe Einschnitte erfordern, dann ist es möglich, dass der Deal platzt.", sagte Analyst Eggert Kuls von Warburg Research gegenüber BÖRSE ONLINE am Montag. Denn Linde und Praxair haben sich vorbehalten, die Fusion abzublasen, falls sie mehr als 3,7 Milliarden Euro Umsatz oder 1,1 Milliarden Euro operativen Gewinn (Ebitda) abgeben müssten. Linde will die Erwartungen der Kartellwächter nun analysieren, um "deren Reichweite einzuschätzen und zu bewerten, inwieweit sie sich schnell genug umsetzen ließen, um eine rechtzeitige Freigabe des Zusammenschlusses zu erreichen."

Die Fusion der Gaskonzerne muss bis spätestens 24. Oktober abgeschlossen sein, da Aktionäre nach deutschem Recht innerhalb von zwölf Monaten Klarheit über das Gelingen des Zusammenschlusses haben müssen. Kuls geht allerdings davon aus, dass "alles getan wird, um den Merger doch noch unter Dach und Fach zu bringen." Dennoch sinke die Wahrscheinlichkeit, dass das Vorhaben rechtzeitig gelinge.

Markus Mayer von Baader Helvea Equity Research äußerte die Befürchtung, dass die höheren Hürden in den USA zu einer Kettenreaktion schärferer Auflagen in weiteren Ländern führen könnten. Außer der FTC müssen die Behörden in Europa, China, Indien und Südkorea dem Deal noch zustimmen. Zudem geht der Baader-Experte davon aus, dass sich die Einspareffekte für Linde und Praxair durch die neuen Forderungen verringern werden.

Dabei hatten Linde und Praxair fest mit grünem Licht aus Brüssel gerechnet. Praxair hatte zugesichert, das europäische Gasgeschäft an den japanischen Industriegashersteller Taiyo Nippon Sanso zu verkaufen. Der Kaufpreis für das Geschäft mit einem Umsatz von knapp 1,3 Milliarden Euro beträgt rund fünf Milliarden Euro. Doch jetzt könnte die EU-Kommission noch einmal nachlegen.

Auch Linde hatten erst im Juli den Verkauf eines großen Teils seines Amerika-Geschäfts mit einem Umsatzvolumen von 1,4 Milliarden Euro bekanntgegeben. Käufer sollen der deutsche Konkurrent Messer und der Finanzinvestor CVC sein, die gemeinsam für umgerechnet 2,8 Milliarden Euro Firmenanteile in den USA, Kanada, Brasilien und Kolumbien übernehmen sollten.

Sollte der Deal platzen, wäre Linde wieder auf sich gestellt und müsste sich womöglich eine neue Führungsspitze suchen. Denn der amtierende Linde-Chef Aldo Belloni war lediglich aus dem Ruhestand zurückgekehrt, um die Fusion über die Bühne zu bringen. Auch die Zukunft von Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, den Zusammenschluss vorangetrieben hatte, wäre offen. Gelingt der Zusammenschluss von Linde und Praxair, würde der weltgrößte Hersteller von Industriegasen sowie Sauerstoff und Helium entstehen.

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Einschätzung der Redaktion



Das mögliche Scheitern der Fusion mit Praxair hat Anleger am Montag verschreckt. Bis zum Mittag rutschte das zum Umtausch eingereichte Papier um fast zehn Prozent auf 190,40 Euro ab. Damit notiert die Aktie so tief wie seit Mai nicht mehr.

Die Linde-Aktie ist in Erwartung der Fusion seit 2016 um mehr als 50 Prozent gestiegen. Analysten gehen davon aus, dass die Aktie einen Teil der Kursgewinne einbüßen dürfte, sollte der Deal platzen. Linde würde nun wieder als alleinstehendes Unternehmen in den Fokus der Anleger rücken, schrieb Baader-Analyst Mayer. Seiner Kalkulation zufolge liegt der Wert zwischen 180 und 220 Euro je Aktie.

Charttechnisch betrachtet, hat die Aktie nach den jüngsten Verlusten die 200-Tagelinie bei 192 Euro durchbrochen. Nun droht ein weiterer Rückschlag bis auf 184 Euro. Auch die Einstufung der Analysten ist eher verhalten. Die Baader Bank behält die Aktie weiterhin auf Kaufen. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux hat das Papier auf "Verkaufen" abgestuft.

Anlegern müssen jetzt auf der Hut sein. Sollte die Fusion tatsächlich scheitern, drohen weitere massive Rückschläge. Wir stufen die Linde-Aktie auf Beobachten zurück.

Stopp: 175 Euro

Ziel: 200 Euro