Auf deutschen Autobahnen genügt oft ein Blick auf die rechte Spur und die Sache ist klar: Der Lkw-Verkehr befindet sich nahe an der Grenze des Zumutbaren. Das Leid des Autofahrers ist die Freude für die Nutzfahrzeugindustrie.

Traditionell ist der Sektor eng mit dem globalen Wirtschaftswachstum verknüpft. Dort stehen die Ampeln auf Grün. Beschleunigender Treiber für den Lkw-Markt ist der Onlinehandel, der global weiterhin prozentual zweistellig wächst, sowie ein grundlegender, technologischer Neuanfang: Eine Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) geht davon aus, dass sich der Nutzfahrzeugverkehr in den kommenden zehn Jahren komplett verändern wird.

Es geht um technologische Innovationen wie autonomes Fahren (automatisiertes Kolonnenfahren) und um miteinander kommunizierende Fahrzeuge. Ältere Laster werden durch neuere und effizientere ersetzt. PwC rechnet damit, dass bereits in zehn Jahren für Langstrecken keine Fahrer mehr benötigt werden, sofern es der regulatorische Rahmen zulassen wird. Es werde weitere fünf Jahre dauern, bis in den Industrienationen flächendeckend, auch im Stadtverkehr, vollständig autonom fahrende Laster eingesetzt werden, heißt es in der Studie.

Zudem würden die Betriebskosten eines Trucks um bis zu 28 Prozent gesenkt, wenn der Computer das Steuer übernähme. Der Weltmarkt für Lkws und Vans werde von aktuell 280 Milliarden Euro um über die Hälfte auf bis zu 440 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2025 wachsen. Zu diesem Ergebnis kam McKinsey & Company in einer Studie aus dem Jahr 2016. Die vergangenen zwölf Monate haben diese Prognosen untermauert. Im ersten Halbjahr 2017 legten nach Angaben des Herstellerverbands ACEA die Erstzulassungen in den Ländern der EU und der EFTA um 4,3 Prozent zu.

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In Asien brummt das Geschäft



In China stieg der Absatz im ersten Halbjahr sogar um 13,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, was auch mit strengeren Emissionsvorschriften zusammenhängt. Dieser Substitutionseffekt wird noch einige Quartale andauern, bis China wieder zu normalen Wachstumsraten von sieben bis acht Prozent zurückkehren wird. Die Amerikaner durchlaufen dagegen seit 2016 ein zyklisches Tief auf hohem Niveau. 2018 aber soll auch der US-Truck-Markt wieder wachsen.

Neben Lkw-Herstellern profitieren besonders deren Zulieferer. Platzhirsch des Sektors ist Cummins. Das US-Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von 17,5 Milliarden Dollar liefert Komponenten, ohne die ein Laster nicht fährt. Dazu zählen Diesel- und Erdgasmotoren sowie Filter- und Kraftstoffsysteme. Cummins hat auch den ersten vollelektrischen Lkw-Motor entwickelt. 2019 soll er in Produktion gehen. Dass es richtig gut läuft, zeigten die Zahlen zum zweiten Quartal. Die Prognose beim Umsatzwachstum 2017 von vier bis sieben Prozent wurden auf neun bis elf Prozent angehoben. Analysten erwarten im Schnitt einen Gewinnanstieg je Aktie von 8,85 Dollar für 2016 auf aktuell 9,86 Dollar und 10,90 Dollar für 2018. Das China-Geschäft treibt den Gewinn. Cummins dürfte nächstes Jahr seinen Marktanteil dort auf über 20 Prozent ausbauen.

Auch Dana Inc. fährt wieder auf Wachstumskurs. Der US-Spezialist für hochmoderne Antriebs-, Dichtungs- und Wärmemanagementprodukte für leichte und schwere Nutzfahrzeuge räumt regelmäßig Innovationspreise ab. Im zweiten Quartal schaffte Dana einen Umsatzsprung um 19 Prozent auf 1,8 Milliarden Dollar. Elf Prozent des Wachstums waren organischer Natur. 6,9 Milliarden Dollar Umsatz werden für das Gesamtjahr avisiert. Analysten erwarten für 2017 einen Gewinn je Aktie von 2,33 Dollar und für 2018 einen Anstieg auf 2,55 Dollar. Daraus resultiert ein günstiges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von elf für 2018.

In Deutschland gibt es zwei börsennotierte Zulieferer der Nutzfahrzeugindustrie. SAF-Holland ist der Platzhirsch, der Konzern ist europäischer Marktführer bei Achs- und Federungssystemen sowie Sattel- und Anhängerkupplungen. Etwa 55 Prozent des Umsatzes von 1,04 Milliarden Euro im vergangenen Jahr wurden in Europa generiert, 38 Prozent kamen aus Amerika, sieben Prozent aus Asien. Etwas mehr als ein Viertel werden im margenstarken Ersatzteilgeschäft eingefahren.

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In der Erfolgsspur



Für 2017 hob Firmenchef Detlef Borghardt jüngst die Umsatzprognose auf 1,125 bis 1,135 Milliarden Euro an. Der erforderliche Personalaufbau aufgrund einer höheren US-Nachfrage kostet zunächst Geld und drückt etwas auf die Marge. Für das kommende Geschäftsjahr prognostiziert Warburg-Analyst Alexander Wahl jedoch einen Gewinnanstieg von 23 Prozent auf 1,23 Euro je Aktie. In Analystenkreisen gilt SAF-Holland nach der geplatzten Übernahme von Haldex durch Knorr-Bremse auch als Übernahmekandidat.

Für Furore sorgte in den vergangenen Wochen der Börsenneuling Jost Werke. Der Nutzfahrzeugzulieferer mit Weltmarktführerschaft in den Bereichen Stützwinden ist im Juli zu 27 Euro an die Börse gegangen. 64 Prozent des Umsatzes von geschätzt 670 Millionen Euro decken etwa 55 Prozent des globalen Marktanteils in den entsprechenden Produkten ab. Die Eintrittsbarrieren gelten als hoch. Jost Werke konzentriert sich auf die Prozesse in der Wertschöpfungskette, die wenig Kapital erfordern, und lagert die kapitalintensiven Prozesse aus.

Dies führt zu einer vergleichsweise flexiblen Kostenstruktur mit einer starken Margenresistenz und hohen Cashflows. Analyst José M. Asumendi von JP Morgan sieht das Kursziel bei 45 Euro. Die um Sondereffekte bereinigten Halbjahreszahlen zeigten sieben Prozent Umsatzwachstum, der operative Gewinn stieg um 18 Prozent.

Bärenstarke Österreicher



Auch die Österreicher haben einen Weltmarktführer. Palfinger steht für die innovativsten und wirtschaftlichsten Hebelösungen, die auf Nutzfahrzeugen und im maritimen Bereich zum Einsatz kommen. 2016 setzten die Salzburger damit 1,4 Milliarden Euro um. Das Stammprodukt ist der Lkw-Knickarmkran. In diesem Segment ist das Unternehmen mit knapp 150 Modellen und einem Marktanteil von über 30 Prozent führend. Auch bei Forst- und Recyclingkranen im On- und Offroadbereich sowie bei Containerwechselsystemen ist Palfinger weltweit größter Hersteller.



Lkw-Aufbauten und Pickup-Ladebordwände runden die Produktpalette ab. Knapp 60 Prozent des Umsatzes werden in Europa eingefahren, 21 Prozent in Amerika und 19 Prozent in Asien. Strategisches Ziel ist es, den Umsatzanteil in Asien und Amerika auf je ein Drittel hochzufahren. Umsatz und Ebitda stiegen im ersten Halbjahr um 13,2 Prozent. Volle Auftragsbücher lassen für 2017 und 2018 zweistellige Umsatz- und Ergebnissteigerungen erwarten. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 für 2018 stellt somit keine sonderlich anspruchsvolle Bewertung dar. Die Aktie ist ein klarer Kauf. Wir erhöhen unser Kursziel von 45 auf 52 Euro.

Eine ganz andere Nummer ist das amerikanische Unternehmen Ryder System, ein Anbieter von integrierten Logistik- und Transportlösungen. Ryder arbeitet hinter den Kulissen und steuert Lasterflotten von Unternehmen, inklusive Wartung und Lieferketten. Je stärker das Flottenwachstum auf den Straßen, umso mehr profitiert Ryder. Für 2018 erwarten Analysten einen Gewinnsprung um 18 Prozent. Ein KGV unter 16 lässt der Aktie Luft noch nach oben.



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LKW-Zuliefererbranche auf einen Blick: Es brummt



Es brummt in der Brummibranche. Und zwar weltweit. Das steigende Frachtaufkommen im Straßengüterverkehr - insbesondere aus Fernost - befeuert nicht nur die Hersteller von Lastkraftwagen selbst, sondern auch die Zulieferindustrie.