An der Börse wie in der Wirtschaft hängt viel von Stimmungen und Erwartungen ab. Und trotz der Befürchtungen hinsichtlich einer zweiten der SARS-CoV-2-Welle macht sich unter deutschen Exporteuren so etwas wie Optimismus breit: Der Index des Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts für die Exporterwartungen ist im Juli von minus 2,2 auf plus 6,9 Punkte gestiegen. Eine gute Meldung für die Logistikbranche, insbesondere für die deutschen Transporteure, denn die gelten als weltweit führend - und der Export ist für ihren Erfolg sehr bedeutend.
Dabei hatte die Welthandelsorganisation WTO zunächst prognostiziert, dass der Welthandel in diesem Jahr um bis zu einem Drittel schrumpfen werde. Nach den Zahlen des zweiten Quartals sieht es aber deutlich besser aus: Um "nur" 18,5 Prozent ist der Austausch von Gütern über die Grenzen hinweg zurückgegangen. Die simple Regel, dass das Geschäft der Logistiker eins zu eins mit den globalen Handelsmengen und der weltweiten Konjunktur wächst oder schrumpft, gilt indes nicht mehr. Seit einem Jahrzehnt bereits legt der Welthandel langsamer zu als die Weltwirtschaft. Grund dafür ist nicht nur, dass etwa die US-Regierung unter Donald Trump außenwirtschaftlich einen nationalistischen Kurs verfolgt, auch die Europäische Union greift immer häufiger zu protektionistischen Maßnahmen, und China handelt ohnehin nicht nach den eigentlich mit der WTO vereinbarten Marktregeln.
Containerreeder erstaunlich stabil
Tatsächlich erfolgt Wertschöpfung immer mehr digital, benötigt also eher Netzwerke statt Straßen oder Kanäle. Dass es die Logistikbranche geschafft hat, sich von den reinen Transportmengen als Gewinnfaktor abzukoppeln und auch über andere (auch digitale) Dienstleistungen zu profitieren, zeigen zwei aktuelle Beispiele. So hat die Containerreederei Hapag-Lloyd, an der unter anderen der Logistiker Kühne + Nagel große Anteile hält, das Konzernergebnis in den ersten sechs Monaten auf 285 Millionen Euro gesteigert - das war fast doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Der Hamburger Konzern begründete dies mit niedrigeren Kosten und Sparmaßnahmen. Das operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) stieg im selben Zeitraum um 31 Prozent auf 511 Millionen Euro. Der Umsatz hielt sich mit 6,4 Milliarden Euro fast stabil. Der Konzern hält an seiner Ergebnisprognose für das laufende Jahr fest.
Auch der dänische Reeder und Hafenbetreiber A.P. Møller-Mærsk hat trotz des kräftigen Rückgangs der globalen Transportmengen infolge der SARS-CoV-2-Pandemie das Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisierungen (Ebitda) im zweiten Quartal auf 1,7 Milliarden US-Dollar erhöht. Konzernchef Søren Skou erklärte den Erfolg mit "agilem Kapazitätseinsatz, Initiativen zur Kostenreduzierung und Anpassung an veränderte Kundenbedürfnisse". Mit um 25 Prozent verbesserten Betriebseinnahmen sieht Søren Skou den Mærsk-Konzern "gut positioniert, um finanziell und strategisch stärker aus der Krise zu kommen".
Ein ganz anderes Geschäftsmodell als die Seefahrer hat die Deutsche Post im Bereich Logistik und war damit auch in der Zeit des Corona-Lockdowns erfolgreich. Einerseits versuchen die Bonner, das oft totgesagte Briefgeschäft durch Innovationen am Leben zu erhalten. So kann man sich nun beispielsweise vorab bequem per E-Mail über eingehende Briefpost informieren lassen. Andererseits profitiert die Post mit ihrer weltweit tätigen Pakettochter DHL von neuen Transportwegen der Industrie sowie vom Onlinehandel.
Die Post steigerte im ersten Halbjahr sowohl den Umsatz wie auch das operative Ergebnis deutlich. Der Kurs steuert auf sein Allzeithoch zu. Binnen der vergangenen fünf Monate hat sich der Titel auf rund 38 Euro glatt verdoppelt.
Post-Konkurrenten im Paketbereich sind zunehmend Onlinehändler Amazon, der seine Lieferungen mehr und mehr von Subunternehmern ausfahren lässt, sowie die beiden US-Großkonzerne Fedex und United Parcel Service (UPS). Auch die FedEx-Aktie notiert auf einem Zwölfmonatshoch, zum Allzeithoch ist aber noch reichlich Spielraum - den der Post-Wettbewerber angesichts der kaum gesunkenen Umsätze und stabiler Gewinne im ersten Halbjahr auch noch ausnutzen kann. Im dem von Boston Consulting auf rund 130 Milliarden Dollar Jahresumsatz geschätzten globalen Markt der Expresslieferungen punktet auch UPS dank der fast duopolmäßigen Aufteilung des US-Heimatmarkts und der guten Aussichten für den Onlinehandel. Binnen eines Monats legte der Aktienkurs von UPS einen Sprung von mehr als 30 Prozent hin.
Dividende als Kurspuffer
Ein klassischer Logistiker, der vom Stückgut über die Seefracht bis zur Kontraktlogistik alle Bereiche des Transports abdeckt, ist Kühne + Nagel. Zwar sank der Umsatz in zweiten Quartal um fast neun Prozent gegenüber dem Vorjahr, doch der Gewinn je Aktie fiel mit 1,42 Schweizer Franken besser aus als von Analysten erwartet. Die Aktie hat entsprechend ihr 52-Wochen-Hoch erreicht. Allerdings können Anleger in Deutschland das Papier nur im außerbörslichen Handel ordern, weil Kühne in der Schweiz notiert.
Wer sich als Anleger von den hohen Bewertungen der Logistiker abschrecken lässt, hat trotzdem einen Grund, langfristig auf die Papiere der Branche zu setzen: Fast alle liefern eine attraktive Dividende, die auch zwischenzeitliche Kursverluste verschmerzen lässt.
Auf einen Blick
Logistik
Ob Container oder Pakete, die Transportbranche hat es dank neuer Dienstleistungen und besserer Technik geschafft, trotz rückläufigem Welthandelsvolumen mehr Wertschöpfung für ihre Unternehmen zu generieren.