Der Luftverkehr boomt - ein paar Klicks reichen, um sich davon auf flightradar24.com ein Bild zu machen. Diese App zeigt das dichte Gedränge am Himmel. Rund um den Globus werden Tag für Tag mehr als 100 000 Flüge abgefertigt. Laut Zahlen der Air Transport Action Group (ATAG) beförderte der Sektor 2015 knapp 3,6 Milliarden Passagiere. Die Industrievereinigung geht davon aus, dass die Zahl der Fluggäste bis 2034 jährlich im Schnitt um 4,3 Prozent auf dann mehr als 5,8 Milliarden zunimmt.
Die Aussichten für die Flugzeugbauer könnten also kaum besser sein. Dementsprechend ist die Produktion bei den beiden Branchenriesen Airbus und Boeing über Jahre hinweg ausgelastet. Auch an der Börse zeigt das Duo eine enorme Schubkraft. Wobei sich der Marktführer aus den USA zuletzt vom europäischen Rivalen absetzen konnte: Mit einem Plus von 70 Prozent fiel der Höhenflug bei Boeing im bisherigen Jahresverlauf mehr als doppelt so steil aus als derjenige des Konkurrenten.
Nachdem Airbus Anfang Oktober ein Allzeithoch markiert hatte, bremste ein Korruptionsskandal den MDAX-Titel aus. Das Unternehmen soll beim Verkauf von Flugzeugen Mittelsmänner eingeschaltet haben. Vorstandschef Thomas Enders befürchtet im Zuge der Ermittlungen in Großbritannien und Frankreich "beträchtliche Bußen". Da trifft es sich gut, dass der Konzernlenker mit einem Deal in Kanada gerade für positive Schlagzeilen sorgt: Airbus sicherte sich vom dortigen Konkurrenten Bombardier gut die Hälfte an dessen "CSSeries". Über die mit 100 bis 150 Sitzplätzen ausgestatteten Maschinen erweitert das Unternehmen die Produktpalette um ein wichtiges Segment.
Die Übernahme allein dürfte nicht reichen, um wieder dieselbe Flughöhe wie Boeing zu erreichen. Dazu muss Airbus vor allem die Probleme beim A320neo in den Griff bekommen. Bei dem Kurz- und Mittelstreckenflugzeug kommt das US-Unternehmen Pratt & Whitney wegen technischer Probleme nicht mit der Zulieferung von Triebwerken hinterher. Noch hält Airbus am ehrgeizigen Ziel fest, im laufenden Jahr 200 Stück des neuen Typs auszuliefern. Derweil hat der A330neo gerade erfolgreich seinen Jungfernflug absolviert. Mit dieser Maschine möchte Airbus ab dem kommenden Jahr in der Großraumklasse neue Standards setzen.
Zunächst gilt es für den Konzern jedoch, bei der Vorlage der Neunmonatszahlen am 31. Oktober die Gewinnprognose für 2017 zu bestätigen. Während das operative Ergebnis im laufenden Jahr nur moderat vorankommen dürfte, steht 2018 ein Wachstumsschub ins Haus. Voraussetzung: Die Fertigung läuft nach Plan, und der Korruptionsskandal weitet sich nicht stärker aus. Aus unserer Sicht überwiegen die Chancen diese beiden Risiken - die Airbus-Aktie bleibt daher ein Kauf.
Gleiches gilt für Boeing. Am 25. Oktober (nach Redaktionsschluss) präsentierte der Branchenkrösus die Bilanz für das dritte Quartal. Per 30. Juni hatte der US-Konzern mit einem überraschend hohen Gewinn sowie einem üppigen Cashflow aufhorchen lassen. Der große Hoffnungsträger des Unternehmens ist die 737 MAX. Mit der sparsamen Variante dieses Mittelstreckenklassikers positioniert sich der US-Konzern direkt gegen den A320neo. Die Kundschaft greift zu: Mittlerweile beträgt der Auftragsbestand für die 737 MAX knapp 3900 Stück. Gerade das enorme operative Momentum spricht dafür, dass die Boeing-Aktie ihren Höhenflug - trotz des bestehenden Bewertungsaufschlags gegenüber Airbus - fortsetzt.
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Wartung als Wachstumstreiber
Zu den Nutznießern der florierenden Geschäfte bei den Flugzeugbauern zählt MTU Aero Engines. Sei es Bombardiers "CSSeries", der Airbus A320neo oder die legendäre 747 von Boeing: Die Münchner sind an einer Vielzahl von Triebwerken beteiligt und arbeiten dabei mit den Branchengrößen GE, Pratt & Whitney sowie Rolls-Royce zusammen. Wachstumstreiber des Konzerns ist allerdings die Instandhaltung. Im ersten Halbjahr steigerte die Sparte ihren Umsatz um knapp ein Drittel. "Hier zahlt sich unsere gute Marktpositionierung aus", kommentierte Programmvorstand Michael Schreyögg den Erfolg. Daran dürfte sich im dritten Quartal kaum etwas geändert haben - am 26. Oktober legt MTU die Zahlen vor.
Einen Tag später meldet sich Safran zu Wort. Der französische Konzern ist besonders breit aufgestellt. In einer Partnerschaft mit GE dominiert Safran den globalen Markt für Triebwerke. Darüber hinaus zählen beispielsweise Brems- und Flugkontrollsysteme sowie Drohnen zur umfangreichen Produktpalette. Während sich Safran kürzlich vom Geschäft mit Sicherheitstechnik getrennt hat, läuft der Zusammenschluss mit der auf Kabinenausstattung spezialisierten Firma Zodiac. Damit konzentriert sich das Euro-Stoxx-50-Unternehmen verstärkt auf die zivile Luftfahrt - angesichts des weltweit boomenden Flugverkehrs ist diese Strategie nachvollziehbar.
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Luftfahrttechnik auf einen Blick
Wachstumsmarkt: Airbus geht davon aus, dass bis 2036 knapp 35 000 neue Flugzeuge bestellt werden. Mehr als 40 Prozent der Nachfrage sollen demnach aus der Region Asien-Pazifik kommen, während Europa und die USA rund 36 Prozent beisteuern.