Schlimmer könnte es für die Kranichlinie derzeit kaum kommen. Rund 95 Prozent der Passagierflüge sind gestrichen, etwa 700 der 763 Flugzeuge bleiben am Boden. Wenn Mitte April auch die Sonderflüge für Heimreisende wegfallen, dürfte der Flugplan gegen Null tendieren. Noch ist vollkommen unklar, wann es wieder langsam aufwärts gehen könnte. Ein kleiner Lichtblick ist nur Lufthansa Cargo: Weil der Lkw-Verkehr aufgrund der strengen Grenzkontrollen gebremst wird, steigt hier die Nachfrage. Allerdings kann der Bereich den Einbruch nicht ansatzweise auffangen.
Liquidität ist entscheidend
Radikale Maßnahmen sind daher gefragt. Über Einsparungen bei Treibstoff und Flughafengebühren kann die Lufthansa schnell die Ausgaben senken, rund 60 Prozent sind variable Kosten. Kurzarbeit, gestrichene Investitionen und Boni wirken sich ebenfalls positiv auf die Liquidität aus. Für Ratingagenturen ist dies ein wichtiger Faktor. Mitte März verfügte die Lufthansa über rund 4,3 Mrd. Euro an liquiden Mitteln in der Bilanz und 774 Mio. Euro an Kreditlinien ohne finanzielle Verpflichtungen. Die Dividende soll ausfallen. Moody`s hat das Kreditrating wegen der Krise auf Ramschniveau reduziert. Sollten alle Stricke reißen, dürfte wohl der Staat einspringen. Eine Verstaatlichung kommt aber nicht in Frage. Zudem könnte der Konzern einen Teil der Flotte verkaufen, anschließend zurückleasen und so zusätzliche Liquidität generieren.
Antizykliker aufgepasst
Für Value-Investoren ist die Aktie natürlich ein Leckerbissen, zumindest auf den ersten Blick. Analysten zufolge befinden sich rund 86 Prozent der Flotte im Eigentum der Lufthansa, davon seien knapp 90 Prozent unbelastet von Krediten. Daraus errechnet sich ein Buchwert von zehn Milliarden Euro. An der Börse bringt das Unternehmen hingegen nur noch rund 4,3 Mrd. Euro auf die Waage. Wenig überraschend hat daher der Münchner Investor Heinz Hermann Thiele die Kursschwäche bereits genutzt und hält nach der jüngsten Aufstockung aktuell gut zehn Prozent.
Ebenso reizvoll ist der Blick auf den langfristigen Kursverlauf. Meist wird die Lufthansa-Aktie von "Experten" empfohlen, wenn der Kurs über 16 oder 20 Euro anzieht. Richtig viel Geld verdienten in den vergangenen Jahrzehnten aber nur Anleger, die mutig im Bereich der Einstelligkeit zugegriffen haben. Einige Monate bis wenige Jahre später notierte die Aktie jeweils um 100 bis 240 Prozent höher. Geduld und geschicktes Timing sowie sehr viel Mut wurden in der Vergangenheit bei der Lufthansa immer belohnt. Natürlich ist das Risiko ebenfalls sehr hoch. Europas gesamte Luftfahrtindustrie kämpft wegen der Corona-Krise ums Überlegen. Dank der guten Aufstellung könnte die Lufthansa am Ende aber sogar gestärkt aus den Turbulenzen hervorgehen. Einsteigen sollten wenn überhaupt aber nur sehr risikobereite Anleger mit kleinen Beträgen.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.
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