"Wir können das Unglück nicht ungeschehen machen, aber wir haben als Branche die Pflicht, die Flugsicherheit zu verbessern", sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Institutionen wie die französische Flugunfallbehörde BEA, Arbeitskreise und Politiker machen sich dazu seit langem Gedanken.

Manche Idee wie die unmittelbar nach dem Crash am 24. März 2015 eingeführte Regel, dass ein Pilot im Cockpit nie alleine sein darf, stehen schon wieder auf dem Prüfstand. Andere geplante Maßnahmen wie Drogentests für Flugzeugführer, regelmäßige psychologische Checks und ein zentrales Programm, in dem medizinische Daten von Piloten gespeichert werden, sind umstritten. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ist absolute Sicherheit wohl nicht zu haben. Der Todespilot habe sich verstellt und niemanden wissen lassen, was in ihm vorging, sagt ein Airbus A320-Pilot einer großen deutschen Airline, der ungenannt bleiben wollte. "Es kann jederzeit wieder passieren."

ÄRZTE SCHWEIGEN IM ZWEIFELSFALL LIEBER



Den Ermittlungen zufolge steuerte der Copilot Andreas L. die Germanwings-Maschine mit Absicht in ein Gebirgsmassiv in den französischen Alpen. Dazu verschanzte er sich alleine im Cockpit. Später stellte sich heraus, dass der 27-Jährige in den Monaten vor dem Crash an schweren Depressionen litt. Damit seine Krankheit nicht aufflog, besuchte er verschiedene Ärzte. Von ihnen erhielt er starke Medikamente und Krankschreibungen. Einer wollte ihn in eine psychiatrische Anstalt einweisen. Doch habe keiner der Ärzte die Lufthansa oder das Luftfahrtbundesamt (LBA)kontaktiert, obwohl L. mit seiner Depression nicht flugtauglich gewesen sei, heißt es im BEA-Abschlußbericht. "Es ist wahrscheinlich, dass diese Ärzte das Risiko eines Bruchs der ärztlichen Schweigepflicht höher eingeschätzt haben, als das, den Piloten nicht den Behörden zu melden."

Den Punkt sehen auch Piloten als problematisch an. Es gebe in Deutschland keine ausreichende Rechtssicherheit, sagt Markus Wahl, Sprecher der Cockpit-Gewerkschaft, zu Reuters. "Ärzte dürfen bei Gefahr im Verzug die Schweigepflicht brechen, doch ist der Begriff rechtlich nicht genau definiert." Der Gesetzgeber arbeite an einer genaueren Definition. Eine Absage erteilt dem Vorstoß der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery. Eine generelle Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht sei nicht sinnvoll. Vielmehr müssten die Airlines und das LBA dafür Sorge tragen, dass Piloten regelmäßig flugmedizinisch untersucht würden.

KEIN ÄRZTE-HOPPING MEHR



Komplett überarbeitet wird nun die Speicherung der flugmedizinischen Daten von Piloten. Die sollen wieder zentral und mit Klarnamen erfasst werden, nachdem L. viele Ärzte aufsuchte, ohne dass die Aufsichtsbehörden davon erfuhren. Das war nach Aussagen von Flugmedizinerin Irene Hufnagel nicht immer so. "Früher mussten Piloten bei der Einstellung einwilligen, dass ihre medizinischen Daten elektronisch beim LBA gespeichert werden." Seit dem Einspruch von Datenschützern mussten alle Angaben anonymisiert werden. Zudem wurde die Speicherung abgeschafft, stattdessen mussten Flugärzte viele Bögen Papier ausfüllen. Die EU-Kommission hatte die Braunschweiger Behörde deshalb bereits vor dem Absturz gerügt. In Berlin wird derzeit in Gesetz vorangetrieben, dass eine neue Datenbank vorschreibt. Ebenfalls geplant ist ein weiteres Gesetz für unangekündigte Drogentests bei Flugzeugführern. Hintergrund ist, dass L. am Tag des Unglücksflugs einige starke Medikamente genommen hatte. "Der Vorstoß soll lediglich die Allgemeinheit beruhigen", sagt Hufnagel. Es gebe Substanzen wie Crystal Meth, die sich durch einen einfachen Urintest nicht nachweisen ließen. "Bei Piloten sind nicht illegale Drogen das Problem, sondern Alkohol."

ABKEHR VON ZWEI-PERSONENREGEL



Bald wieder fallen könnte hingegen die Vorschrift, nach der sich in der Flugzeugkanzel immer mindestens zwei Personen aufhalten müssen. Derzeit müssen Flugbegleiter einem Piloten Gesellschaft leisten, falls der andere das Cockpit verlässt. Kurz nach dem Absturz der Germanwings-Maschine vor einem Jahr eingeführt, findet die Regel kaum noch Befürworter. "Unsere Experten haben große Zweifel, ob dadurch die Sicherheit steigt oder neue Risiken geschaffen werden", sagt Lufthansa-Chef Spohr. Nach dem Unglück habe man schnell reagieren müssen, doch nun brächten Schnellschüsse nichts. Gegen die Regel spricht sich auch Anne Stuck aus, Flugbegleiterin bei der Lufthansa-Tochter Cityline: "Beim Wechsel ins Cockpit ist die Tür länger offen." Personen aus der Kabine werde es so einfacher gemacht, ins Cockpit einzudringen.

Reuters