Am Donnerstag gab Lufthansa die Geschäftszahlen zum abgelaufenen Jahr 2021 bekannt. Analysten hatten mit der Prognose einer Rückkehr zu schwarzen Zahlen nach zwei Jahren milliardenhoher Verluste gerechnet. Doch diese blieb aus. Nachdem zwar die Corona-Krise einen Großteil ihres Schreckens für die Fluggesellschaft verloren hat, sorgt nun der Krieg Russlands gegen die Ukraine für neue Unsicherheit. Grundsätzlich erwarte die Airline-Gruppe "ein starkes Reisejahr" mit einer Sommerkapazität in Europa fast auf Vorkrisenniveau. Eine optimistische Prognose gab es trotzdem nicht: "Große Ungewissheiten hinsichtlich der dramatischen Entwicklungen in der Ukraine und der wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen des Konflikts sowie verbleibende Unsicherheiten bezüglich des Pandemieverlaufs lassen einen detaillierten Finanzausblick momentan nicht zu", erklärte der MDax-Konzern am Donnerstag. Der Vorstand stellte lediglich mehr Umsatz und eine weitere Verbesserung des bereinigten operativen Ergebnisses in Aussicht - dies könnte auch auf einen weiteren Jahresverlust hinauslaufen.
Zu den direkten finanziellen Folgen des Ukraine-Kriegs äußerte sich die Lufthansa zunächst nicht. Wegen Wladimir Putins Angriff hat der Konzern knapp 90 Verbindungen pro Woche in die Russische Föderation und in die Ukraine streichen müssen. Zudem zwingt die russische Luftraumsperre die Fernost-Maschinen nach China, Japan und Korea auf längere Ersatzrouten im Süden. Das führt zu höheren Kosten. Da Passagierflüge nach China oder Japan aber wegen der Pandemie noch immer kaum stattfinden, dürften sich die finanziellen Folgen in Grenzen halten. Der bislang für Sommer erwartete Aufschwung bei Asien-Flügen könnte sich verzögern.
Lufthansa Technik reagiert auf Sanktionen des Westens gegen Russland
Außerdem reagierte die Techniktochter der Lufthansa auf die Sanktionen des Westens, die nach der Invasion in der Ukraine gegen die Luftfahrt Russlands verhängt wurden und die Branche international isolieren. Nach den Sanktionen dürfen keine Flugzeuge mehr nach Russland verkauft oder vermietet werden, auch Ersatzteile dürfen nicht mehr geliefert werden. Lufthansa Technik habe daraufhin sämtliche Serviceleistungen für Kunden in Russland gestoppt, sagte ein Sprecher. Damit seien die Dienstleistungen, vor allem hinsichtlich Komponenten und Triebwerken, für etwa 400 Flugzeuge eingestellt. Eine extra eingerichtete Task Force beschäftige sich damit, die Sanktionen vollständig umzusetzen. Auch Airbus und Boeing stellten als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine und die westlichen Sanktionen ihre Lieferungen an russische Fluggesellschaften ein.
Über die Jahreszahlen
Im Gesamtjahr konnte Lufthansa einige Verluste reduzieren: Das Unternehmen schrieb zwar auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie tiefrote Zahlen, verringerte den Verlust aber deutlich. Operativ fiel 2021 ein Minus von 2,3 Milliarden Euro an nach 5,5 Milliarden Euro im Vorjahr, als die Corona-Pandemie ausgebrochen war. Die Lufthansa schnitt damit so ab wie am Markt erwartet. Mehrere Covid-Krankheitswellen weltweit bremsten die Nachfrage, da die Regierungen mit harten Quarantänepflichten und anderen Auflagen die Ausbreitung des Virus bekämpften.
Die Fracht-Tochter Lufthansa-Cargo verzeichnete einen Rekordgewinn von 1,5 Milliarden. Knappes Angebot und hohe Nachfrage nach Luftfracht ermöglichten einen starken Preisanstieg. Lufthansa Technik und das Catering machten ebenfalls Gewinn. Beide Töchter stehen auf der Verkaufsliste: Das Catering soll ebenso wie der Finanzdienstleister Airplus ganz abgestoßen werden. Von Lufthansa Technik soll ein Teil verkauft oder an die Börse gebracht werden, aber erst im kommenden Jahr.
Den Nettoverlust konnte die Airline-Gruppe um zwei Drittel auf 2,2 Milliarden Euro senken. Der Umsatz lag mit 16,8 Milliarden Euro zwar ein Viertel höher als 2020, blieb aber immer noch weit hinter den 36,4 Milliarden aus der Zeit vor der Krise zurück. Die Passagierzahl stieg um 29 Prozent auf 47 Millionen - vor der Corona-Krise waren es mehr als 140 Millionen. In der Corona-Krise trennte sich die Lufthansa überdies von 30.000 Beschäftigten, ohne dass es in Deutschland zu betriebsbedingten Kündigungen kam. Ende letzten Jahres hatte der Konzern weltweit noch 105.000 Mitarbeitende. Die Personalkosten seien strukturell um zehn Prozent gesenkt worden. Bis 2024 sollen sie um 15 bis 20 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen.
Außerdem stimmt der Lufthansa-Konzern seine Kunden auf steigende Ticketpreise ein. Wichtige Treiber seien der Ölpreis sowie steigende Gebühren an Flughäfen und bei den Flugsicherungen, sagte Finanzvorstand Remco Steenbergen am Donnerstag bei der Bilanzvorlage des Konzerns in Frankfurt. Man rechne aber damit, dass Konkurrenten stärker getroffen würden als die Lufthansa.
Staatshilfen wurden zurückgezahlt
Deutschland, Österreich, Belgien und die Schweiz hatten die Lufthansa im ersten Corona-Jahr mit milliardenschweren Staatshilfen vor dem wirtschaftlichen Aus gerettet. Die deutschen Staatshilfen hat der Konzern inzwischen zurückgezahlt. Der Bund ist aber über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds noch mit gut 14 Prozent an dem Konzern beteiligt.
Einschätzung zur Lufthansa-Aktie
Anleger quittierten die Nachrichten zu Lufthansa am Donnerstagmorgen mit einem Kursrutsch: Kurz nach Handelsstart in Frankfurt verlor die Lufthansa-Aktie 4,3 Prozent auf 6,33 Euro. Bis zum Mittag rutschte das Papier sogar auf 6,13 Euro ab und notierte damit 8,22 Prozent schwächer. Seit dem Jahreswechsel musste die Aktie damit fast neun Prozent abgeben. Mitte Februar war der Kurs bis auf gut 7,90 Euro gestiegen. Seitdem war es im Zuge der Börsenturbulenzen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine deutlich abwärts gegangen.
DZ-Bank-Analyst Dirk Schlamp wies in einer ersten Reaktion auf das Zahlenwerk der Lufthansa darauf hin, dass sich der stark steigende Ölpreis und geopolitische Risiken auf die Nachfrage auswirken können.
Eine Gewinnprognose traute sich das Management wegen der Unsicherheit über die Folgen der Ukraine-Krise nicht zu. Wir bleiben für das Papier vorerst trotzdem positiv gestimmt. Die Nachfrage für touristische Strecken ist da und die Staatshilfen konnte Lufthansa mittlerweile mit einer Kapitalerhöhung und Anleiheemission zurückzahlen. Vorerst bleiben wir bei unserer Kauf-Empfehlung.
iw/rtr/dpa-AFX