Die Lufthansa-Passagiere haben den Schock des Germanwings-Absturzes im März schnell überwunden. "Bei Germanwings haben sich die Buchungseingänge bereits wenige Tage nach dem Unglück normalisiert", sagte Lufthansa-Finanzchefin Simone Menne am Dienstag. "Die Vorausbuchungen bei Lufthansa waren so gut wie gar nicht von dem Unglück betroffen." Insgesamt hätten die Streiks der Piloten mehr Gäste von einem Flug abgehalten als der Absturz, sagte sie.

Am 24. März war ein Airbus von Germanwings mit 150 Menschen an Bord über den französischen Alpen in einen Berg geflogen. Nach Ansicht der Ermittler steuerte der Copilot die Maschine absichtlich gegen eine Felswand. Die Katastrophe, die den auf seine hohen Sicherheitsstandards stolzen Konzern tief erschüttert, bringt zumindest die Finanzen der Lufthansa nicht in Schieflage. Für die Bilanz seien keine Konsequenzen aus dem Unglück für den Konzern erkennbar, sagte Menne. "Wir sind durch die Versicherung abgedeckt, auch bei Klagen von Angehörigen - sollten die denn kommen." Derzeit gebe es keine Erkenntnisse, ob es etwa zu Sammelklagen kommen werde, sagte sie.

Ausschlaggebend ist nach Aussagen von Anwälten vor allem die Staatsbürgerschaft der Opfer und damit die Regelungen, die in ihrem jeweiligen Heimatland gelten. So dürften Hinterbliebene von US-Opfern im Klagefall mit zwei Millionen rechnen, weil die Trauer und der Schmerz der Verwandten im US-Recht ein starkes Gewicht haben. An Bord der Maschine waren drei US-Amerikaner. Insgesamt kommen auf die Versicherer der Lufthansa wegen des Unfalls voraussichtlich Kosten von 300 Millionen Dollar zu.

Das gleiche Schicksal wie der einst größten US-Airline Pan Am, die sich nach einem Bombenanschlag 1988 nie mehr erholte, beleibt der Lufthansa aus heutiger Sicht erspart. Pan Am war ein in aller Welt bekanntes Aushängeschild der USA, als einer ihrer Jumbojets nach einem Terroranschlag über dem schottischen Dorf Lockerbie abstürzte.

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WENIGER VERLUST IN DER NEBENSAISON

Trotz des Germanwings-Absturzes dämmte die Lufthansa das saisonübliche Minus im Jahresauftaktquartal ein. Der Betriebsverlust schrumpfte in den ersten drei Monaten 167 Millionen Euro nach einem Fehlbetrag von 240 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Insbesondere Swiss, Lufthansa Cargo und Lufthansa Passage entwickelten sich positiv. Der Umsatz zog um acht Prozent auf knapp sieben Milliarden Euro an. Im Gesamtjahr strebt der Vorstand weiterhin einen Betriebsgewinn von mehr als 1,5 Milliarden Euro an. Aufgrund der Geschäftsentwicklung der letzten Wochen sei es aber unwahrscheinlich, die Prognose deutlich zu übertreffen. Die Kosten für den Konzernumbau und Streiks sind in der Prognose nicht mitgerechnet. Allein letztere dürften sich im ersten Halbjahr auf 100 Millionen Euro summieren. Neuigkeiten im Tarifkonflikt mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit gebe es nicht, sagte Menne. Die Antwort auf eine von der Lufthansa vorige Woche angebotene Schlichtung aller Tarifthemen stehe noch aus.

Bewegung gab es hingegen in einer wichtigen Personalie: Die sanierungsbedürftige Tochter Austrian wird ab August von Kay Kratky geleitet. Der Pilot ist derzeit noch im Lufthansa-Passagiergeschäft für das Drehkreuz Frankfurt verantwortlich. Reuters hatte zuvor über den anstehenden Wechsel berichtet.

Reuters

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Einschätzung der Redaktion

Das vorgelegte Zahlenwerk der Kranichline kommt nur mäßig bei Anlegern an. Die Lufthansa verringerte ihren operativen Verlust im traditionell schwachen Auftaktquartal und bekräftigte den Jahresausblick. Die Restrukturierung und die Streiks der Piloten sind hierbei nicht berücksichtigt. Der Absturz der Germanwings-Maschine im März hat kaum finanzielle Auswirkungen auf die Fluggesellschaft, da die meisten Schäden versichert sind. Bei den Buchungen war es lediglich bei Germanwings zu einer vorübergehenden Delle gekommen.

Anleger dürfen nicht damit rechnen, dass der Konzern die Jahresprognosen deutlich übertreffen wird. Zudem verteuert sich der Ölpreis wieder. Die Lufthansa hob bereits ihre Treibstoff-Prognose an. Auch aufgrund der negativen charttechnischen Lage drängt sich derzeit kein Einstieg auf. Halteposition mit Kursziel 15,50 Euro. Der Stopp sollte bei 11,90 Euro gesetzt werden.

Florian Westermann