Es gebe wenig Spielraum für eine gütliche Lösung, wenn Lufthansa-Chef Carsten Spohr behaupte, dass der Konzern Pleite gehe, wenn die Piloten die geforderten Lohnerhöhungen erhielten, sagte Jörg Handwerg, Vorstand der Pilotenvereinigung Cockpit, am Freitag in Frankfurt. "So kann man keinen Konflikt lösen." An den vier Streiktagen verpassten deshalb 350.000 Passagiere ihren Flug. Am Freitagabend unternahm die Lufthansa einen neuen Vorstoß zur Lösung des Konfliktes.

Die Fluggesellschaft will die Piloten mit einer "Gesamtlösung" zum Einlenken bewegen. Dabei erhöhte sie ihr Gehaltsangebot: Für 2016 soll es rückwirkend 2,4 Prozent mehr Geld geben, für 2017 weitere 2,0 Prozent, dazu eine Einmalzahlung von 1,8 Monatsgehältern. Der Tarifvertrag soll bis Mitte 2018 laufen. Im Gegenzug fordert die Lufthansa Entgegenkommen bei den Betriebsrenten: Die Piloten sollen sich künftig mit einer Zusage für die Beiträge zur Altersversorgung begnügen, für die spätere Rente will der Konzern nicht mehr einstehen. Damit könnte die Lufthansa Geld sparen, sagte Personalchefin Bettina Volkens.

Die Gespräche mit den Piloten darüber könnten am Dienstag (29. November) aufgenommen werden. Sie erneuerte ihr Angebot, ein Schlichtungsverfahren für alle offenen Tarifverträge einzuleiten, "um die bestehenden Gräben zu überwinden". Das hatte die Pilotengewerkschaft bisher strikt abgelehnt. Zu dem neuen Vorstoß äußerte sie sich zunächst nicht. Cockpit fordert 3,7 Prozent pro Jahr - einschließlich Nachzahlungen für vier Jahre. Die Piloten gehören mit durchschnittlichen jährlichen Gehältern von rund 140.000 Euro zu den Großverdienern im Konzern.

Für die größte deutsche Fluggesellschaft steht mittlerweile wesentlich mehr auf dem Spiel. "Der Name Lufthansa steht für Sicherheit, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit", sagt Fondsmanager Michael Gierse vom Lufthansa-Aktionär Union Investment. "Man muss sich fragen, wie viel von den letzten beiden Werten nach dem Streik noch übrig bleibt." Erstmals hatten die 5400 Piloten die Arbeit im April 2014 ruhen lassen. Seitdem legten sie den 120.000 Mitarbeiter starken Konzern 14 Mal lahm.

EXPERTIN FÜRCHTET BUCHUNGSEINBRUCH



Die Eskalation des Clinches mit den Piloten gefährdet eines der zentralen Vorhaben von Lufthansa-Chef Spohr. Er hatte zu seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren versprochen, die von zahlreichen Streiks geplagte Airline wieder in ruhiges Fahrwasser zu steuern. "Die Investoren haben auch darauf vertraut", sagte Analystin Ruxandra Haradau-Döser vom Broker Kepler Cheuvreux. Wenn Spohr einknickt, würde er das Vertrauen der Investoren verspielen. Der gelernte Pilot hatte bei der Lufthansa ein schwieriges Erbe angetreten. Seine Vorgänger hatten über ein Jahrzehnt Extrawünsche von Arbeitnehmern erfüllt, um Ausstände zu vermeiden. Cockpit wurde zugesichert, dass die eigene Billig-Airline Eurowings nicht größer werden dürfe als 23 Flugzeuge. Der 49-jährige muss nun all die lang verschleppten Probleme gleichzeitig angehen.

Die Lufthansa veranschlagt die Einbußen eines Streiktags auf der Kurz- und Langstrecke auf zehn Millionen Euro. Es bestehe die Gefahr, dass Passagiere während des Ausstands andere Airlines kennenlernten und dann dort blieben, sagte Haradau-Döser. "Dieser Schaden könnte wesentlich größer sein als die direkten Einbußen für die Lufthansa." Lufthansa-Vorstand Harry Hohmeister erklärte, die mittelfristigen Buchungszahlen zeigten bereits nach unten.

rtr