Denn damit würde sich das Kostenproblem der Lufthansa nur noch verschärfen.

Sollte sich die Lufthansa hingegen die Teile von Air Berlin herauspicken können, die sie haben will, und damit ihren Anteil am deutschen Markt zu ihren Konditionen erhöhen, so könne das "ein sehr attraktiver Deal" werden, schätzt der Analyst. Er rechnet auch mit diesem Szenario, denn sowohl der Lufthansa als auch der Bundesregierung sei sehr daran gelegen, dass eine Übereinkunft zustande kommt. Ein Deal, mit dem sich einerseits die Lufthansa gegen die Expansion der Billigflieger in Deutschland wehren könne und an dem andererseits der Bund aus politischen Gründen interessiert sei - und als Geldgeber mittlerweile auch aus finanziellen Aspekten.

Sollte ein Abkommen hingegen scheitern und Air Berlin zusammenbrechen, stünde die Lufthansa vor einer plötzlichen und großen Angebotslücke auf dem deutschen Flugmarkt. Diese entstünde "genau zu dem Zeitpunkt, zu dem Ryanair ihre ambitionierten Expansionspläne vorantreibt", schrieb Roeska. Auf die Frage, ob letztlich dieses Szenario oder aber die Übernahme der kompletten Air Berlin mit allen Belastungen das größere Übel für die Lufthansa wäre, urteilte Roeska: "Wir sind nicht sicher, welches Szenario uns weniger gefällt."

Mittelfristig wertete Daniil Fedorov von Goldman Sachs sowohl die Lufthansa als auch Ryanair als Profiteure eines Marktaustritts von Air Berlin. Denn bei dem Sitzplatzangebot dieser beiden Fluggesellschaften spiele der deutsche Markt die stärkste Rolle. Bei der Lufthansa entfielen 39 Prozent und bei Ryanair 7 Prozent auf den deutschen Markt. "Und sie haben die größten Überlappungen mit Air Berlin auf den Flugrouten", ergänzte der Analyst.

An den Börsen reagierten die Aktien von Lufthansa und Ryanair am Dienstag mit kräftigen Kursgewinnen auf den Insolvenzantrag von Air Berlin und bauten diese am Mittwoch noch aus.

Gerald Koo vom Analysehaus Liberum betonte dagegen die Risiken für die Lufthansa. Air Berlin habe mit ihrem Anteil am deutschen Flugmarkt für die Lufthansa lange Zeit wie ein "Abschirmschild" gegen den Markteintritt anderer Billigflieger gewirkt. Die nun frei werdenden Kapazitäten werde sich die Lufthansa sichern müssen, indem sie Flugzeuge und Personal von Air Berlin kauft. "Wir sehen hier Risiken mit Blick auf die Kosten", schrieb der Experte. Wenn die Lufthansa überhaupt Erträge aus einer Übernahme des Geschäfts von Air Berlin erzielen wolle, müsse sie also die nicht wettbewerbsfähigen Kosten der letztlich gescheiterten Airline senken.

Wettbewerbsrechtliche Bedenken könnten angesichts der Alternative eines Totalausfalls von Air Berlin bei einem Deal in den Hintergrund rücken, vermutet Koo. "Die Bundesregierung scheint jedenfalls unterstützend zu wirken."

LBBW: EUROWINGS PROFITIERT WENIGER VON AIR-BERLIN-PLEITE ALS ANDERE



Die LBBW sieht nach der Insolvenz der Air Berlin vor allem die Billigfluggesellschaften Ryanair und Easyjet als die größten Gewinner der neuen Situation im deutschen Luftverkehr.

Ihrem Ausbau des Marktanteils dürfte nur noch die Lufthansa-Billigflugtochter Eurowings im Weg stehen, schrieb Analyst Per-Ola Hellgren in einer Studie vom Mittwoch. Eurowings zählt Hellgren ebenfalls zu den Gewinnern, gleichzeitig aber auch zu den Verlierern.

Denn einerseits werde Eurowings nun schneller expandieren können als ursprünglich geplant, andererseits aber werde sich der Wettbewerb durch die entstandene Marktlücke intensivieren. Letzteres dürfte geschehen, bevor Eurowings die Stückkosten ausreichend reduzieren könne, um mit Ryanair und EasyJet dauerhaft wettbewerbsfähig zu werden. Für die Muttergesellschaft Lufthansa dürfte sich zudem laut Hellgren die Kannibalisierung des klassischen Airline-Betriebs durch die weniger rentable Billigflugtochter beschleunigen.

Der Experte rechnet bei der Lufthansa-Anleihe weiterhin mit einer hohen Volatilität der Spreads, da die mittelfristige Ertragslage der Fluggesellschaft unsicher bleibe.

MORGAN STANLEY: AIR-BERLIN-INSOLVENZ NUTZT LUFTHANSA UND BILLIGFLIEGERN



Laut der US-Investmentbank Morgan Stanley könnten die Lufthansa sowie Ryanair und Easyjet von einer möglichen Teilübernahme des insolventen Konkurrenten Air Berlin profitieren. Analystin Penelope Butcher verwies in einer Studie vom Mittwoch auf Streckenüberlappungen der genannten Fluggesellschaften von den verbliebenen Air-Berlin-Standorten aus.

Bei Inlandsflügen wären ihrer Einschätzung nach die Lufthansa und ihre Tochter Eurowings im Vorteil. Sie könnten den größten Nutzen aus weiteren Umstrukturierungen der vorhandenen Air-Berlin-Kapazitäten bei innerdeutschen Städteverbindungen ziehen. Den Billigfliegern Ryanair und Easyjet böten die bestehenden Streckenüberlappungen von Berlin, Düsseldorf und Köln zu spanischen Ferienorten aber ebenfalls gute Möglichkeiten.

dpa-AFX