"Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer", erklärte Gierse für die Investmentgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken in seinem Redebeitrag für die Hauptversammlung am Dienstag. Diese wird wegen der Pandemie über das Internet abgehalten. "Das Vornehmste, was der Staat tun kann, ist sich zurückzuhalten", sagte auch Marc Tüngler, Chef der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Dass die Regierung den Dax-Konzern mit öffentlichem Geld vor der Insolvenz in der Coronavirus-Krise bewahren will, begrüßten die Anleger-Vertreter. Im Gespräch ist ein Hilfspaket über bis zu zehn Milliarden Euro mit staatlich verbürgten Krediten aber auch Eigenkapital über eine stille Beteiligung und ein 25-prozentiges Aktienpaket, also eine Sperrminorität. Nach einem Bericht des "Spiegel" soll der Staat zwei Aufsichtsratsposten bekommen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat nach Staatshilfe gerufen, will sich von Politikern aber nicht ins Geschäft hineinreden lassen. "Jetzt brauchen wir staatliche Unterstützung. Aber wir brauchen keine staatliche Geschäftsführung", will Spohr am Dienstag laut Redetext sagen.
EXIT-PLAN ZUM STAATSEINSTIEG
Union Investment warnte davor, dass der durch die globale Luftfahrtkrise erzwungene Schrumpfkurs der Lufthansa, den Spohr schon angekündigt hat, von Politikern im Aufsichtsrat gebremst werden könne. Airlines mit Staatseinfluss wie Alitalia oder die Lufthansa selbst zu ihren Zeiten als Staatsairline seien schlecht gemanagt gewesen, pflichtete Andreas Schmidt von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) bei. Die Lufthansa-Spitze habe vor der Corona-Krise das Unternehmen gut geführt. "Ich habe großes Vertrauen, dass sie es auch nachher gut machen."
SdK und DSW sprachen sich dafür aus, allen Aktionären bei einer Kapitalerhöhung, die für eine direkte Beteiligung des Staates am Aktienkapital notwendig wäre, ein Bezugsrecht zu geben. Als Lehre aus der Rettung der Commerzbank in der Finanzkrise sei es wichtig, beim Einstieg des Staates auch einen Zeitplan zum Ausstieg festzulegen, forderte DSW-Chef Tüngler. "Wir brauchen einen Exit-Plan mit Meilensteinen." Länger als fünf Jahre solle der Staat kein Aktionär bleiben. An der Commerzbank ist der Staat mehr als zehn Jahre nach der Finanzkrise immer noch beteiligt.
Mit Blick auf die Strategie für einen Neustart nach der Krise, durch die der Passagierluftverkehr der Airline-Gruppe nahezu vollständig zum Erliegen kam, halten die Aktionärsvertreter es für keine gute Idee, zu stark auf Privatreisen umzuschwenken. Lufthansa-Chef Spohr geht davon aus, dass Geschäftsflüge in der profitablen Business Class - die Cash-Cow der Lufthansa - sich vom Corona-Schock nicht mehr erholen werden. Spohr will daher stärker auf die Nachfrage von Urlaubern setzen. Die Lufthansa-Manager müssten den Fokus auf die Profitabilität legen und sich auf das Premium-Produkt konzentrieren, "nicht auf die Billigableger", forderte Union-Fondsmanager Gierse. Gemeint ist damit die Tochter Eurowings, die im Preiskampf mit Ryanair oder Easyjet schon vor der Coronakrise Verlust machte. Der Konkurrenzkampf werde hier noch härter, weil alle Airlines künftig auf die günstigeren Economy-Klasse-Kunden setzten, warnte auch SdK-Mann Schmidt.
rtr