Der Konzern wolle mit den Regierungen der Heimatländer seiner Fluglinien - außer Deutschland etwa die Schweiz oder Österreich - auch über "aktive Unterstützung" sprechen, sobald diese notwendig wäre. Staatlich verbürgte Kredite gehörten zu möglichen Optionen, seien aber nicht beantragt, hieß es dazu in Unternehmenskreisen.

Spohr werde am Abend an einem Krisentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften in Berlin teilnehmen, sagte ein Insider. In seiner Ansprache an die Beschäftigten, von denen Tausende demnächst in Kurzarbeit gehen könnten, beschrieb Spohr, wie stark der Betrieb bei der umsatzstärksten europäischen Fluggesellschaft schon leidet: Täglich gebe es bei den Lufthansa-Airlines mehr Stornierungen als Buchungen. Die Lage verschärfe sich noch durch Einreisebeschränkungen wie zuletzt am wichtigen Markt USA. Statt 70 Flüge täglich könne die Lufthansa dorthin nur noch vier anbieten.

"Ab den nächsten Tagen werden mindestens zwei Drittel unserer fast 800 Flugzeuge am Boden stehen", sagte Spohr. In dieser Woche hatte die Lufthansa angekündigt, das Flugangebot um bis zu 50 Prozent zu reduzieren. Da die Auswirkungen der Pandemie auf die Weltwirtschaft noch nicht absehbar seien, prüfe die Lufthansa weitere Krisenmaßnahmen für ihre Knotenpunkte Frankfurt, München, Wien und Zürich, erklärte Spohr. "Dazu gehören auch potenzielle temporäre Schließungen von Flugbetrieben oder einzelner Hubs", ergänzte er.

"BAZOOKA" AN HILFE FÜR UNTERNEHMEN


Die Fluggesellschaften leiden besonders stark unter dem Corona-Schock für die Wirtschaft. Mit massiven Ausfällen von Flügen nach Asien, innerhalb Europas und ab dem Wochenende auch in die Vereinigten Staaten bricht ihnen immer mehr Geschäft weg. Die Lufthansa stemmt sich gegen die größte Krise in der Geschichte der Luftfahrt bereits mit Kostensenkungen, vor allem beim Personal. Für die Flugbegleiter in Frankfurt und München wurde jetzt Kurzarbeit beantragt, für Mitarbeiter am Boden wird das einer Sprecherin zufolge noch geprüft.

Die Bundesregierung reagiert auf die Corona-Krise mit einer beispiellosen Hilfszusage für die Wirtschaft. Von der Pandemie betroffene Unternehmen sollen Steuerstundungen und leichteren Zugang zu staatlich Krediten der Förderbank KfW bekommen. Auch Bürgschaften würden ausgeweitet. Finanzminister Olaf Scholz sprach von einer "Bazooka" im Kampf gegen eine schwere Wirtschaftskrise. "Wir legen gleich alle Waffen auf den Tisch", auch wenn dies am Ende zig Milliarden koste.

Die Bundesregierung und die Europäische Union ändern im Eiltempo bereits Gesetze, die der Luftfahrt helfen sollen. So soll die Verpflichtung, wonach ungenutzte Start- und Landerechte verfallen, abgemildert werden. Die Airlines wären sonst gezwungen, fast leere Flugzeug abheben zu lassen.

Darüber hinaus fordert die Luftfahrt Erleichterungen bei Steuern und Gebühren. So soll der Staat vorübergehend die Luftsicherheitsgebühren übernehmen, die etwa für polizeiliche Sicherheitskontrollen anfallen, forderte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Zudem könne eine Stundung von Steuerzahlungen die Liquidität der Unternehmen stützen. Die aktuelle Abwärtsentwicklung sei schlimmer als alle bisherigen Schocks wie die Terroranschläge vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise 2008, erklärte BDL-Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow.

Die europäischen Airlines fordern außerdem, dass die Verordnung zu Fluggastrechten in der EU kurzfristig geändert wird. Sie wollen, dass die Corona-Epidemie generell als außergewöhnlicher Umstand gilt und damit die Kunden keinen Anspruch hätten, neben Flugpreiserstattungen noch Entschädigungszahlungen zu fordern. Die Lufthansa und Easyjet kündigten gebührenfreie Umbuchungsmöglichkeiten an.

Verbraucherschützer, die auf Fluggastrechte spezialisiert sind, halten die Einstufung von Corona als außergewöhnlichen Umstand nicht für berechtigt. "Streiks oder Epidemien sind keine Freibriefe, mit denen Airlines Passagiere pauschal abwimmeln können", erklärte das Portal "Flightright". Die Airlines annullierten viele Flüge nicht wegen behördlicher Anordnungen oder zum Gesundheitsschutz, sondern wegen der schwachen Auslastung der Flüge und damit aus wirtschaftlichen Gründen. Die deutliche Mehrheit der knapp 7600 Flugausfälle in Europa von Mitte Februar bis Anfang März seien aber keine direkte Folge der Pandemie gewesen. Für verpasste Geschäftstermine oder vermasselten Urlaub stünden Kunden daher bis zu 600 Euro Entschädigung zu.

rtr