Einem Sprecher zufolge werden insgesamt rund 60 Flieger der rund 760 Maschinen großen Konzernflotte dauerhaft aus dem Verkehr gezogen, überwiegend Langstreckenflugzeuge. Der Flugbetrieb der Tochter Germanwings, die noch im Auftrag der Konzernschwester Eurowings flog, wird eingestellt. Deren 1400 Mitarbeiter und 30 Flugzeuge bleiben vorerst an Bord. Gekündigt werden Mietverträge über mehr als 30 Flugzeuge samt ihrer Crews bei kleineren Airlines. Mit diesem "ersten" Restrukturierungspaket will der Dax-Konzern sein Überleben in der schlimmsten Luftfahrtkrise der Nachkriegszeit sichern. Dafür wird auch staatliche Hilfe über Kredite und eine Beteiligung notwendig sein.
Die Bundesregierung kämpfe mit einem "Riesenaufwand" darum, die notwendige Infrastruktur im Luftverkehr über die Corona-Pandemie mit ihrem nahezu vollständigen Erliegen des Flugverkehrs zu retten, erklärte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in München. Dort nahm er zusammen mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr eine Luftfracht-Lieferung Atemschutzmasken aus China in Empfang. Es gelte zu verhindern, dass die deutsche Luftverkehrswirtschaft vom Markt verschwinde, sagte Scheuer. Spohr äußerte sich nicht zur Lufthansa-Verkleinerung, die er schon Mitte März angekündigt hatte. Scheuer erklärte, Spohr habe ihm zugesichert, Lösungen für die Mitarbeiter bei der "notwendigen Anpassung" mit den Sozialpartnern finden zu wollen.
Der Vorstand erwarte keine schnelle Rückkehr der Luftfahrt auf das Niveau vor der Krise, hieß es zur Begründung des "ersten" Restrukturierungspakets. Es werde "Monate dauern, bis die globalen Reisebeschränkungen vollständig aufgehoben sind und Jahre, bis die weltweite Nachfrage nach Flugreisen wieder dem Vorkrisen-Niveau entspricht." Von allen großen Fluggesellschaften habe die Lufthansa als erste den Flugplan zusammengestrichen, dann am schnellsten einen Großteil der Flotte am Boden gelassen und presche jetzt mit der dauerhaften Verkleinerung voran, erklärte Daniel Röska, Analyst von Bernstein Research. "Das Unternehmen meint es ernst, künftig rund 20 Prozent kleiner zu sein."
PILOTENGEWERKSCHAFT EMPÖRT
Die Gewerkschaften reagierten unterschiedlich. Sie hatten vereint zuletzt gegen befürchtete Entlassungen bei Germanwings gekämpft. Dass die in Eurowings aufgehen sollte, war schon seit Mitte letzten Jahres klar. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit verurteilte das Vorgehen des Managements scharf. Die Umstrukturierung des Konzerns werde auf dem Rücken der Mitarbeiter vorangetrieben, erklärte VC-Präsident Markus Wahl. "Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Krise zur dauerhaften Absenkung der Tarife genutzt werden soll." Die Flugbegleitergewerkschaft UFO wertete es als gutes Zeichen, dass Lufthansa bei Germanwings nicht wie befürchtet Fakten mit Kündigungen geschaffen habe. Da die Lufthansa ankündigte, mit den Sozialpartnern verhandeln zu wollen, ließen sich Lösungen über Abfindungen und Teilzeit finden, sagte Nicoley Baublies, UFO-Verhandlungsführer bei Germanwings. Ohnehin gebe es in der Kabine jährlich rund acht Prozent an Personalabgängen.
Zuletzt waren allenfalls noch fünf Prozent der Passagierflüge der Lufthansa-Airlines unterwegs, vornehmlich mit Sonderflügen zur Heimkehr gestrandeter Deutscher im Ausland. Spohr hatte angekündigt, die Bundesregierung wie auch die Heimatländer der Töchter Austrian und Brussels Airlines sowie Swiss - Österreich, Belgien und die Schweiz - um Hilfe zu bitten. Insidern zufolge ist in Deutschland ein umfangreiches Finanzierungspaket mit Anleihen und Aktienemissionen geplant, das um staatlich verbürgten Kredit und auch um eine Staatsbeteiligung ergänzt werden soll.
Vor der Verschärfung der Corona-Krise Mitte März hatte die Lufthansa ein veritables Liquiditätspolster von rund fünf Milliarden Euro. Doch seither kommen nahezu keine Einnahmen mehr herein, zugleich fließen hohe Summen in die Rückerstattung von Flugtickets. Branchenkenner schätzen die ausstehenden Forderungen auf drei Milliarden Euro. Die Personalkosten wurden bereits reduziert, indem mehr als 90.000 der zuletzt rund 138.000 Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt wurden. Wie viele Mitarbeiter das Unternehmen verlassen werden, ist noch nicht absehbar. Der internationale Airline-Verband IATA warnte zuletzt, in der Luftfahrt wären in der beispiellosen Krise 25 Millionen Jobs weltweit gefährdet. Viele Airlines könnten ohne staatliche Hilfe nicht überleben.
ALLE KONZERNMARKEN LASSEN FEDERN
Im einzelnen werden bei der Kernmarke Lufthansa 18 Langstreckenflugzeuge, darunter sechs Superjumbos vom Typ Airbus A380, für immer stillgelegt. Diese hätten sowieso an Airbus zurückverkauft werden sollen. Insgesamt hatte die Gruppe 14 Exemplare des größten Passagierflugzeugs der Welt im Einsatz. Auch elf A320-Kurzstreckenflugzeuge mit dem Kranich-Logo stößt die Lufthansa ab. "Mit diesem Schritt reduziert Lufthansa ihre Kapazitäten an ihren Drehkreuzen Frankfurt und München." Damit treffen die Einschnitte auch die beiden großen deutschen Flughäfen spürbar. Die Regionalfluglinie Lufthansa Cityline werde drei Maschinen aus dem Betrieb nehmen. Die Billigtochter Eurowings müsse zehn Kurzstreckenflieger ausflotten. Auch das Eurowings-Langstreckengeschäft soll schrumpfen. Bei den schon länger schwächelnden Töchtern AUA und Brussels sollen bis zu 15 Maschinen verschwinden. Swiss soll ältere Flugzeuge schneller ausmustern. Auch die Flugzeugbauer Airbus und Boeing, bei denen Lufthansa noch eine Bestellung über rund 100 Flugzeuge offen hat, zittern schon. Bisher sei "noch" nichts storniert, sagte ein Sprecher.
rtr