Der neue Lufthansa-Großaktionär Klaus-Michael Kühne macht bei der Airline Druck: Inzwischen hat der 84-jährige Milliardär seine Beteiligung an der größten deutschen Fluggesellschaft auf mehr als zehn Prozent erhöht und strebt auch einen Posten im Aufsichtsrat an. Kühne ist unter anderem mit 30 Prozent an der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd beteiligt (derzeitiger Börsenwert: 78 Milliarden Euro). Hapag-Lloyd-Vize-Chairman Karl Gernandt, der als Vertrauter Kühnes gilt und für ihn spricht, kündigte Kühnes Ambitionen für das Lufthansa-Kontrollgremium jetzt an - sowie eine mögliche weitere Aufstockung seiner Beteiligung.
Reedereien investieren in Luftfracht
Aus allem wird deutlich, dass es Kühne nicht auf das defizitäre Passagiergeschäft der Lufthansa abgesehen haben kann, sondern auf die lukrative Frachttochter Cargo. Damit würde er auch einem globalen Branchentrend folgen: Die großen Reedereien investieren ihre Milliardengewinne in die Luftfracht. So hat die weltweit drittgrößte Reederei, die französische CMA CGM, gerade neun Prozent an der Airline Air France-KLM übernommen, um dort Ankeraktionär zu werden. Marktführer Maersk wiederum hat mit Maersk Air Cargo eine eigene Gesellschaft gegründet. Lediglich Hapag-Lloyd hält sich bislang bedeckt - doch hier könnte jetzt die Lufthansa ins Spiel kommen.
Bei der Lufthansa wiederum stehen Spekulationen zufolge Bereiche vor Teilverkäufen, der Abspaltung oder einem möglichen Börsengang. Das gilt insbesondere für die Wartungstochter Lufthansa Technik, die ihr Ergebnis im ersten Quartal mit 120 Millionen Euro deutlich verbessern konnte. Das ist aber nichts im Vergleich zur Frachttochter Cargo, die von der hohen Nachfrage wegen der weltweit stark gestörten Schiffstransporte profitiert und im ersten Quartal fast 500 Millionen Euro verdiente.
Der derzeitige Hauptaktionär der Lufthansa, der Bund, ist über kurz oder lang auf dem Rückzug aus diesem Engagement. Er ist in der Corona-Krise eingestiegen, um die Airline zu stabilisieren, und hält noch 14 Prozent. Ein baldiger Exit gilt als wahrscheinlich, zumal ein stattlicher Gewinn winkt: Die Aktie notiert heute weit über dem Einstiegskurs.
Kühne wiederum würde allein schon die 2021er Dividende von Hapag-Lloyd reichen, um dem Bund seinen 14-Prozent-Anteil an Lufthansa abzukaufen. Die Reederei schüttete für das vergangene Jahr insgesamt 6,15 Milliarden Euro aus. Davon sind 1,8 Milliarden Euro an Kühne gegangen. Der gesamte Marktwert der Lufthansa beträgt derzeit rund acht Milliarden Euro.
Einschätzung der Redaktion
Die Lufthansa-Aktie hat sich vom Ukraine-Schock erholt, der Sektor fasst wieder Tritt, auch wenn höhere Treibstoffkosten für Unsicherheit sorgen. Der Einstieg von Kühne und seine Pläne mit der Frachttochter Cargo bis hin zu einer Abspaltung könnten der Airline-Aktie zusätzlichen Auftrieb geben. Kaufen
ehr