Das außerordentliche chinesische Wirtschaftswachstum galt über Jahre als gesetzt. Exportunternehmen wie die Hersteller von Luxusgütern, die dort präsent waren, wurden mit starkem Wachstum und Gewinnen entlohnt. Doch nun mehren sich die Zeichen, dass der Boom im Reich der Mitte nachlässt. Luxuskonzerne wie LVMH, Kering oder Hermès, die große Anteile ihres Geschäfts dort machen, sind alarmiert.

Da ist vor allem die Frage, wie es mit dem in Bedrängnis geratenen chinesischen Immobilienriesen Evergrande und dem gesamten Sektor weitergeht. Das ist auch für die Luxusgüterindustrie von großem Interesse. Denn die Immobilienbranche steht für ein gutes Viertel der Wirtschaftsleistung Chinas und bestimmt die Konsumstimmung des Landes entscheidend mit. Viele zahlungskräftige Kunden in China können sich teure Accessoires europäischer Herkunft leisten, weil sie gute Immobiliengeschäfte gemacht haben.

Der Import passt

Auch das gesamtwirtschaftliche Umfeld hat sich eingetrübt. Im zweiten Quartal wuchs die Wirtschaft zwar um 7,9 Prozent, Experten hatten aber mit 8,1 Prozent Plus gerechnet. Steigende Rohstoffpreise, Überflutungen in der Provinz Henan und die wieder aufflackernde Pandemie mit örtlichen Lockdowns bremsten das Wirtschaftswachstum. Mit seinen Außenhandelsdaten zum August und für September aber hat die zweitgrößte Volkswirtschaft selbst Skeptiker wieder positiv überrascht. Der Import legte im September im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gut 18 Prozent zu. Das dürfte in den Konzernzentralen der Edelmarken mit Freude aufgenommen worden sein und gibt einen Fingerzeig für die Geschäftsentwicklung der Unternehmen in Asien im dritten Quartal.

Dennoch ist die Stimmung der Wirtschaft keineswegs überschwänglich, wie der Einkaufsmanagerindex (EMI) zeigt. Er ist im September erstmals seit Beginn der Pandemie unter den Wert von 50 gesunken und deutet damit auf ein Schrumpfen der Industrie hin.

Es gibt eine weitere Frage, die für die Entwicklung Chinas von Bedeutung ist: Welchen Kurs steuert die Regierung in Peking in Zukunft beim Umgang mit Unternehmen? In jüngerer Vergangenheit häuften sich Meldungen über politische Einflussnahme etwa auf die heimische Videospielbranche oder einige der Tech-Giganten des Landes. Für ausländische Investitionen in Chinas Wirtschaft dürfte das kaum förderlich sein.

Für die Luxusbranche läuft es, wie jüngste Daten zeigen, offenbar weiter rund. Der französische Branchenprimus LVMH, der soeben seine Umsatzzahlen für Juli bis September vorgelegt hat, gibt sich insgesamt zuversichtlich. Verglichen mit den ersten neun Monaten des vorangegangen Jahres stieg der Umsatz ohne Einberechnung von Übernahmen um beeindruckende 40 Prozent auf gut 44 Milliarden Euro. Damit schnitt LVMH sogar elf Prozent besser ab als im Vor-Pandemie-Jahr 2019. Die Regionen Asien und Nordamerika wuchsen zweistellig. Vor allem Mode und Lederwaren waren gefragt. Auch auf mittlere Sicht bleibt der Konzern optimistisch und geht davon aus, sein Wachstumstempo beizubehalten.

Antrieb aus Asien

Der asiatische Markt ist für die Luxuskonzerne der größte und China nimmt darin eine herausragende Stellung ein. Kering, mit den Marken Gucci, Saint Laurent und Bottega Veneta, hat im ersten Halbjahr 2021 rund 42 Prozent seines Umsatzes in der Region Asien-Pazifik ohne Japan erzielt - ein Plus von mehr als zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Ein Viertel des Umsatzes kam aus Nordamerika und 20 Prozent aus Westeuropa.

Die Zahlen sind zwar nur eine Momentaufnahme, die durch die langen Lockdownphasen im Frühjahr vor allem in Europa etwas verzerrt sind. Aber auch schon im ersten Halbjahr des Vorkrisenjahres 2019 machte Kering den größten Teil seines Umsatzes von 36 Prozent in Asien, schon damals die am dynamischsten wachsende Region des Konzerns.

Ähnlich verhält es sich beim großen Konkurrenten LVMH. Auch der Branchenführer in Sachen Luxus erwirtschaftet mit seinen mehr als 70 Edelmarken fast 40 Prozent seiner Erträge in Asien. Bei Hermès, dem dritten großen französischen Luxuskonzern, waren es im vergangenen Geschäftsjahr sogar 46 Prozent.

Anleger sollten in den kommenden Tagen und Wochen, wenn die Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal auch der beiden anderen Branchengrößen ansteht, darauf achten, ob und wenn ja, wie die stark steigenden Frachtkosten und Rohstoffpreise sich auf das Geschäft mit Luxus auswirken.

Krisenresistenter Glamour

Keine Frage, ein Einbruch der Konjunktur in China würde auch Spuren in den Bilanzen der Luxuskonzerne hinterlassen. Doch sind die Unternehmen global aufgestellt, und auch in den anderen Regionen geht es abgesehen vom Corona-Rückgang stetig aufwärts. Das böte die Möglichkeit, nachlassende Dynamik in China zumindest teilweise zu kompensieren.

Darüber hinaus reagieren Luxusartikel nicht selten weniger konjunktursensibel als viele andere Produktkategorien. Das hängt damit zusammen, dass die Geldbeutel der kaufkräftigen Klientel während Phasen der Rezession zwar auch schmaler werden, aber immer noch genug übrig bleibt, um auf Luxus nicht verzichten zu müssen.
 


INVESTOR-INFO

LVMH

Standhafte Nummer 1

Der Weltmarktführer ist auf allen wichtigen Märkten präsent, die Produktpalette reicht von Spirituosen über Mode bis Uhren und Schmuck. Die Akquisitionsstrategie ist erfolgreich und das Wachstum in allen Regionen intakt. Laut aktuellen Zahlen für die ersten neun Monate des Jahres zog der Umsatz um gut 40 Prozent an. Auch der Ausblick ist positiv. Die Aktie bleibt ein Kauf.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 750,00 Euro
Stoppkurs: 510,00 Euro

Kering

Gucci zieht an

Der Konzern ist stärker auf Modeartikel fokussiert als Konkurrent LVMH. Vor allem die starke Nachfrage nach Produkten der Marke Gucci haben Kering in den vergangenen Jahren die Kassen gefüllt. Der Umsatz im ersten Halbjahr 2021 war trotz schwierigen Geschäfts in Europa fast wieder auf Vorkrisenniveau. Die Aktie ist günstiger als die des Marktführers, aber schwankungsintensiver.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 780,00 Euro
Stoppkurs: 505,00 Euro