Lieber Herr Präsident der Europäischen Zentralbank,
Ihr Chefvolkswirt wird Ihnen schon oft gesagt haben, dass es der euroländischen Exportwirtschaft nicht wirklich gut geht. Können Sie da nicht ein bisschen nachhelfen? Sie haben doch schon ganz andere Krisen gemeistert, z.B. die Staatsschuldenkrise, die die Euro-Familie fast entzweit hätte. Seit Ihrem Euro-Rettungsversprechen vom 26. Juli 2012, zur Not unbegrenzt Staatspapiere notleidender Euro-Mitgliedsländer aufzukaufen, ist diese Krise besiegt und der Haussegen der Eurozone hängt wieder gerade. Das haben Sie genauso heldenhaft gemacht wie der große Römer Gaius Iulius Caesar: Veni, vidi, vici.
Auf Seite 2: Mach’s noch einmal Mario!
Mach’s noch einmal Mario!
Sie sind der geborene Rettungsengel. Also retten Sie doch bitte weiter! Retten Sie die Euro-Exporteure vor dem harten Euro. Machen Sie das mit dem Euro, was Ihr italienischer Landsmann, Ministerpräsident Renzi, während seiner EU-Ratspräsidentschaft bis Dezember 2014 mit den "deutschen" Stabilitätskriterien vorhat: Wie Steaks platt klopfen! Wenn Sie ehrlich sind, damit würden Sie nur dem Verursacherprinzip gerecht werden, wonach ein entstandener Schaden vom Schadensverursacher selbst zu tragen ist. Das sind Sie! Denn hätten Sie kein ausfallrisikobefreiendes Euro-Rettungsversprechen abgegeben, dann hätten die Euro-ausländischen Investoren auch nicht - als ob Sommer- und Winterschlussverkauf auf einen Tag fallen - so viele Euro-Staatstitel aufgekauft und damit die Gemeinschaftswährung so teuer gemacht. Und reden Sie sich hier nicht mit unbeabsichtigten Kollateralschäden heraus.
Ja, Herr Draghi, natürlich, auch die Bank of Japan hat Schuld. Sie hat japanischen Exporteuren durch eine schamlose Yen-Abwertung gegenüber euroländischen einen dramatischen Vorteil im globalen Exportwettkampf beschert. Seit Ihrem Euro-Rettungsversprechen hat sich z.B. ein japanisches Auto um fast 40 Prozent gegenüber einem aus der Eurozone verbilligt. Das nenne ich einen japanischen Währungsabwertungs-Putsch.
Herr Draghi, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Machen Sie es doch genauso wie die Japaner. Senken Sie doch auch Ihre Zinsen auf null, betreiben Sie doch auch eine an der Sintflut orientierte Liquiditätspolitik und heilen den Euro damit von seiner Stärke.
Auf Seite 3: Haben Sie Angst vor dem Platzen der Euro-Rentenblase?
Haben Sie Angst vor dem Platzen der Euro-Rentenblase?
Ach so, Sie haben Befürchtungen, dass dann eine geldpolitisch betriebene Euro-Abwertung schlafende Hunde weckt, dass Währungsverluste Euro-fremden Anlegern den Spaß an Staatsanleihen der Euro-Peripherie nehmen könnten. Die werden sich ohnehin schon länger die Frage stellen, wie tief die Staatsanleiherenditen von Italien & Co. noch fallen können. So niedrig wie jetzt waren sie seit Euro-Einführung noch nie.
Ich stimme Ihnen zu, dass eine EZB-seitige Euro-Abwertung als Signal für einen Kapitalabzug von Nicht-Euro-Anlegern verstanden werden könnte. Die sitzen immerhin auf ganz fetten Kurs- und Währungsgewinnen. Und Sie wissen ja, wie es zugeht, wenn eine Anlageidee verglüht, siehe Neuer Markt oder Immobilienblase. Der Exit aus der Anlageklasse "Euro-Staatsanleihen" würde im Extremfall nicht ruhig und kontrolliert wie beim lockeren Joggen, sondern hektisch wie beim Sprint Richtung Notausgang ablaufen. Wer dann zu spät kommt, den bestraft der Finanzmarkt doppelt, mit Kurs- und Währungsverlusten.
Bei einer geldpolitischen Euro-Abwertung würden Sie Ruck Zuck vom Schutz- zum Todesengel der Eurozone transformieren. Sie trügen die Verantwortung dafür, dass die Renditen von Staatsanleihen von Euro-Süd wieder mehr mit der Bonitäts-Realität spar- und reformrenitenter Euro-Länder zu tun hätten: Sie würden steigen. Ausgeträumt wären die schlaraffenlandhaften Finanzmarkt-Zeiten, als sich euroländische Finanzminister noch ohne ernsthafte Reform- und Sparbemühungen immer mehr Verschuldung leisten konnten und auch noch mit sinkenden Schuldzinsen belohnt wurden.
Auf Seite 4: Wer A sagt (Rettung verspricht), muss auch B sagen (Rettung halten)
Wer A sagt (Rettung verspricht), muss auch B sagen (Rettung halten)
Herr Draghi, Sie müssen Prioritäten setzen. Wollen Sie wirklich tatenlos zuschauen, wie die Japaner unsere Exportwirtschaft schädigen? Unsere malade Euro-Wirtschaft mit ihren großen sozialen Problemen ist doch für jede Förderung, auch Exportförderung dankbar. Überhaupt, gleichzeitig gehen Sie mit höheren Exportpreisen gegen Deflation vor, ähnlich wie Clerasil gegen Akne.
Dann müssen Sie eben in den sauren Apfel beißen und Ihr Aufkauf-Versprechen vom Juli 2012 halten, damit die Renditen von Staatstiteln unten bleiben. Oder haben Sie etwa Skrupel mit einem geldpolitischen Aufkaufzwang, weil Sie in der Stabilitätstradition der Deutschen Bundesbank stehen, die solche verdeckten Staatsfinanzierungen als Teufelszeug betrachtet. Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.
Auf Seite 5: Herr Dragi, machen Sie sich selbst zum Exportschlager!
Herr Dragi, machen Sie sich selbst zum Exportschlager!
Sicher, sollten Sie tatsächlich Staatspapiere aufkaufen, hätte die EZB auch noch die letzte stabilitätspolitische Unbeflecktheit verloren. Aber mit der kann man in der heutigen Finanzzeit doch ohnehin keinen Blumentopf mehr gewinnen, oder? Überhaupt, wenn Sie aufkaufen, machen Sie nichts anderes als Fed und Bank of Japan. Warum wollen Sie im stabilitätspolitischen Sonntagsanzug auftreten, wenn die anderen als instabilitätspolitische Schmuddelkinder daher kommen? In Japan hat die geldpolitische Yen-Abwertung der dortigen Exportwirtschaft eindeutig geholfen. Das schaffen Sie auch!
Wenn ich mir Ihr bisheriges geldpolitisches Wirken anschaue, bin ich mir sicher, dass Sie das Richtige tun werden. Denken Sie auch an Ihre Reputation. Wenn Sie den Euro klein kriegen, sind Sie neben dem Euro-Rettungsengel auch noch der ultimative Held der Euro-Exportwirtschaft.
Also Mario, tu es!
Mit besten Grüßen aus dem finanzanalytischen Unterholz,
ein langjähriger Kapitalmarktteilnehmer, der seinen bissigen Zynismus nach all den Jahren sogenannter alternativloser geldpolitischer Rettungsmaßnahmen nicht mehr zurückhalten will und sehnsüchtig an die Zeit der Deutschen Bundesbank zurückdenkt, als Stabilität noch kein Schimpfwort war.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.