NEUER VORSTANDSCHEF MUSS ES MÖGLICHST ALLEN RECHT MACHEN
Der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp hat zunächst den bisherigen Finanzvorstand Guido Kerkhoff zum Konzernchef ernannt. Die eigentliche Hiesinger-Nachfolge soll in einem "strukturierten Prozess" erfolgen. Im Klartext: Es wird nicht von heute auf morgen gehen, zumal das Führungschaos und der Streit der vergangenen Tage nicht gerade Werbung für den Posten sind. Kerkhoff kann zwar theoretisch auch auf Dauer bleiben, Experten gehen aber nicht davon aus. "Kerkhoff bleibt wohl eine Übergangslösung, sagt Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment. "Er hat die alte Strategie Hiesingers maßgeblich mitgetragen. Einen Strategieschwenk könnte er kaum glaubhaft vermitteln."
NEUER CHEFKONTROLLEUR MUSS GRÄBEN SCHLIESSEN
Im Aufsichtsrat gibt es mit dem Finanzinvestor Cevian, der Krupp-Stiftung, den Arbeitnehmervertretern verschiedene Interessen. Lehner hatte dort keinen geschlossenen Rückhalt mehr. "Es muss im Aufsichtsrat schlimmer zugehen als gedacht", sagt Thomas Hechtfischer von der Aktionärschützervereinigung DSW. "Der neue Aufsichtsratschef muss eine Konsenslösung sein", betont auch Fondsmanager Speich. Der Vorsitzende muss mit einer Mehrheit von zwei Drittel gewählt werden.
Gehandelt werden der ehemalige Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel und Ex-Deutsche-Telekom-Boss Rene Obermann. Doch dazu gibt es auch Widerspruch. Obermann sei nicht zu vermitteln, da er gegen das Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel gestimmt und seinen Rückzug aus dem Aufsichtsrat angekündigt habe, so eine mit den Vorgängen vertraute Person. Keitel werde von Cevian und der Krupp-Stiftung abgelehnt. Findet sich bis zum Rücktritt Lehners Ende Juli kein Nachfolger, übernimmt sein Stellvertreter, IG-Metall-Sekretär Markus Grolms, die Aufgaben.
NEUE STRATEGIE GEFORDERT - INVESTOREN MACHEN DRUCK
Der künftige Kurs ist völlig offen. Die bisherige Strategie sah den allmählichen Wandel zu einem Industriekonzern vor. Das Stahlgeschäft schob Hiesinger in das Joint Venture mit Tata ab. Eine Zerschlagung lehnte er ab. Diese Möglichkeit steht nun wieder im Raum. Vor allem die lukrative Aufzugssparte - sie fuhr zuletzt mehr als die Hälfte des operativen Konzerngewinns ein - möchten manche Investoren rasch versilbern. Damit würde Thyssenkrupp aber einen Garanten für die Dividende verkaufen, auf dessen langfristige Ausschüttungen insbesondere die in der Kulturförderung tätige Stiftung angewiesen ist. Möglich ist aber auch ein Börsengang oder ein Joint Venture - etwa mit dem finnischen Konkurrenten Kone, dem schon länger Avancen nachgesagt werden.
WEITERE VERKÄUFE VON UNTERNEHMENSTEILEN WAHRSCHEINLICH
Bereits das Stahl-Gemeinschaftsunternehmen mit Tata könnte dazu führen, dass Thyssenkrupp unter dem Druck der Wettbewerbsbehörden Geschäfte abstoßen muss, etwa die Weißblechtochter Rasselstein. Für Teile des Werkstoffhandelsgeschäfts interessiert sich bereits der Konkurrent KlöCo. Da die Sparte ähnlich konjunkturanfällig ist wie das Stahlgeschäft, dürfte sie früher oder später abgestoßen werden. Einen Verkauf des Marinegeschäfts mit dem U-Bootbau würden Investoren wie Union Investment begrüßen. Das Geschäft bringe zu wenig ein, zugleich sei die Branche anfällig für Korruption.
Cevian und Elliott dürften insgesamt darauf drängen, Geschäfte abzustoßen. Cevian-Gründungspartner Lars Förberg hat die Struktur des Konzerns als viel zu kompliziert kritisiert. "Jetzt muss für jede der Sparten konsequent geprüft werden, welche Struktur und welche Eigentumsverhältnisse am besten geeignet sind", hatte er der Nachrichtenagentur Reuters kürzlich gesagt.