Deutsche Verbraucher gelten als Sparfüchse. Sie lieben es, billig einzukaufen. Viele deutsche Anleger sind ähnlich veranlagt. Sie mögen Value-Aktien oder, vereinfacht ausgedrückt, niedrig bewertete Titel. Allerdings schnitten diese Werte zuletzt meist schlechter ab als Wachstums- oder Qualitätsaktien.

Das erinnert etwas daran, dass billig auch häufig mit minderer Qualität in Zusammenhang gebracht wird. Anders sieht es aus, wenn etwas als günstig eingestuft wird. Dann stehen die Chancen auf lohnende Investments besser. Laut Duden ist ein Objekt günstig, wenn es geeignet ist, zu Gewinnen zu verhelfen. So gesehen macht es aus Anlegersicht Sinn, nach günstigen und nicht nach billigen Anlagen Ausschau zu halten.

Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz gut, den StarCapital bei der monatlichen Beurteilung der Attraktivität von 40 Ländern beschreitet, für das ein internationales Aktienuniversum aus rund 6500 Unternehmen die Basis bildet. Der Assetmanager setzt beim Erstellen des Rankings zwar auch auf fundamentale Indikatoren. Zu diesen gehören das Shiller-KGV (CAPE), das den Marktpreis ins Verhältnis zu den mittleren inflationsbereinigten Firmengewinnen der vergangenen zehn Jahre setzt. Dazu kommen das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV), das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) und die Dividendenrendite. Zudem finden technische Kriterien Berücksichtigung - vor allem die Relative Stärke nach Levy. Diese setzt den Indexkurs ins Verhältnis zu den vergangenen 26 oder 52 Wochen.

Russland, Türkei und China an der Spitze


In der aktuellen Version dieser Rangliste sind Dänemark, USA, Indonesien und Schlusslicht Indien ganz hinten zu finden. Die Tabellenspitze zieren dagegen Länder wie Korea, China, die Türkei sowie Spitzenreiter Russland. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Denn billig ist eben nicht gleichbedeutend mit günstiger Gelegenheit. Zumindest wenn man bei den drei Erstplatzierten Russland, China und Türkei die Ansicht vertritt, dass die Staaten aufgrund ihrer politischen Systeme Bewertungsabschläge verdienen. Dazu passt, dass dieses Trio im Korruptionswahrnehmungsindex die Plätze 138, 87 und 78 belegen. Beim Viertplatzierten Südkorea könnte wegen der Nähe zu Nordkorea und den damit verbundenen Kriegsgefahren ein Abschlag gerechtfertigt sein. Allerdings können die drei Börsen auf den Podestplätzen Relative Stärke vorweisen - ein schlagkräftiges Argument für die weitere Entwicklung der Indizes.

Interesse am Führungsquartett


Das trifft insbesondere auf die Türkei zu. Dort ist der Leitindex ISE National 100 gerade auf eine neue Bestmarke vorgerückt. Für diesen Schub ist vor allem auch die dortige Notenbank verantwortlich: Eben erst hat sie den seit Juli bereits um zwölf Prozentpunkte gesenkten Leitzins um weitere 75 Basispunkte auf 11,25 Prozent nach unten gedrückt. Hinzu kommt die Hoffnung, dass sich ein zuletzt sehr schlechtes Umfeld in ein neutraleres wandelt. Zudem lockt die moderate Bewertung, die sich an Kennzahlen wie dem KGV, aber auch am Kurs-Umsatz-Multiple festmachen lässt. Eine Bürde aus Anlegersicht stellt die notorisch schwache Landeswährung dar. Der HSBC MSCI Turkey ETF ist auf Eurobasis trotzdem gerade auf den höchsten Stand seit 11. Juli 2018 vorgerückt. Das rechtfertigt charttechnisch derzeit eine Kaufempfehlung.

Mit einigem Schwung kann auch der Moskauer Aktienmarkt aufwarten. Führende lokale Aktienindizes können jedenfalls frische Mehrjahreshochs vorweisen. Wer ebenfalls einsteigen will, sollte sich jedoch darauf einstellen, dass Wladimir Putin vermutlich noch viele weitere Jahre am Schalthebel der Macht in Russland sitzt. Losgelöst davon kann die russische Börse jedoch über die Bewertungsschiene eifrig punkten. CAPE, KGV und KCV sind in der Rangliste am niedrigsten. Zudem kann das Land mit der höchsten Dividendenrendite aufwarten.

Nicht so günstig, dennoch aussichtsreich


Aktien aus China stehen in Sachen Bewertung derzeit längst nicht so gut da wie jene aus Russland. Dennoch rangiert das Land auf Platz 3 der Tabelle, was wiede­rum für die Attraktivität des Börsenplatzes spricht. Zumal die lokalen Aktienindizes rund um das eben unterzeichnete erste Teilabkommen im Handelsstreit mit den USA begonnen haben, Relative Stärke aufzubauen. Solange sich die heimische Volkswirtschaft weiter stabilisiert und neue Rückschläge beim Handelskrieg ausbleiben, könnte sich die Erholungsrally fortsetzen. In den internationalen Depots dürften Aktien aus dem Reich der Mitte nicht zuletzt wegen des nervenaufreibenden Handelskonflikts jedenfalls noch untergewichtet sein. Wer in Südkorea Positionen auf breiterer Basis eingehen will, sollte davon überzeugt sein, dass sich der Status quo mit dem Nachbarn Nordkorea zumindest nicht verschlechtert. KBV und KUV nehmen mit niedrigen Werten einige der damit verbundenen Risiken bereits vorweg. Mut macht auch, dass das lokale Aktienschwergewicht Samsung Electronics jüngst auf Rekordkurs eingeschwenkt ist. Unter anhaltender Führung des Elektronikriesen könnte es auch hier noch weiter nach oben gehen.

Teurer muss nicht schlechter sein


Dennoch ist es nicht so, dass Anleger teuer erscheinende Börsen komplett meiden sollten. Wer so agierte, hat schon seit Jahren auf US-Aktien verzichtet und damit das größte Zugpferd des noch andauernden Bullenmarktes an sich vorbeiziehen lassen. Kritisch sollten Anleger werden, wenn in hoch bewerteten Märkten die Relative Stärke abnimmt.